Quelle: pio.offenbach.de
Abgerufen am 28.03.2024


Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2016 - 2021


2016-21/DS-II(A)0046Ausgegeben am 21.01.2019

Eing. Dat. 17.01.2019

 

 

 

Neue Wohnformen für Seniorinnen und Senioren

hier: Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 08.02.2018,

2016-21/DS-I(A)0338

dazu: Magistratsvorlage Nr. 2019-13 (Dez. III, Amt 50) vom 17.01.2019

 

 

Die Stadtverordnetenversammlung hat am 08.02.2018 folgenden Beschluss gefasst:

 

Der Magistrat wird beauftragt zu prüfen und zu berichten:

 

1. wie möglichst barrierefreie Wohnungen z.B. in Erdgeschosslage für gemeinschaftliche Wohnformen für Seniorinnen und Senioren bereitgestellt werden können und ab wann dies umsetzbar wäre. Dabei sind sowohl die Möglichkeiten der GBO als auch die anderer Wohnbaugesellschaften und privater Investoren einzubeziehen. Berücksichtigt werden sollen dabei sowohl Neubauten als auch Wohnungen im Bestand z.B. durch Vergrößern von Wohnungen.

 

2. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob für die Organisation der Wohnformen eine Trägerschaft notwendig ist und wer diese gegebenenfalls übernehmen könnte.

 

3. Mögliche Kosten für die Stadt sind darzustellen.

 

 

Hierzu berichtet der Magistrat wie folgt:

 

Zu Frage 1:

 

Bei der Schaffung gemeinschaftlicher Wohnformen für Seniorinnen und Senioren ist zu berücksichtigen, dass diese in der Regel eine Größe von ca. 20 bis durchaus 100 Wohneinheiten umfassen. Daher handelt es sich meist um Gebäudekomplexe, die eigens für den Zweck des gemeinschaftlichen Wohnens gebaut werden. Sie sind immer barrierefrei. Die geforderte Anzahl der Wohneinheiten lässt sich praktisch nicht im Bestand entwickeln. Wo dies der Fall ist, handelt es sich meist um ehemalige Kasernen (Frankfurt, Kassel). Offenbach verfügt nicht über vergleichbare Gebäude.

 

Hinsichtlich der Barrierefreiheit ist darauf hinzuweisen, dass Erdgeschosswohnungen kaum an Seniorinnen und Senioren zu vermitteln sind. Ältere Menschen haben ein starkes Sicherheitsbedürfnis, das eine Erdgeschosswohnung in keiner Weise erfüllt. Die langjährigen Erfahrungen in der Vermittlung von Seniorenwohnungen haben gezeigt, dass diese Wohnungen an die Zielgruppe kaum zu vermitteln sind. Zieht man dennoch solchen Wohnraum in Betracht, müssen umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen vorgenommen werden, damit eine Vermittlung eine Chance hat.

 

Im Hinblick auf das Bereitstellen von barrierefreiem Wohnraum für gemeinschaftliche Wohnformen können zwei Vorgehensweisen parallel verfolgt werden, namentlich

·              die Einhaltung und Überprüfung der gesetzlichen Vorgaben der Hessischen Bauordnung (HBO) zur Errichtung von barrierefreiem Wohnraum in Neubauten
Bisher waren in § 43 Abs. 2 HBO die Vorgaben für barrierefreie Wohnungen geregelt. Es bestand jedoch praktisch keine Möglichkeit der Prüfung durch die Bauaufsicht. In der Antwort vom 16.04.2015 des damaligen Herrn Oberbürgermeisters Horst Schneider zum Antrag 2011-16/DS-I(A)0179 „Ausbau von barrierefreiem Wohnraum für Senioren und Menschen mit Behinderung in Offenbach“ wurde dieses Problem dargelegt und darauf hingewiesen, dass § 57 HBO eine Prüfung der Einhaltung der Vorschrift über die Barrierefreiheit im vereinfachten Genehmigungsverfahren ausschloss.
Durch die Novellierung der Hessischen Bauordnung in 2018 wurde jedoch zwischenzeitlich die Rechtslage in Bezug auf barrierefreies Bauen verbessert. Durch § 54 HBO in der Fassung von 2018 werden explizit Vorgaben zu Anzahl und Ausstattung von barrierefreien Wohnungen formuliert.

 

·              das Zur-Verfügung-Stellen von Liegenschaften für gemeinschaftliche Wohnformen im Konzeptverfahren
Durch solch ein Verfahren besteht die Möglichkeit, gezielt Bauherren zu finden, die bereit sind, gemeinsam mit zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohnern ein gemeinschaftliches Wohnprojekt zu entwickeln. Mit einer Konzeptvergabe könnte auch die Vorgabe der Wohnungspolitischen Leitlinien von 2011 umgesetzt werden, in denen das Ziel geregelt ist, dass mindestens ein Mehrgenerationenwohnprojekt pro Stadtteil entstehen sollte (S. 6). Dieses Vorgehen wird auch vom Bereich Stadtentwicklung und Städtebau des Amtes für Stadtplanung, Verkehrs- und Baumanagement unterstützt.

