Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2011 - 2016


2011-16/DS-II(A)0072Ausgegeben am 22.09.2015

Eing. Dat. 03.09.2015

 

 

Mehrsprachige Bildung in Offenbach

hier: Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 19.03.2015,

2011-16/DS-I(A)0686/1
dazu: Magistratsvorlage Nr. 2015 - 259 (Dez. II, Amt 40, 57) vom 02.09.2015


Die Stadtverordnetenversammlung hat folgenden Beschluss gefasst:

Der Magistrat wird beauftragt, zu prüfen und zu berichten, ob und wie mehrsprachige Bildung in den Kindertagesstätten in Offenbach gefördert werden kann.

 

Die Prüfung soll auf folgende Aspekte eingehen:

 

1. Können das Konzept der Immersionsmethode oder andere pädagogischen Methoden zur Vermittlung von Sprache in Offenbacher Kitas realisiert werden?

 

2. Wie könnte das Erlernen der Muttersprache der Kinder mit Migrationshintergrund in Offenbacher Kitas gefördert werden?

 

3. Wie tragen die vorgenannten Punkte zur Erlernung der deutschen Sprache bei?

 

Weiterhin wird der Magistrat beauftragt, die Stadtverordnetenversammlung zeitnah über den Umsetzungsstand des Beschlusses „Modellprojekt mehrsprachige Bildung von Anfang an“ (DS I (A) 631/2 vom 23.09.2010), wonach der Magistrat in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Schulamt auf die Einrichtung einer mehrsprachigen Grundschule und einer benachbarten mehrsprachigen Kindertagesstätte im Nordend bzw. Hafengebiet hinzuwirken hat, zu berichten.

 

 

Hierzu berichtet der Magistrat wie folgt:

 

Zu 1.:

 

Die Immersionsmethode wird dazu genutzt, Kindern von Eltern, die das wünschen, die Möglichkeit zu geben, quasi auf “natürliche Weise“ angeglichen an die Fähigkeiten zum Mutterspracherwerb eine Zweitsprache zu erlernen. Dies setzt voraus, dass in der jeweiligen Kita mindestens die Hälfte der ständig anwesenden Erzieherinnen und Erzieher die entsprechende Zweitsprache als Muttersprache spricht. Unabhängig von der Frage des Bedarfs nach einem solchen Angebot in Offenbach hält es der Magistrat für nicht wahrscheinlich, dafür auf dem Arbeitsmarkt in der benötigten Zahl qualifizierte pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, die z. B. Englisch als Muttersprache haben. Zielführend wäre ein solches Angebot außerdem nur dann, wenn im Anschluss an die Elementarbildung in der Kita ein entsprechendes Angebot im Grundschulbereich gewährleistet wäre. Dies müsste seitens des Landes sichergestellt werden.

Derzeit hält der Magistrat den optimalen Erwerb der deutschen Sprache bei Kindern mit anderer Muttersprache und das Vorhalten eines hierfür entsprechend qualifizierten Angebotes in den Kitas der Stadt Offenbach für die pädagogische Aufgabe bzw. Herausforderung mit höchster Priorität.

 

Zu 2.:

 

Hier sieht der Magistrat keinen Handlungsbedarf. Wie zu Frage 1 bereits erläutert, muss die Priorität in den Kindertagesstätten auf die Sprachförderung in der deutschen Sprache gelegt werden. Diese ist der entscheidende Schlüssel zum Erfolg der Kinder im schulischen Bildungssystem. In den ersten sechs Lebensjahren erlernen die Kinder ihre Muttersprache ausreichend im familiären Kontext. Seit Jahren berät das Jugendamt bzw. der Eigenbetrieb Kindertagesstätten Offenbach (EKO) die Eltern dahingehend, dass es für den Erwerb der Muttersprache ihrer Kinder von großer Wichtigkeit ist, dass sie selbst regelmäßig mit ihren Kindern in ihrer Muttersprache sprechen. Eine besondere Förderung der bewussten Durchdringung grammatischer Strukturen und Sinn entnehmenden Zuhörens sowie Lesens in der Muttersprache wird für diese Kinder erst mit Eintritt in die Grundschule wichtig.

 

Zu 3.:

 

Die Forschung hat zwischenzeitlich erkannt, dass der Erwerb der deutschen Sprache als Zweitsprache in den Einrichtungen der Elementarbildung durch spezielle Sprachförderprogramme nicht bzw. nur unzureichend gelingen kann. Dies gilt unabhängig von der jeweils spezifischen Ausrichtung dieser Programme. Neben der Anwendung spezifischer Programme zur Sprachförderung sind die Kinder darauf angewiesen, dass - ähnlich der Immersionsmethode - ein elaboriertes, sprachbewusstes Deutschangebot in den Kindertagesstätten alltäglich und ganztags praktiziert wird. Das derzeit laufende Weiterbildungsprogramm "Sprachförderung" beim EKO ist darauf ausgerichtet, Erzieherinnen und Erzieher für diese Vorgehensweise zu qualifizieren und diese in allen Kitas des EKO zu implementieren.

