Quelle: pio.offenbach.de
Abgerufen am 20.04.2024


Geschäftsordnung der Unabhängigen Beschwerdestelle nach dem
Psychisch–Kranken–Hilfe-Gesetz
für die Stadt Offenbach an Main

 

 

Präambel

 

Als Beschwerde wird generell die Kritik über einen erlebten oder selbst erfahrenen Missstand oder Mangel verstanden.

Im Kontakt mit Mitarbeitern, Betreuern, Ärzten, Pflegepersonal, Pädagogen und Therapeuten kann es in den verschiedenen psychiatrischen Arbeitsbereichen, stationär,  teilstationär oder  in der ambulanten Versorgung, zu zwischenmenschlichen Konflikten kommen. Auch die Angehörigen oder andere nahe stehende Personen bekommen Problemlagen oder Konflikte oft sehr deutlich mit, sind nah am Geschehen und gut informiert, haben aber in der psychiatrischen Versorgung keine Möglichkeit, um in einer konstruktiven Auseinandersetzung Einfluss zu nehmen.

Bekannt sind Lebenssituationen, in denen schon allein das Sprechen über eine belastende Erfahrung bei einer neutralen Instanz bewirken kann, dass es dem betroffenen Menschen besser geht.

Die Beschwerdestelle ist dazu eingerichtet worden, damit der betroffene Personenkreis über die reine Beschwerdemöglichkeit hinaus eine Verbesserung erwirken kann. Dies kann durch ein vermittelndes Gespräch mit beiden Parteien, in dem eine Wiedergutmachung, eine Entschuldigung oder eine gemeinsame Übereinkunft vereinbart wird, geschehen.

Die Bearbeitung von Kritik oder die Herbeiführung von Konfliktlösungen ist häufig für alle Beteiligten von Vorteil. Kritik zu berücksichtigen gewährleistet eine kontinuierlich gute Versorgung; Beschwerden nachzugehen bringt Klärung in Beziehungen. Manche Beziehungen zwischen den betroffenen Menschen und den Mitarbeitern eines Versorgungsdienstes sind schon länger belastet. Die Einschaltung einer unabhängigen, kompetenten Stelle, die das Vertrauen beider Konfliktparteien hat, kann im Sinne einer konstruktiven Konfliktlösung für beide Seiten hilfreich sein.

Die Mitglieder der Beschwerdestelle werden den Beschwerdeführer/die Beschwerdeführerin ernst nehmen, zuhören und versuchen, dem Grund für die Beschwerde nachzugehen und eine Lösung herbeizuführen, die akzeptabel ist.

Dabei versteht sich die Beschwerdestelle als eine Institution, die parteilich im Interesse des Beschwerdeführers handelt.

Die Unabhängige Beschwerdestelle sollte nach Möglichkeit trialogisch besetzt sein, d.h. Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige und professionelle Fachkräfte aus der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung sollen dort mitarbeiten.

Die Tätigkeit der unabhängigen Beschwerdestelle erfolgt unentgeltlich. Die Beschwerdestelle bietet eine niederschwellige, unbürokratische Vermittlung und Schlichtung an und kann vorbereitende Schritte für Kontakte zu Rechtsberatungsstellen oder Rechtsanwälten herstellen. Sie führt keine Rechtsberatung durch und darf niemanden vor Gericht vertreten.

Die „Unabhängige Beschwerdestelle Psychiatrie“ wird nach § 32 Psychisch-Kranken -Hilfegesetz (PsychKHG) in der Stadt Offenbach am Main als unabhängige Beschwerdestelle eingerichtet. Die organisatorische Unterstützung der Beschwerdestelle erfolgt durch das Stadtgesundheitsamt der Stadt Offenbach am Main.


§ 1

Zusammensetzung

 

Die Beschwerdestelle setzt sich aus je einer Vertreterin oder einem Vertreter aus dem Kreis der Psychiatrie-Erfahrenen und aus dem Kreis der Angehörigen sowie eine Person mit Berufserfahrung im psychiatrischen Versorgungssystem zusammen. Die Mitglieder der Beschwerdestelle werden auf Vorschlag des Magistrates von der Stadtverordnetenversammlung für die Dauer von drei Jahren berufen. Die Beschwerdestelle ist an keine Instanz weisungsgebunden. Die Arbeit der Mitglieder ist ehrenamtlich.

