Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2011 - 2016


2011-16/DS-I(A)0780/1Ausgegeben am 10.12.2015

Eing. Dat. 10.12.2015

 

 

 

 

 

Kennzahlen zur Haushaltssteuerung

Änderungsantrag SPD, B´90/Die Grünen und FW vom 10.12.2015

 

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

  1. Der Magistrat wird beauftragt, ab dem Haushaltsentwurf 2017 eine Gesamtübersicht der Produktbereiche vorzulegen, die den Zuschussbedarf je Produktbereich ausweist.

 

  1. Der Magistrat wird beauftragt, ab dem Haushaltsentwurf 2017 Produkte im Haushalt, die über ein Volumen von mehr als 20 Millionen Euro verfügen, mit Effizienzkennzahlen zur Haushaltssteuerung zu versehen.

 

  1. Der Magistrat wird beauftragt, ab dem Haushaltsentwurf 2018 Produkte im Haushalt, die über ein Volumen von mehr als 5 Millionen Euro verfügen, mit Effizienzkennzahlen zur Haushaltssteuerung zu versehen.

 

  1. Ausgenommen von 1 und 2 ist der Produktbereich 16.

 

  1. Es sind produktbezogene Effizienzkennzahlen zu erarbeiten, die eine direkte Vergleichbarkeit über die Zeitachse als auch einen Vergleich mit anderen Kommunen zulassen. Um das Ziel der Vergleichbarkeit zu erreichen, ist Kontakt mit dem Hessischen Städtetag, dem ekom21 und dem Landesrechnungshof aufzunehmen. Es sind Daten aus überörtlichen Statistiken zu verwenden. Die Kennzahlen müssen nicht mit dem Haushaltsjahr übereinstimmen, sondern orientieren sich an der Verfügbarkeit der Daten.

 

 

Begründung:

 

Als Ort für alle geforderten Darstellungen bieten sich der Vorbericht zum Haushalt oder das Haushaltssicherungskonzept an.

 

Zu 1.: Der Zuschussbedarf auf der Ebene des Verwaltungsergebnisses ergibt sich als Saldo aus den Ausgaben für die Aufgabenerfüllung einerseits und den mit der Aufgabenerfüllung verbundenen Einnahmen. Diese Einnahmen reichen von privatwirtschaftlichen Entgelten über Gebühren bis hin zu Kostenerstattungen seitens Bund und Land. Der Zuschussbedarf eines Produktes hängt von drei Aspekten ab:

 

a) Ausmaß der Aufgabenerfüllung: d.h. je mehr gemacht wird, umso höher ist der Zuschussbedarf;

 

b) Umfang der mit dem Produkt verbundenen Einnahmen: d.h. je mehr Zuschüsse es gibt, je mehr Gebühren erhoben werden usw. desto geringer ist der Zuschussbedarf;

 

c) der Effizienz der Aufgabenerfüllung: d.h. je effizienter die Aufgabe erledigt wird, umso niedriger ist der Zuschussbedarf.

 

Die isolierte Betrachtung der Höhe des Zuschussbedarfs ist im ersten Schritt äußerst wichtig, um festzustellen, welche Aufgaben zu besonderen Defiziten führen und damit einen herausragenden Aspekt des kommunalen Haushalts darstellen.

 

Grundsätzlich sind die Einnahmen des kommunalen Haushalts eine wichtige Gestaltungsvariable für die Entwicklung eines Gemeinwesens. Dies muss in heutiger Zeit wieder deutlich hervorgehoben werden, da politische Debatten bisweilen so geführt werden, dass die Einnahmen als gegeben angenommen werden, an die sich die Ausgaben anzupassen haben. Dahinter stehen Begründungen, die unter der Überschrift „weniger Staat“ laufen.

 

Was die Kommune einnimmt, haben letztendlich Individuen nicht mehr zur eigenen Gestaltung zur Verfügung. Aber dieses Null-Summen-Spiel führt zu der hochpolitischen Frage: Wie viel gemeinschaftliche Aufgabenerfüllung wollen wir in unserer Gesellschaft? Diese Frage steht bei jeder Haushaltsberatung erneut an. Dies gilt aber in erster Linie für die Erfüllung freiwilliger Aufgaben.

