Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2021 - 2026


2021-26/DS-II(A)0056Ausgegeben am 29.01.2024

Eing. Dat. 17.01.2024

 

 

 

Sozialkaufhaus Luise34 unterstützen

hier: Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 14.09.2023,
2021-26/DS-I(A)0544

dazu: Magistratsvorlage Nr. 2024-016 (Dez. III, Amt 50) vom 17.01.2024

 

 

Die Stadtverordnetenversammlung hat am 14.09.2023 unter 2021-26/DS-I(A)0544/1 beschlossen, dass der Magistrat beauftragt wird, zu prüfen und zu berichten, ob und wie das Sozialkaufhaus Luise34 von städtischer Seite unterstützt werden kann. Dabei soll insbesondere zeitnah geprüft werden:

 

a.    Wie Unterstützung bei der Optimierung bestehender Prozesse gewährt werden kann.

b.    Ob Kooperationen mit der SOH oder ihren Töchtern, z.B. ESO, denkbar sind.

c.    Inwiefern in anderen Kommunen ähnliche Projekte mit anderen tragfähigen Finanzierungsstrukturen ausgestattet sind und wie sich diese Strukturen nach Offenbach übertragen lassen.

d.    Gibt es noch nicht ausgeschöpfte Fördermöglichkeiten durch Dritte?

e.    In welcher Art und in welchem Umfang die Stadt einen konzeptionellen Neustart des Angebots unterstützen kann.

 

 

Hierzu berichtet der Magistrat wie folgt:

 

Vorbemerkung
Seit 2015 steigt die Beschäftigungsquote in Offenbach stetig. Dieser positiven Entwicklung folgend sinkt die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im SGB II-Bezug. Im Jahr 2022 ist die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erstmals unter die Zehntausendermarke gesunken. Damit verringert sich auch die Anzahl der für Beschäftigungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen in Betracht kommenden Personen stetig – auch für das Kaufhaus Luise. Durch die neuen Rahmenbedingungen im Bürgergeld (höhere Sätze, geringere Leistungsminderungen bei Pflichtverletzungen), ist die Bereitschaft zur Teilnahme an solchen Fördermaßnahmen ebenfalls gesunken.

 

Daran hat sich auch durch die zwischenzeitliche Erhöhung der Aufwandsentschädigung für die Teilnahme an Arbeitsgelegenheiten von 1,00 € auf 1,50 € pro Stunde nichts wesentlich geändert. Somit bricht den sozialen Trägern die Infrastruktur weg, die bisher die Finanzierung gesichert hat. Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt führt in ganz Deutschland derzeit dazu, dass immer mehr Sozialkaufhäuser schließen müssen oder von der Schließung bedroht sind. Es ist daher nicht zu erwarten, dass durch künftige weitere Arbeitsmarktmaßnahmen das Defizit des Sozialkaufhauses ausgeglichen werden kann. Vielmehr ist perspektivisch ohne umfassende strukturelle Veränderungen mit einem stetig steigenden Zuschussbedarf zu rechnen.

 

Antwort zu a.:

 

Der Magistrat hat die Stadtwerke Holding GmbH beauftragt, den Betreiber des Sozialkaufhaus Luise, die CariJob gemeinnützige GmbH, zu beraten, um Lösungsmöglichkeiten für die Bewältigung des Defizits aufzuzeigen. In Erfüllung des Auftrages fand eine umfangreiche Prüfung der Geschäftsunterlagen sowie der Kundenstruktur statt, um gemeinsam mit dem Sozialamt eine Einschätzung von Optimierungsbedarfen und Einsparmöglichkeiten abgeben zu können. 

Zur Verringerung der Ausgaben wurde empfohlen, die Mietaufwendungen, welche einen erheblichen Anteil der Kostenstruktur ausmachen, durch den Umzug in eine Gewerbefläche bzw. Gewerbehalle zu senken und ggf. die Ausstellungsfläche zu verringern. Hier könnte das Liegenschaftsamt bei der Suche nach einer geeigneten Immobilie unterstützen. Bei einem möglichen Wechsel der Liegenschaft sollte auch darauf geachtet werden, dass die neue Liegenschaft mit ausreichend Parkmöglichkeiten ausgestattet ist, da die jetzige Liegenschaft rein auf Laufkundschaft ausgerichtet ist.

