Quelle: pio.offenbach.de
Abgerufen am 02.07.2024


Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2021 - 2026


2021-26/DS-I(A)0723/1Ausgegeben am 01.07.2024

Eing. Dat. 01.07.2024

 

 

 

 

 

Abschluss eines Nachtrags zum Fördervertrag mit der Musikschule Offenbach e.V.

Ergänzungsantrag Ofa vom 30.06.2024

 

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die Stadtverordneten empfehlen der Musikschule,

 

1.    bei der Entwicklung der neuen Strukturen für die zukünftige Beschäftigung der Lehrer und Lehrerinnen eine Positivliste zu erstellen, nach der rechtssicher entschieden werden kann, ob eine Lehrkraft fest angestellt wird oder freiberuflich arbeiten kann.

 

2.    Den Freiberuflichen zahlt die Musikschule den gleichen Betrag, den sie brutto für die fest Angestellten aufwendet, damit diese ihre Versicherungen selbst bestreiten können.

 

 

Begründung:

 

Die Musikschule Offenbach hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer großartigen Institution in Offenbach entwickelt, trotz widriger Umstände, denn Hessen, anders als andere Bundesländer, hat bis heute kein Musikschulgesetz, das die Landesförderung verbindlich regelt. Die Landesförderung der Musikschulen erfolgt also ohne Rechtsanspruch, was eine verlässliche Planung über viele Jahre immer sehr erschwert hat. Die Kulturpolitik des Landes hat sich seit Jahren geweigert, klare Verhältnisse zu schaffen.

 

Trotzdem ist die Musikschule gewachsen und in der Stadtgesellschaft tief verankert und geliebt. Die Aktivitäten reichen von der breiten Bildung für alle, z.B. durch die Kooperation mit Schulen, insbesondere der Mathildenschule, bis zu sehr qualifizierten Angeboten für die Vorbereitung zum Musikstudium. Schüler und Schülerinnen der Musikschule gewinnen wiederholt Preise bei Jugend Musiziert und bei anderen Wettbewerben. Großartig ist auch die Vielfalt der Angebote. Es werden nicht nur gängige Instrumente, sondern auch viele eher seltene Instrumente unterrichtet, immer wenn sich eine Lehrerin oder ein Lehrer dafür finden. Dies war möglich wegen der Flexibilität, freiberufliche Musiklehrer und Lehrerinnen auch für nur wenige Stunden pro Woche einzustellen.

 

Das Herrenbergurteil löst bei vielen Musikschaffenden Bestürzung und Befürchtungen aus. Dies liegt zwar auch an den höheren Ausgaben, die jetzt auf die Musikschulen zukommen, aber es gibt noch weitere Sorgen: Viele Musiker und Musikerinnen bestreiten zwar einen Großteil ihres Lebensunterhalts mit Unterricht, aber sie haben vor allem auch künstlerischen Ehrgeiz und Projekte, die oft nicht lukrativ sind und für ein finanzielles Auskommen nicht ausreichen. Sie unterrichten daher in Teilzeit. Auch an einer Musikschule sind Musikschaffende schlecht bezahlt, wenn man ihre sehr aufwendige Ausbildung bedenkt. Aber sie haben ein geringes Einkommen in Kauf genommen, weil sie Wert auf ihre künstlerische Freiheit legen und nicht weisungsgebunden sein wollen. Für ihre sozialen Absicherungen sorgen sie selber, indem sie in die Künstlersozialkasse einzahlen. Natürlich gibt es auch andere Musiklehrer und -lehrerinnen, die eine Festanstellung bevorzugen.

 

Die Musikschulleitung behandelt Festangestellte und Freiberufliche unterschiedlich. Letztere sind nicht weisungsgebunden und können ihre Aktivitäten frei aushandeln. Das wird in der Offenbacher Musikschule seit Jahren respektiert und hat funktioniert.

 

Die Befürchtungen betreffen aber nicht nur persönliche Gründe der Lehrerinnen und Lehrer, sie betreffen auch die zukünftige Flexibilität der Musikschule: Es ist fraglich, ob die große Vielfalt der unterschiedlichen Angebote erhalten bleiben kann, wenn es festgelegte Verträge für alle geben muss. Wenn sich z.B. eine Musikerin mit einem seltenen Instrument bewirbt, für das nicht sofort viele Schüler zu erwarten sind, sollte es ihr trotzdem ermöglicht werden, zu unterrichten. 

 

Wie die Offenbach-Post vom 27.06.2024 berichtet, arbeiten die Vorstände und die Leiterin der Musikschule zusammen mit fachlichen Beratern daran, neue Strukturen einzurichten, damit die Musikschule betriebsfähig bleibt. Hierbei ist auch juristische Fachexpertise beteiligt, weil die Rechtslage zur Beurteilung von Scheinselbständigkeit kompliziert ist.

 

Wir beantragen daher, dass die Stadtverordneten empfehlen, dass in der Erarbeitung der neuen Strukturen auch versucht werden soll, weiterhin der Status der Freiberuflichkeit zu ermöglichen, für diejenigen, die es wünschen. Nach dem Prinzip, dass gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden soll, beantragen wir auch die Empfehlung, für eine gerechte Bezahlung zu sorgen.

 

Dies empfiehlt auch der Deutsche Tonkünstlerverband in einer Pressemitteilung:1

„… Vor dem Hintergrund des Herrenbergurteils und des wachsenden Fachkräftemangels gilt es mehr denn je, das Duale System in der Musikausbildung mit festangestellten wie freiberuflichen Fachkräften zu verbessern und rechtssicher auszugestalten. Das Herrenbergurteil bietet die einmalige Chance, tarifgerechte Arbeitsverhältnisse in der Breite zu schaffen und die Rahmenbedingungen einer auskömmlichen freiberuflichen Tätigkeit zu verbessern. Die Balance des Dualen Systems in der Musikausbildung ist die Voraussetzung für ein bedarfsgerechtes Angebot, weil nur im Miteinander von Festanstellung und Selbstständigkeit dem Fachkräftemangel wirkungsvoll begegnet werden kann.  

Weiterhin muss der Kriterienkatalog der Deutschen Rentenversicherung zur Abgrenzung von angestellter und freiberuflicher Tätigkeit entsprechend angepasst werden. Deshalb sollte der vermeintliche Negativkatalog zu einem Positivkatalog entwickelt werden, der es rechtssicher erlaubt, bei dessen Beachtung nicht an der Hürde der Scheinselbständigkeit zu scheitern. Dabei müssen auch branchenspezifische Gegebenheiten und Bedürfnisse mit beachtet werden.“

 

1 https://www.tonkuenstlerverband.de/was-wir-tun/aktuelles/36/musikausbildung-duales-system-erhalten

 

Hinweis: Der Antrag wird den Stadtverordneten und Fraktionen elektronisch (PIO) zur Verfügung gestellt.

 

Dieser Text wurde mit dem "Politischen Informationssystem Offenbach" erstellt. Er dient nur der Information und ist nicht rechtsverbindlich. Etwaige Abweichungen des Layouts gegenüber dem Original sind technisch bedingt und können nicht verhindert werden.