 

Inwieweit der unterstützte Erwerb der Muttersprache auf hohem Niveau einen Einfluss auf den Erwerb von Deutsch als Zweitsprache in der Elementarbildung hat, ist eine akademische Frage, die vom Magistrat der Stadt Offenbach nicht beantwortet werden kann. Der Zusammenhang ist mit Sicherheit vielschichtig und akademisch in vieler Hinsicht noch ungeklärt. Zu viele Faktoren beeinflussen die Fähigkeiten wie den Erfolg beim Erwerb einer Zweitsprache. Als sicher darf unterstellt werden, dass ein hohes Bildungsniveau des Elternhauses sowie eine altersgemäß sehr gute Sprachentwicklung von Kindern in deren Muttersprache eher nützlich für den Erwerb von Deutsch als Zweitsprache sind.

 

Zu „Umsetzungsstand des Beschlusses „Modellprojekt mehrsprachige Bildung von Anfang an“ (DS I (A) 631/2 vom 23.09.2010)“:

 

Die Entscheidung über ein bilinguales Angebot an einer Grundschule betrifft grundsätzlich die Schulorganisation. In Abstimmung mit dem Staatlichen Schulamt für den Landkreis Offenbach und die Stadt Offenbach am Main hat der Magistrat der Stadt Offenbach beim Hessischen Kultusministerium (HKM) abgefragt, Voraussetzungen für die Umsetzung eines solchen Angebots erfüllt sein müssen.

 

Mit Schreiben vom 06.07.2015 teilte uns das HKM mit, dass für die Umsetzung eines mehrsprachigen Angebots an einer Grundschule, abgesehen vom Vorhandensein der personellen Ressourcen, von der entsprechenden Schule ein Konzept für den bilingualen Unterricht dem HKM, über das Staatliche Schulamt Offenbach, zur Zustimmung vorgelegt werden muss. Dieses Konzept muss dabei folgenden Eckpunkten genügen:

 

·         Die Klassen werden je ca. zur Hälfte von Kindern besucht, deren Herkunftssprache Deutsch und deren Herkunftssprache die zweite Unterrichtssprache ist.

 

·         Der Unterricht wird von einer deutschen und einer fremdsprachigen Lehrkraft erteilt.

 

·         Die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler werden gemeinsam in beiden Sprachen alphabetisiert.

 

·         Die Stundentafel ist gegenüber der regulären Stundentafel durch zusätzlichen Sprachunterricht erweitert.

 

·         Die Fortsetzung des Spracherwerbs in weiterführenden Schulen ist gewährleistet.

 

Das Staatliche Schulamt Offenbach hat bezüglich der Realisierung der vorgeschriebenen Eckpunkte erhebliche Bedenken formuliert:

 

1.    Wenn ein bilinguales Angebot in einer Klasse mit 25 Kindern eingerichtet werden soll, von denen die Hälfte der Kinder Deutsch als Muttersprache haben, so stellt sich die Frage, ob im Einzugsgebiet der Hafenschule entsprechende Schüler/-innen mit deutschen Wurzeln in einer solchen Klasse konzentriert werden sollen.

 

2.    Wenn ein bilinguales Angebot in einer Klasse mit 25 Kindern eingerichtet werden soll, von denen die Hälfte der Kinder eine andere Sprache als Muttersprache haben, so kann diese Sprache keinesfalls Englisch sein, da im Bereich der Hafenschule kaum Kinder wohnen, deren Muttersprache Englisch ist.

 

3.    Daraus ergibt sich die Frage, welche Sprache sich ansonsten für ein bilinguales Angebot eignet. Hierzu müsste das Konzept der Schule Auskunft geben, wobei genügend Kinder mit dieser zweiten Muttersprache im Einzugsgebiet der Hafenschule wohnen müssten. Sollte diese zweite Sprache z. B. Türkisch sein (hier wären wohl genügend Muttersprachler vorhanden)?

4.    Darüber hinaus erkennt das Staatliche Schulamt Offenbach große Probleme, entsprechende muttersprachliche Lehrkräfte zu finden, die auch die Lehrbefähigung für den Unterricht in Hessen haben.

 

Schließlich fehlen dem Staatlichen Schulamt Informationen, wie viele (und ob überhaupt genügend) zusätzliche Unterrichtsstunden für ein bilinguales Angebot seitens des HKM der Hafenschule zugewiesen werden würden. Das Staatliche Schulamt empfiehlt, vor Antragstellung entsprechende Informationen beim Stellendezernat des HKM einzuholen.