Des Weiteren wurde festgestellt, dass ca. 80 % der Kundinnen und Kunden zu den finanziell schwachen Haushalten, dies bedeutet Sozialleistungsbezieher nach den Sozialgesetzbüchern, Rentner und Auszubildende, zählen. Diesen wird auf die Einkäufe ein Rabatt von 25 % gewährt. Zur Steigerung des Umsatzes wurde empfohlen, die Einkaufmöglichkeit im Sozialkaufhaus auch bei dem Personenkreis der nicht Rabattberechtigten durch gezielte Werbung bekannter zu machen.

Eine weitere Steigerung des Umsatzes könnte durch eine Anhebung der Preise generiert werden. Um die primäre Zielgruppe nicht weiter zu belasten, könnte im Gegenzug der Rabatt für sozial bedürftige Menschen von 25 % auf 35 % erhöht werden.

Denkbar ist auch, im Rahmen einer Kooperation mit weiteren sozialen Trägern und deren Angeboten zu einer Verringerung der Fixkosten, wie etwa der Mietaufwendungen zu gelangen und zugleich ein größere Kundenpotential anzusprechen. Hierzu wurde ein gemeinsamer Austausch mit den in Betracht kommenden sozialen Trägern empfohlen.

Eine weitere Optimierungsmöglichkeit wird in einer Erweiterung des Geschäftsfeldes im Bereich der Wohnungsauflösungen gesehen. Hierfür müsste zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Fahrer ein zweiter Fahrer angestellt werden, der nicht über die Arbeitsgelegenheit des Kommunalen Jobcenters zugewiesen werden kann. Sollte die CariJob gGmbH eine solche wirtschaftlichere Ausrichtung wählen und bereit sein, hierfür einen Mitarbeitenden dauerhaft einzustellen, ließe sich dieser ggf. über eine Fördermaßnahme nach § 16 e SGB II durch die MainArbeit bis zu zwei Jahre lang anteilig refinanzieren. Die MainArbeit kann durch die entsprechende Förderung dann auch bei der Suche eines geeigneten Mitarbeitenden unterstützen.

Es ist an dieser Stelle zu betonen, dass die MainArbeit den bereits vorhandenen Fahrer im Sozialkaufhaus Luise34 über die Fördermaßnahme nach § 16 i SGB II vollumfänglich refinanziert.

 

Antwort zu b:

 

Mit der ESO Stadtservice GmbH und dem Eigenbetrieb Stadt Offenbach am Main (ESO) – Kommunale Dienstleistungen als zuständige Entsorger wird bereits kooperiert. Im Rahmen des Prüfauftrages wurden die bisherigen Regelungen zur Kooperation ausgeweitet, so dass das Sozialkaufhaus Luise unverkäufliche oder unbrauchbare Stücke aus Offenbacher Haushalten, die an die kommunale Müllabfuhr angeschlossen sind, täglich zur kostenfreien Entsorgung anliefern kann. Im Übrigen werden kostenfrei Sperrmülltermine angeboten.

 

Weitere Kooperationsmöglichkeiten können nicht freihändig vereinbart werden. Bei Beauftragungen und Vergaben durch den kommunalen Entsorger ist die Diskriminierungsfreiheit zu beachten. Da in Offenbach und Umgebung verschiedene gewerbliche Anbieter (z.B. Top4You - Der Gebrauchtmöbelmarkt, Odenwaldring 86; RETRO-IN K17 Vintage & More, Große Marktstraße 8-10) im Bereich Aufbereitung und Verkauf von gebrauchten Möbeln / Waren tätig sind, darf nicht ein Anbieter bevorzugt werden. Hier könnten im Falle einer städtischen Förderung andere gewerbliche Anbieter eine Wettbewerbsverzerrung geltend machen.

 

Antwort zu c:

 

Eine Umfrage bei Städten und Landkreisen zu Sozialkaufhäusern ergab unterschiedliche Ergebnisse. Eine umfassende Förderung durch die jeweiligen Städte findet jedoch in keinem Fall statt.

 

In Wiesbaden wird von Bauhaus Werkstätten Wiesbaden ein Sozialkaufhaus betrieben. Dieses finanziert sich durch die Einnahmen/Erlöse und durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, insbesondere durch Arbeitsgelegenheiten, wie im Sozialkaufhaus Luise, sowie durch eine Maßnahme nach § 45 SGB III. Eine weitere Bezuschussung durch die Stadt erfolgt nicht.

