Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2021 - 2026


2021-26/DS-I(A)0064Ausgegeben am 01.07.2021

Eing. Dat. 01.07.2021

 

 

 

 

 

Rahmenplan für die Fortentwicklung des Straßenraums der historischen Ortskerne Bieber, Bürgel und Rumpenheim - Detailplan Vorplatz Kirche St. Pankratius, ehem. Stiftshof

Antrag CDU vom 01.07.2021

 

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Der Magistrat wird beauftragt, die beigefügten Rahmenpläne und Vorgaben als Grundlage und Gestaltungsorientierung für die Detailplanung des Umbaus der Grünanlage am westlichen Ende der Stiftsstraße zu nutzen.

 

Als Ziel der Planung soll festgelegt werden, dass die Wegeführung entlang der Grundstücksgrenze zur Kirche hin entsprechend der bis 1964 bestehenden Wegeführung wiederhergestellt wird, um von der Stiftstraße aus einen barrierefreien Zugang in den Kirchhof zu ermöglichen.

 

Um diesen auch von der Straße „Am Maingarten“ zu ermöglichen, wird die vormals bestehende Treppenanlage wiederhergestellt und gegebenenfalls erweitert und darüber hinaus eine Rampe angelegt.

 

Da an dieser wiederanzulegenden Wegeführung kein historisches Pflaster existiert und auch nie verlegt war, ist eine versickerungsfähige Pflasterung zu verwenden.

 

Die vor dem Seitenschiffeingang der Kirche bestehende Platzsituation soll baulich wieder an seine außerordentlich hohe historische Bedeutung erinnern und der historischen Situation wieder angepasst werden. Hierzu wird die nach 1964 angelegte, nicht barrierefreie Wegeführung zugunsten der beschriebenen Neuanlegung aufgegeben. Der an dieser Stelle bis 1964 vorhandene Stiftshof wird zunächst in der Fläche freigehalten und archäologisch untersucht. Der allseits bekannte Torbogen von 1712 wird unter Verwendung des noch vorhandenen Wappenschlusssteins am Originalstandort rekonstruiert. Eine Rekonstruktion des gotischen Erdgeschosses und weiterer Gebäudeteile soll möglich gehalten werden. Dazu wird die dort vorhandene Stromleitung entsprechend umgelegt.

 

Die Ausführungsplanung und Verantwortung für die Umsetzung der Rekonstruktionen wird dem Verein Pro Bürgel e.V. in Zusammenarbeit mit den zuständigen Referaten des Stadtplanungsamts und der Unteren Denkmalschutzbehörde übertragen. Dies gilt auch für die Beauftragung der ausführenden Unternehmen, die vom Verein organisiert werden und gegebenenfalls auch Spenden hierfür entgegennehmen können.

 

Die Finanzierung der Verkehrswegeumbauten erfolgt aus den Fördermitteln des für solche Maßnahmen erstellten Programms „Mitte machen“. Für die Rekonstruktionsmaßnahmen werden aus dem gleichen Programm dem Verein Pro Bürgel e.V. zweckgebunden 25.000 € als Förderung zur Verfügung gestellt.

 

 

Begründung:

 

Die Notwendigkeit einer charakterbezogenen Pflege und Weiterentwicklung bzw. Reparatur der historischen Ortskerne der ehemals selbständigen Orte wurde bereits vor Jahren erkannt und erste Schritte in Form einer Teilhabe am Landesförderprogramm „Aktive Kernbereiche“ eingeleitet. Bereits 2017 erfolgte seitens des Stadtplanungsamtes im Vorgriff auf das Programm eine Workshopreihe in Bürgel mit breit angelegter Bürgerbeteiligung.

 

Im Rahmen dieser Bürgerbeteiligung wurde bereits das Anliegen formuliert, die Sanierung der historischen Ortskerne voranzutreiben.

 

Die derzeit als Grünanlage gestaltete Fläche, auf der bis 1964 der außerordentlich bedeutsame Stiftshof stand, wird so gestaltet, dass die Wegeführung die Lage des Stiftshofes nicht überbaut und so optisch erfahrbar macht. Ebenso soll eine aus Förder- oder Spendenmitteln angestrebte archäologische Untersuchung des Geländes sowie eine Wiedererrichtung bedeutender Bauteile wie des Einfahrtstors ermöglicht werden. Da auch der frühere Verbindungsweg zwischen Stiftshof und Kirche nur aus einer wassergebundenen Decke bestand, ist für diesen Bereich ein leicht begehbares, normgerechtes und versickerungsfähiges Pflaster ausreichend und angebracht. Mit einer solchen Neuorientierung der Gestaltung an dieser Stelle kann auch ein derzeit von dieser Seite nicht gegebener barrierefreier Zugang zum Kirchhof hergestellt werden.

Dies ist umso bedeutender, da innerhalb der Gemeinde eine Verlagerung des Nutzungsschwerpunktes des Kirchengeländes zum Kirchhof hin geplant ist.

 

Der Zugang von der Sternstraße aus ist zwar vor kurzem mit einer Rampe ergänzt worden. Diese ist aber aufgrund der gegebenen Geländetopographie für die meisten Nutzer ohne fremde Hilfe nicht zu bewältigen. Eine bessere Barrierefreiheit ist unbedingt notwendig, auch um den Weg für Besucher, die von der Nordseite zur Kirche kommen, in den oft für gottesdienstliche -aber auch damit verbundene Zwecke wie Hochzeiten und Taufen- als auch das jährliche Pfarrfest genutzten Kirchhof erheblich zu erleichtern.