 

Im Falle der Erfüllung von Pflichtaufgaben, die den Offenbacher Haushalt dominieren, gilt vielmehr: Diese müssen – sofern sie effizient erbracht werden – auch von Bund und Land finanziert werden. Denn andernfalls stünde den hohen kommunalen Steuern gar keine Leistung für die Bürger, z.B. in Form eines kostenlosen ÖPNV oder kostenlosen Kitas oder kostenlosen Schwimmbädern, gegenüber. Es würde lediglich bedeuten, dass die Einwohner sozialstrukturell belasteter Kommunen, also die Offenbacher, die Kosten der Arbeitslosigkeit selbst bezahlen müssen. Das aber verschärft noch den Unterschied der Lebensbedingungen zwischen armen und reichen Kommunen, was aus Sicht der antragstellenden Kommunen skandalös wäre.

 

Daher begrüßen die antragstellenden Fraktionen, dass im Haushaltssicherungskonzept die Zuschussbedarfe (also „netto-Aufwendungen“) für die großen Sozialgesetzbücher den Mitteln aus dem KFA gegenübergestellt werden[1]. Dies soll auch in Zukunft geschehen, um deutlich zu machen, wie das Haushaltsergebnis aussähe, wenn Bund und Land die von ihnen bestellen Ausgaben bezahlen würden. Dann wird nämlich auch deutlich, wie das Haushaltsergebnis aussieht, dass die Kommunalpolitik in stärkerem Maße auch selbst beeinflussen kann[2].

 

Zu 2.+3.: Die Verwaltung muss die Chance haben, die Haushaltssteuerung über Kennziffern Schritt für Schritt einführen zu können, da es sich um Mehraufwand handelt, für das kein zusätzliches Personal zur Verfügung steht. Daher schlagen die antragstellenden Fraktionen ein stufenweises Verfahren vor. Dies ist insbesondere berechtigt, da für die in Fußnote eins aufgeführten Produkte mit dem Haushaltssicherungskonzept 2016 bereits Effizienzkennzahlen für die Erledigung der großen Sozialgesetzbücher vorgelegt wurden. Diese Arbeitsleistung der Veraltung begrüßen die antragstellenden Fraktionen ausdrücklich.

 

Der Zuschussbedarf als Ausgangspunkt der Analyse bedarf bei freiwilligen Aufgaben der Ergänzung durch Kennziffern zu allen drei unter „zu 1.“ genannten Aspekten, die die Höhe des Zuschussbedarfs beeinflussen. Etliche Kommunen arbeiten in diesem Gesamtblick dazu bereits an so genannten Nachhaltigkeitskennziffern.

 

Bei gesetzlichen Pflichtaufgaben genügen hingegen Kennziffern zu Aspekt c), da zu a) und b) in aller Regel präzise Vorgaben bestehen. Da die im ersten Schritt erfassten Volumina vor allem Produkte aus gesetzlichen Pflichtaufgaben betreffen, beschränken sich die antragstellenden Fraktionen zunächst auf Effizienzkennzahlen.

 

Zu 4.: Der Produktbereich 16 enthält lediglich Aufwendungen aus Umlageverpflichtungen der Stadt (Gewerbesteuerumlage, LWV), ein Einfluss auf eine wirtschaftliche Umsetzung besteht daher nicht, ein Wirtschaftlichkeitsvergleich ist folglich überflüssig.*

 

Zu 5.: Effizienzkennziffern können in der Regel nur im zeitlichen Vergleich und im Vergleich verschiedener Kommunen sinnvoll ermittelt werden. Die Daten müssen daher – wie im vorliegenden Haushaltssicherungskonzept – aus überörtlichen Datenquellen stammen. Diese sind nur im „Ist“ verfügbar und haben daher einen zeitlichen Nachgang zum Haushaltsplanentwurf, der den Plan ja schon im Namen trägt. Sie zeigen dennoch deutlich, ob für die Stadtverordnetenversammlung in Ihrer Kontrolle der Verwaltungstätigkeit an einer bestimmten Stelle aus der Vergangenheit Handlungsbedarf erwächst und besitzen damit die von den antragstellenden Fraktionen gewünschte Steuerungsrelevanz.


*redaktionell ergänzt



[1] Dies betrifft die Produkte Grundversorgung nach dem SGB XII 050101, Grundversorgung nach dem SGB XII avE 050102, Grundversorgung nach dem SGB XII ivE 050103, Verwaltung der Grundsicherung für Arbeitssuchende 050201, Leistungen zum Lebensunterhalt und sonstige […]050301, Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen 060105 und Erzieherische und allgemeine Hilfen 060303.

[2] Altschulden aus Defiziten die entstanden sind, weil Bund und Land ihre Aufgaben nicht finanzieren sind selbstredend nicht zu dem Bereich zu zählen, die Kommunalpolitik in stärkerem Maße selbst beeinflussen kann.