 

Das "Kaufhaus der Gelegenheiten" in Darmstadt wird aus städtischen Mitteln nicht direkt bezuschusst, da der städtische EAD (Eigenbetrieb für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen) mit 96% Mehrheitsgesellschafter der Ka-Gel Kaufhaus der Gelegenheiten gGmbH, ist. Das Ka-Gel Kaufhaus gGmbH wird als nicht gewinnbringendes Wirtschaftsunternehmen auch im Geschäftszweig der Haushaltsauflösungen tätig.

 

Das „fair Kaufhaus“ in Kassel wurde vor Kurzem geschlossen. Es wurde nicht gefördert.

 

Das Sozialkaufhaus Tisch und Teller in Flörsheim (Main-Taunus-Kreis), wird durch die Diakonie betrieben. Es findet dort auch eine Förderung von Beschäftigten nach § 16 i SGB II statt.  Daneben wird das Angebot vom Main-Taunus-Kreis mit einem jährlichen Zuschuss von 30.000 € gefördert. Der Zuschuss ist aber nicht ausreichend, das Kaufhaus dennoch defizitär. Ein Antrag auf Erhöhung des Zuschusses wird derzeit geprüft.

Das Sozialkaufhaus im Wetteraukreis, welches auch gebrauchte Möbel anbot und als Qualifizierungsmaßnahme betrieben wurde, hat bereits seit einigen Jahren seine Tätigkeit eingestellt. Es gibt im Kreis noch einige nicht geförderte private Initiativen, welche Gebrauchsgegenstände kostenlos abgeben. Ein weiterer Bedarf wird dort nicht gesehen.

 

Aus den Rückmeldungen der Kommunen lässt sich kein einheitliches Bild entnehmen, welches auf das Kaufhaus Luise übertragbar wäre.

 

Der dauerhafte Ausgleich des Defizites aus städtischen Fördermitteln im Rahmen der Förderung der Wohlfahrtspflege würde den städtischen Haushalt unverhältnismäßig belasten.

 

In der Haushaltsplanung für das Jahr 2024 sind in dem gesamten Produktbereich 1,5 Mio. € eingeplant. Der Großteil der eingeplanten Mittel ist mit vertraglichen Verpflichtungen beispielsweise für die Schuldnerberatung und Suchtberatung verbunden und stellt die Erfüllung der originären Beratungspflichten der Kommune dar. Sollten diese Leistungen nicht durch freie Träger aufrechterhalten werden, ist die Kommune verpflichtet, die Leistungen selbst zu erbringen.

 

Der Weiterverkauf von gebrauchten Möbeln ist zudem ein Betätigungsfeld, in dem auch gewerbliche und nicht-gewerbliche Anbieter tätig sind, beispielsweise über „Kleinanzeigen“. In Nachbarschaftsforen, Messengergruppen und ähnlichen Angeboten erfolgt eine Abgabe von Privat an Privat, so dass neben dem Sozialkaufhaus vielfältige weitere Möglichkeiten bestehen, zu günstigen Preisen Einrichtungsgegenstände zu erhalten. Um ein tragfähiges dauerhaftes Konzept zu entwickeln, kann nur eine Ausrichtung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten empfohlen werden. Dies beinhaltet aber, wie unter a. bereits ausgeführt, eine Kostenreduzierung, ggf. Überprüfung der vorhandenen Personalkapazitäten sowie Verlagerung und Ausbau des Tätigkeitsfeldes. Bei einer verstärkt wirtschaftlichen Ausrichtung, insbesondere durch einen Bereich der Entrümpelung, ist eine städtische Förderung rechtlich nicht möglich.

 

Nach Feststellung der Überprüfung durch die Stadtwerke schließt die CariJob gGmbH das Wirtschaftsjahr 2022 mit einem Fehlbetrag in Höhe von 116 T€ ab. Nach Verrechnung dieses Fehlbetrags mit dem Gewinnvortrag aus dem Vorjahr verbleibt am Bilanzstichtag 31.12.2022 ein Gewinnvortrag in Höhe von rund 485 Tsd. €, welcher es ergänzend ermöglichen sollte, ein eventuelles Defizit während einer entsprechenden strukturellen Umstellung auf ein weiteres Betätigungsfeld und der wirtschaftlichen Neuausrichtung aus Eigenmitteln auszugleichen.