 

 

§ 2

Aufgaben der Beschwerdestelle

 

Die Beschwerdestelle bearbeitet alle Beschwerden, Anregungen oder Fragen im Zusammenhang mit einer Unterbringung, ärztlichen Behandlung, Therapie oder psychosozialen Betreuung von Bürgerinnen und Bürgern in der Stadt Offenbach bzw. in Einrichtungen und Diensten mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung. Insoweit unterstützt sie psychisch oder suchtkranke Menschen oder deren Angehörige bei ihrer Interessenwahrnehmung. Sie ist ebenfalls für Mitarbeiter von Einrichtungen und Diensten des Zuständigkeitsbereiches Ansprechpartner, die über diese Mittlerstelle Missstände abstellen wollen und dies nicht alleine können. Alle Beschwerden/Anregungen werden dokumentiert. Die Dokumentation ist dem Stadtgesundheitsamt Offenbach jährlich in anonymisierter Form zur Verfügung zu stellen. Dieses gibt die Dokumentation dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung zur Kenntnis.

 

 

§ 3

Arbeitsweise

 

Die Beschwerdestelle hat folgende Funktionen:

 

(a)       Beschwerdeaufnahme durch einzelne Mitglieder der Beschwerdestelle persönlich während der Sprechzeiten, über veröffentlichte telefonische Sprechzeiten (Anrufbeantworter), Post sowie Email;

 

(b)       Beratung und Intervision der mit den Beschwerden befassten Beschwerdestellenmitglieder  in regelmäßigen Abständen durch die Gesamtheit der Mitglieder (Beschwerdegruppe).

 

Das Mitglied/die Mitglieder vor Ort prüft/prüfen die Anregungen und Beschwerden. Dabei kann es/können sie vor Bearbeitung und Entscheidung insbesondere

 

- den Beschwerdeführer hören,

- den Rat der Beschwerdegruppe oder Einzelner ihrer Mitglieder einholen,

- eine Ortsbesichtigung durchführen,

- eine Gesprächsmoderation (Mediation) anbieten,

- Stellungnahmen einholen.

 

Die Mitglieder sind gleichberechtigt und nicht weisungsgebunden.

 

In psychiatrischen Krankenhäusern, Sozialpsychiatrischen Diensten und in sonstigen für die Hilfe von Personen nach § 1 PsychKHG zuständigen Einrichtungen wird in geeigneter Weise über das Vorhandensein der unabhängigen Beschwerdestelle mit Namen, Anschrift, Aufgabenbereich und Erreichbarkeit der Mitglieder informiert.

 

 

§ 4

Sachliche Unzuständigkeit

 

Die Beschwerdestelle sieht von einer Prüfung der Anregung oder Beschwerde ab, wenn

-       die Beschwerde sachlich in keinem Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung oder Suchterkrankung bzw. deren Behandlung steht,

-       sie gegenüber einer bereits entschiedenen Beschwerde/Anregung keine neuen Fakten enthält,

-       ihre Behandlung mangels eines Sinnzusammenhangs nicht möglich ist,

-       die Beschwerde sich auf Orte oder Personen außerhalb des Einzugs- und Einflussbereichs der Beschwerdestelle bezieht.

 

 

§ 5

Entscheidungsmöglichkeiten


1. Zur sachlichen Prüfung angenommene Beschwerden/Anregungen werden in einer mit dem Beschwerdeführer abgestimmten Form an die betroffene Stelle (Arzt, Verwaltung, Einrichtung etc.) weitergeleitet, gegebenenfalls mit Bitte um Stellungnahme. Insbesondere kann von der Beschwerdestelle das Angebot zu einem gemeinsamen Gespräch mit der / dem Beschwerdeführenden und dem Vertreter/den Vertretern der betroffenen Stelle gemacht werden.

 

2. Über Beschwerden/Anregungen kann in unterschiedlicher Weise entschieden werden:

    a. Die Beschwerdestelle empfiehlt bestimmte Maßnahmen.

    b. Die Beschwerdestelle macht Vorschläge an beide Seiten zur Verbesserung der 
        Kommunikation.

    c. Die Beschwerdestelle weist die Beschwerde als unbegründet zurück.

    d. Die Beschwerdestelle stellt die Erledigung der Beschwerde aus sonstigen
        Gründen fest.

3. Die Beschwerdestelle entscheidet stets im Einzelfall unter Berücksichtigung aller
    erkennbaren Umstände.

4. Die Beschwerdestelle informiert den Beschwerdeführer über den Inhalt der das
    Verfahren abschließenden Entscheidung.