 

Der Stiftshof in Offenbach-Bürgel war die Keimzelle und bis zur Säkularisation nicht nur das bedeutendste Profangebäude des Ortes. Er wird offiziell in der Liste der deutschen Kaiserpfalzen geführt und hatte somit herausragende nationale Bedeutung.

Er geht vermutlich auf einen merowingischen Meierhof zurück, es wurde jedoch auch in diesem Bereich in etwa drei Meter Tiefe römisches Mauerwerk gefunden.

Bezüglich der aufgezeichneten Geschichte war der Stiftshof seit dem Mittelalter Sitz des Stiftsvogtes, dem die Verwaltung des Ortes für das St-Petersstift in Mainz oblag. Danach war die Hofanlage mit der alten Zehntscheune in Privatbesitz und wurde zuletzt als Gaststätte genutzt. In den 1920ern wurde die Anlage an eine benachbarte Lederwarenfabrik verkauft, die 1938 Teile der Gebäude niederreißen ließ. Erhalten blieb das mittelalterliche Erdgeschoss des Hauptgebäudes mit der ältesten Darstellung des Wappens in einem Türschlussstein, der barocke Torbogen am Hauptzugang, das barocke Erdgeschoss eines größeren Wohngebäudes und die Zehntscheune.

Im Zuge einer „Modernisierung“ des Geländes wurden auch diese erhaltenen Reste gegen den massiven Widerstand der Bürgeler Bevölkerung 1964 von der Stadt Offenbach niedergerissen.

Da bis heute Bürgeler Erinnerungsstücke fast immer als Bild die Kirche mit diesem Stiftshof tragen und auch die Reste (Torbogen und mittelalterliches Vorderhaus) der älteren Bevölkerung noch als Austragungsort von Theateraufführungen (erste Kulturveranstaltung auf Offenbacher Gebiet nach dem Krieg) und dem jährlichen Pfarrfest bekannt sind, wäre es ein Anliegen, diese Teile wieder zu errichten. Gegebenenfalls kann nach Aufwand das Vorhaben auch in zwei Abschnitten durchgeführt werden (erst Torbogen, dann angrenzendes Erdgeschoss als nutzbarer Raum z.B. als Ortsmuseum).

 

Der Torbogen wurde aus Sandstein und Bruchsteinen gefertigt. Der Schlussstein mit Wappen ist erhalten und soll wiedereingesetzt werden. Die Kosten für die fertig bearbeiteten Sandsteinteile betragen etwa 7.500 €. Da mittlerweile Starkstromleitungen unter der Standfläche verlaufen, müssten diese verlegt werden. Die Kosten für die Erstellung des Bogens mit Betonkern und sachgerechter Fundamentierung würden die Gesamtkosten auf etwa 25.000 € erhöhen.

 

Schwer kalkulierbar sind die Kosten für eine voranzustellende archäologische Untersuchung. Die Wiederherstellung des Geländes als Weg und der Grünanlage zur angrenzenden Bebauung soll als Spendenaktion eines ortsansässigen Gartenbauunternehmens erreicht werden.

Würde man auch den zweiten Abschnitt angehen und das mittelalterliche Erdgeschoss mit dem im unten angefügten Artikel genannten gotischen Eingang ebenfalls wiedererrichten, wären für eine Ausführung der Bruchsteinwände etwa weitere 30.000 € notwendig. Diese könnten zu einem nutzbaren Raum geschlossen werden, so dass ein bislang nicht existierendes Ortsmuseum dort seinen Platz finden könnte, auch parallel zu anderen öffentlichen Nutzungsmöglichkeiten.

Die Maximalvariante mit Bogen und rekonstruiertem, nutzbaren Erdgeschossraum würde etwa 100.000 Euro kosten. Die voranzustellenden archäologischen Untersuchungen sind da allerdings noch nicht berücksichtigt. Aufgrund des begrenzten Untersuchungsgebiets und der langen Nutzungszeit bis zur kontrollierten Zerstörung sollten sich diese jedoch sehr in Grenzen halten und die genannte Summe nicht mehr signifikant erhöhen. Mittelfristig ist eine entsprechende Lösung anzustreben. Alle direkt angrenzenden Maßnahmen müssen diesem Ziel entsprechend angepasst werden.

 

Die Maßnahme ist mit dem Verwalter des nördlich angrenzenden Grundstücks bereits abgesprochen, und dieser hat seine Zustimmung erklärt.

 

Die Verantwortung für die Ausführung soll dem Verein Pro Bürgel e.V. übertragen werden, da hier das notwendige Detailwissen über die historischen Grundlagen des Stiftshofes vorhanden ist. Auch kann seitens der Mitglieder mit Hilfe der Verwaltung die Ausführung organisiert werden und auch für bestimmte Maßnahmen als Spendenleistung empfangen werden.

Anlagen:

 

1.    Stiftshof Gestaltungsplan Schema

2.    Stiftshof Visualisierung Plan

3.    Stiftshof Maßplan Torbogen

 

Hinweis: Der Antrag sowie die Anlagen werden den Stadtverordneten und Fraktionen elektronisch (PIO) zur Verfügung gestellt.