 

Antwort zu d.:

 

Verschiedene Förderprojekte des Landes Hessen wurden von der Caritas als nicht umsetzbar deklariert. Der Sonderfond der Stiftung Deutsches Hilfswerk (Fernsehlotterie), welcher sich auch an Sozialkaufhäuser richtet, ist bereits seit April 2023 ausgeschöpft.

 

Die Caritas hat nach eigenen Angaben eine einmalige Förderung einer privaten Stiftung erlangen können, die vorerst das Weiterbestehen des Kaufhauses Luise 34 sicherstellen könnte.

Neben der Förderung von Beschäftigungsprojekten für Landzeitarbeitslose gibt es die Möglichkeit über den Landeswohlfahrtsverband Hessen, die Anerkennung als ein Zuverdienst-Angebot zu beantragen und so Menschen mit Behinderungen eine sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit zu geben und gleichzeitig eine Finanzierung für die Gehälter des dazu benötigten Anleitungspersonals zu erhalten. Die entsprechenden Informationen zu den Antragsvoraussetzungen wurden der CariJob gGmbH ausgehändigt.

 

Antwort zu e.:

 

Im Rahmen des Konjunkturpaketes Energiekrise hat die Stadtverordnetenversammlung Mittel zur Stärkung der Selbsthilfekräfte von Bürgerinnen und Bürgern bereitgestellt. Aufgrund von umfassenden Förderprogrammen des Bundes und des Landes, hat die Caritas im Jahr 2023 die 40.000 € städtische Fördermittel zur Durchführung von Energieberatung nicht benötigt. Diese Mittel werden in den städtischen Haushalt zurückfließen.

 

Über Produktbereich 05060100 „Förderung von Trägern der Wohlfahrtpflege“ auf dem Konto 7128090950 „Besondere Zuschüsse an Träger der freien Wohlfahrtspflege“ werden Mittel i. H. v. 40.000 € im Haushaltsjahr 2024 für die infrastrukturelle Neuausrichtung des Kaufhauses Luise zur Verfügung gestellt werden.

 

Es wurden zudem bereits durch unterschiedliche Beteiligte Gespräche mit der Caritas/Carijob geführt. Siehe u.a. hierzu auch den anliegenden Bericht. Im Einvernehmen mit der Caritas wird das Dezernat III zu Beginn des Jahres 2024 nochmals in einer größeren Gesprächsrunde mehrere Träger sozialer Angebote zu einem gemeinsamen Gespräch einladen, um Kooperationsmöglichkeiten und möglich Synergieeffekte zu besprechen.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Stadt keine regelmäßige finanzielle Unterstützung zum Fortbestand des Sozialkaufhaus Luise leisten kann. Durch die Kürzung der Gelder durch den Bund bricht den sozialen Trägern die Struktur ein, die bisher für die Finanzierung der Einrichtungen gesorgt hat. Somit haben sich die Grundvoraussetzungen für das Modell des Sozialkaufhauses geändert, was zur Folge hat, dass derzeit in ganz Deutschland Sozialkaufhäuser schließen müssen oder von der Schließung bedroht sind.

 

Eine Förderung und Ausgleich der wegbrechenden Bundesmittel würde den städtischen Haushalt unverhältnismäßig belasten, da für den Bereich der Förderung der Wohlfahrtspflege insgesamt nur 1,5 Mio. € zur Verfügung stehen. Diese Mittel werden für gesetzliche und vertragliche Pflichtaufgaben, wie zum Beispiel die Schuldnerberatung oder Suchtberatung benötigt.

 

Eine Unterstützung wird im Rahmen der Suche nach einer geeigneten Liegenschaft durch die städtische Wirtschaftsförderung angeboten. Des Weiteren soll ein Runder Tisch mit sozialen Trägern einberufen werden, um mögliche Synergien und Unterstützungsmöglichkeiten gemeinsam zu erörtern.

Nichtöffentliche Anlage:

Bericht Stadtwerke Holding GmbH

 

 

Hinweis: Der II(A)Bericht wird den Stadtverordneten und Fraktionen elektronisch (PIO) zur Verfügung gestellt.

 

Die nichtöffentliche Anlage erhalten die Stadtverordneten und Fraktionen per Cloud.