 

 

§ 6

Vertraulichkeit

 

Jedes Mitglied der Beschwerdestelle hat über die persönlichen Daten der an einem Beschwerdeverfahren beteiligten Personen strengstes Stillschweigen zu bewahren und eine entsprechende Erklärung zu unterschreiben (s. Anlage). Die Schweigepflicht besteht auch nach der Beendigung der Mitgliedschaft in der Beschwerdestelle weiter. Sitzungsprotokolle werden grundsätzlich nicht, auch nicht abschnittsweise oder fallbezogen, zur Einsichtnahme an Dritte weitergegeben. Alle personenbezogenen Daten werden nach Ablauf von drei Jahren nach Beendigung des Vorgangs vernichtet.

Mitglieder der Beschwerdestelle holen bei einer konkreten Beschwerde, deren Aufarbeitung bei anderen Institutionen Rückschlüsse auf den Beschwerdeführer zulassen würde, eine Entbindung des Beschwerdeführers von der Schweigepflicht für den konkreten Anlass ein.

 

 

§ 7

Vertretung nach außen

 

Die Information der Öffentlichkeit oder interessierter Dritter über Grundsätze, Arbeitsweise oder Ziele der Beschwerdestelle erfolgt durch ein für den Einzelfall damit beauftragtes Mitglied der Beschwerdestelle. Die Beschwerdestelle wird nach außen durch das damit beauftragte Mitglied vertreten.

 

 

§ 8

Sitzungen

 

Die Mitglieder der Beschwerdestelle tagen regelmäßig einmal im Quartal. Die Termine werden jeweils in den vorausgegangenen Sitzungen im Voraus bestimmt. Auf Wunsch kann eine außerordentliche Sitzung einberufen werden, zu denen die Mitglieder unter Einhaltung einer Frist von drei Tagen eingeladen werden müssen. Über den Verlauf der Sitzungen ist ein Ergebnisprotokoll mit Anwesenheitsliste zu führen.

 

 

§ 9

Beschlussfassung

 

Entscheidungen über den Umgang mit Beschwerden / Anregungen werden von den in der konkreten Beschwerdearbeit stehenden Mitgliedern im Sinne der Geschäftsordnung, insbesondere im Sinne von § 2 und § 4, und möglichst zeitnah getroffen. Klärende und vermittelnde Gespräche sollen nach Möglichkeit und bei Einverständnis des Beschwerdeführenden von zwei Mitgliedern der Beschwerdestelle geführt werden. Beschwerdesachverhalte, die besonderes Fachwissen oder aus sonstigen Gründen Beratung erfordern, sollen in die Beschwerdegruppe eingebracht und dort diskutiert werden.

 

Alle über die Fallarbeit hinausgehenden, die Beschwerdestelle als Ganzes betreffenden Fragen werden ebenfalls in der Beschwerdegruppe entschieden.

 

Die Beschwerdegruppe ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Sämtliche Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Stimmenthaltungen und / oder Gegenstimmen stehen der Beschlussfassung nicht entgegen.

 

§ 10

Erstattung der Auslagen

 

Die Tätigkeit der Unabhängigen  Beschwerdestelle erfolgt unentgeltlich. Die Mitglieder erhalten für ihre Auslagen (z.B. für Telefon, Fahrtkosten, Postversendung etc.) jeweils eine jährliche Pauschale in Höhe von 400 € pro Person.

 

 

§ 11

Inkrafttreten

 

Diese Geschäftsordnung wurde von der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Offenbach am Main in der Sitzung vom 15. August 2018 beschlossen und tritt zum

1. September 2018 in Kraft.

 

 

 

Offenbach, den

 

 

 

 

 

 

 

Anlage

 

Vorlage „Verpflichtung zur Verschwiegenheit“

 

 

Als Mitglied der Unabhängigen Beschwerdestelle verpflichte ich, ………………………
……………………...……,  mich über die persönlichen Daten der an einem Beschwerdeverfahren beteiligten Personen strengstes Stillschweigen zu bewahren. Die Schweigepflicht besteht auch nach der Beendigung der Mitgliedschaft in der Beschwerdestelle weiter. Sitzungsprotokolle gebe ich  grundsätzlich nicht, auch nicht abschnittsweise oder fallbezogen, zur Einsichtnahme an Dritte weiter. Bei einer konkreten Beschwerde, deren Aufarbeitung bei anderen Institutionen Rückschlüsse auf den Beschwerdeführer zulassen würde, werde ich eine Entbindung des Beschwerdeführers von der Schweigepflicht für den konkreten Anlass einholen.

 

 

 

 

 

Ort:…………………………………………………… Datum…………………….

 

 

Unterschrift:……………………………………………

 

 

 

 

 

 

Dieser Text wurde mit dem "Politischen Informationssystem Offenbach" erstellt. Er dient nur der Information und ist nicht rechtsverbindlich. Etwaige Abweichungen des Layouts gegenüber dem Original sind technisch bedingt und können nicht verhindert werden.