 

Hinsichtlich der Möglichkeiten der GBO wie auch der anderen Wohnbaugesellschaften und privater Investoren, barrierefreie Wohnungen für gemeinschaftliches Wohnen bei Neubauten wie auch Wohnungen im Bestand z.B. durch Vergrößern von Wohnungen bereitzustellen, liegen folgende Aussagen vor:

 

GBO

Der Wohnungsbestand besteht größtenteils aus Hochparterrewohnungen, selbst Anlagen mit Aufzug sind meist nur über Treppen zu erreichen. Eine Zusammenlegung von zwei Wohnungen ist ohne weiteres nicht möglich, da die an die Quadratmeterzahl gebundene Gesamtgröße für geförderten Wohnbau zu groß wäre. Die Problematik um den Bedarf an barrierefreien Wohnungen ist der GBO bekannt und sie ist daher bemüht, Lösungen auch im Bestand zu prüfen. So wird bei Wohnungskündigungen geschaut, in wie weit die Wohnung für ältere Menschen geeignet ist, um sie entsprechend zu belegen. Bei Neubauten wird die Barrierefreiheit zum Erdgeschoss berücksichtigt.

 

Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Regionalstelle Offenbach
Grundsätzlich arbeitet die Nassauische Heimstätte aktiv am Ausbau von barrierefreien Wohnungen. Bei Neubauten gehört die Berücksichtigung der geforderten Anzahl von Wohneinheiten mit barrierearmer Ausstattung zum Standard (d.h. barrierefreier Zugang zum Wohnhaus und zu den Wohnungen, bodengleiche Dusche, darüber hinaus in einigen Wohnungen zusätzlich verbreiterte Türen). Die Gesellschaft bemüht sich ebenfalls, ältere Mieterinnen und Mieter in den Häusern zu halten und auf Wunsch im Bestand Barrieren zu verringern, eventuell auch durch einen Umzug in umgebaute Erdgeschosswohnungen. Als bekanntes Problem erweist sich jedoch auch hier, dass für diese Wohnungen – die oftmals kleiner sind als die vorherige Wohnung – ein höherer Mietpreis verlangt werden muss. Grundsätzlich sind die Erdgeschosswohnungen jedoch schwer zu vermieten. Das Bemühen der Nassauischen Heimstätte, auch im Bestand umzubauen, wird aber weiterhin verfolgt.

Projekte von Einzelpersonen oder Interessengruppen (meist bei gemeinschaftlichen Wohnformen) seien sehr aufwändig und bisher für die Nassauische Heimstätte immer ein Zuschussgeschäft. Man strebe eher an, dass sich die Planungsabteilung mit neuen Grundrissen beschäftigt, die für gemeinschaftliches Wohnen geeignet sind. Hierfür brauche man aber Ideen und Mietinteressierte.

 

Private Investoren

sind aufgrund der Novellierung der Hessischen Bauordnung in 2018 verpflichtet, 20 % der Wohnungen pro Vorhaben barrierefrei zu bauen, bei größeren Vorhaben ist diese Vorgabe aber auf 20 Wohneinheiten gedeckelt.

Eine Verpflichtung, diese für gemeinschaftliche Wohnprojekte zur Verfügung zu stellen, besteht nicht. Hier können lediglich, im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung, die Wohnungen für Förderberechtigte, sowie, anteilig, ein Gemeinschaftsraum gefördert werden. Bei Modellprojekten können eine zusätzliche Darlehenspauschale gewährt und nicht-Investive Mehrkosten bezuschusst werden.

Auf die Möglichkeit einer sozialen Wohnraumförderung wird bei der Bauberatung ab einer Größe von 30 Wohneinheiten hingewiesen und auf die Wohnbauförderung aufmerksam gemacht.

 

Zu Frage 2:

 

Merkmal der gemeinschaftlichen Wohnform für Seniorinnen und Senioren ist, dass sie aus Eigeninitiative von Engagierten organisiert wird, also trägerunabhängig und bauherrenunabhängig initiiert wird. Im Folgenden werden unterschiedliche Formen gemeinschaftlichen Wohnens für Seniorinnen und Senioren erläutert. Sie können in drei Gruppen eingeteilt werden. Nicht einbezogen wird hier das gemeinschaftliche Wohnen im Pflegeheim.

 

Seniorenwohngemeinschaften

 

Merkmal:

Eigene Zimmer, gemeinsame Sanitäranlagen, Küche und Gemeinschaftsraum.

 

Zielgruppe und Organisationsform:

·                    Aktive Senioren. Diese Gruppe wohnt aus reiner Eigeninitiative zusammen.

·                    Menschen mit bestehender Erkrankung, Einschränkungen oder Pflegebedarf.

Hier finden sich Mischformen. Die häufigste Form geht auf die Eigeninitiative der Angehörigen zurück, die mit einem begleitenden Pflegedienst zusammenarbeiten (z.B. StattHaus Demenz, Offenbach). Daher handelt es sich um selbstbestimmte Wohnformen ohne Trägerschaft im üblichen Sinn.

Daneben existieren Wohnformen von freien Trägern, die auf bestimmte Einschränkungen spezialisiert sind (z. B. Demenzerkrankungen, Menschen mit psychischer Behinderung, Pflegebedürftigkeit). Der Aufbau einer solchen Einrichtung geht in der Regel auf die Initiative von freien Trägern zurück. Die Kommune kann solche Wohnformen jedoch anregen und unterstützen.

 

Wohnen mit Service

 

Merkmal:

Eigene Wohnung einschließlich Sanitäranlagen und Küche. Gemeinschafträume sind vorhanden, stehen jedoch in der Regel nicht zur freien Verfügung.

 

Zielgruppe und Organisationsform:

·                    Seniorinnen und Senioren ab einem vorgegebenen Alter.

Es handelt sich in der Regel um Miet- oder Eigentumsprojekte privater Investoren, die ein vertraglich vereinbartes Unterstützungs- und sozio-kulturelles Angebot bzw. Dienstleistungen vorhalten. Der Dienstleister kann ein freier Träger oder die Kommune sein.

 

 

Gemeinschaftliches Wohnen bzw. generationsübergreifendes Wohnen

 

Merkmal:

Eigene Wohnung einschließlich Sanitäranlagen und Küche. Gemeinsam zu nutzende Räume wie Aufenthalts- und Veranstaltungsräume, Werkräume, Gäste-Wohnung, Terrasse, Garten u.a.

 

Zielgruppe und Organisationsform:

·              Eine Gruppe von interessierten und engagierten Personen, die eine „verlässliche Nachbarschaft“ anstreben.

Die Gruppen haben sehr individuelle Konzepte, in denen die angestrebte Zusammensetzung der Bewohnerschaft festgelegt werden; z.B. können dies Familien, Ältere, nur Frauen, Menschen mit und ohne Behinderung oder Personen im Alter ab 60 Jahren usw. sein. Die Organisation basiert ausschließlich auf Eigeninitiative und ist trägerunabhängig. Die Initiative gründet in der Regel einen Verein (z.B. Lebenszeiten e.V., Weikertsblochstr.).

In Offenbach bestehen bereits zwei weitere eingetragene Vereine mit ausgearbeitetem Konzept, die ein gemeinschaftliches Wohnprojekt umsetzen wollen. Bisher fehlen jedoch die entsprechende Immobilie bzw. das Baugrundstück sowie ein Bauherr.

 

Zu Frage 3

 

Gemeinschaftliches Wohnen in Form von Seniorenwohngemeinschaften hat keine direkten finanziellen Auswirkungen auf die Kommune. Es kann im Gegenteil davon ausgegangen werden, dass es mit Blick auf die gegenseitige Unterstützung und das Herstellen von Synergieeffekten zu Einsparungen im Bereich unterstützender Hilfen kommt, sofern hierfür das Sozialamt aufzukommen hätte.

 

Beim Wohnen mit Service ist regelhaft im Mietvertrag die verpflichtende Inanspruchnahme/Vor-haltung weiterer Dienstleistungen gegen eine Servicepauschale festgelegt. Bei Bewohnerinnen und Bewohnern mit geringem Einkommen ist ggf. zu prüfen, ob die Mehrkosten notwendig sind und im Rahmen der Gewährung von Sozialhilfeleistungen übernommen werden können. Hierbei handelt es sich aber um einen zu prüfenden Individualanspruch, so dass keine Kostenschätzung abgegeben werden kann.

 

Die Kosten für Projekte gemeinschaftlichen bzw. generationsübergreifenden Wohnens können sich auf die professionelle Unterstützung der Interessierten beim Aufbau des Projektes in Form von Fortbildungen zu Rechtsform, Baugesetzen, Finanzierung und Moderation des Gruppenprozesses belaufen. Diese werden, wenn keine Unterstützung zum Beispiel durch den Bauherrn oder die Kommune erfolgt, von den Interessierten getragen. Die Möglichkeit einer begleitenden Projektförderung durch die Stadt ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen; hierzu wären aber ein politischer Wille und die Bereitstellung entsprechender Mittel durch die Stadtverordnetenversammlung notwendig.

 

Es kann davon ausgegangen werden, dass durch konzeptbasierte verlässliche Nachbarschaften langfristig Einsparungen für die Kommune zu verzeichnen sind. Die Nachbarschaften leisten eine Vielzahl unterstützender Hilfen. Nur pflegerische Leistungen sind bei solchen Wohnformen ausgeschlossen. Zudem ist die Fluktuation in den Wohnformen sehr gering und somit Umzugsleistungen nicht notwendig.

 

Die unter Frage 1 erwähnte Möglichkeit der Vergabe von Liegenschaften im Konzeptverfahren ist nicht durch Mehrausgaben, sondern ggf. durch Mindereinnahmen geprägt.

 

Dieser Text wurde mit dem "Politischen Informationssystem Offenbach" erstellt. Er dient nur der Information und ist nicht rechtsverbindlich. Etwaige Abweichungen des Layouts gegenüber dem Original sind technisch bedingt und können nicht verhindert werden.