Jahresbericht 2021 des Antidiskriminierungsbeauftragten der Stadt Offenbach am Main Dr. Enno Knobel

 

 

Inhalt:

  1. Vorbemerkungen
  2. Bearbeitete Diskriminierungsbeschwerden
  3. Diskriminierungsmeldungen ohne Vertretungsauftrag an die ADS
  4. Jahresfazit

 

1. Vorbemerkungen:

 

Stadtverordnetenversammlung und Magistrat haben mir zum 01. Juni 2021 für zwei weitere Jahre die Funktion des ehrenamtlichen Antidiskriminierungsbeauftragten (ADB) der Stadt Offenbach übertragen.

 

Die meisten Beratungswünsche und Beschwerden erreichten mich telefonisch. Darüber hinaus wurde die E-Mail-Adresse für bereits schriftlich formulierte Kontaktwünsche genutzt. Ich konnte die aktuell eingehenden Anfragen auch im Homeoffice entgegennehmen und bearbeiten. Hilfreich war weiterhin die über den Internetauftritt der Stadt Offenbach zugängliche Dienstleistungsbeschreibung der Antidiskriminierungsstelle, in der die aktuellen datenschutzrechtlichen Bestimmungen berücksichtigt sind.

 

Während meiner Tätigkeit erhielt ich stets uneingeschränkte Unterstützung seitens des für mich zuständigen Dezernats III. Dies ändert jedoch nichts an dem bereits in den Vorjahren vorgetragenen Wunsch nach einer begrenzten Verfügbarkeit einer Bürokraft als Ansprechstelle für die Antidiskriminierungsstelle, die deren Arbeit ebenso wie ggf. die Tätigkeit anderer ehrenamtlicher Beauftragter erleichtern könnte.

 

Der Bedeutung der Arbeit der Antidiskriminierungsstelle (ADS) wurde dahingehend Rechnung getragen, dass der für 2020 vorgelegte Jahresbericht des Antidiskriminierungsbeauftragten im Magistrat zur Kenntnis genommen wurde und von mir am 16.06.2021 im Ausschuss für Soziales und Integration vorgestellt werden durfte.

 

Ich verzichte darauf, folgende grundsätzliche Vorgaben und Informationen zu den rechtlichen Grundlagen und zur Arbeitsweise der Antidiskriminierungsstelle erneut aufzuführen. Sie können den Vorjahresberichten entnommen werden:

  • Entstehungsgeschichte der Stelle
  • Rechtliche Grundlagen
  • Aufbau und Zuständigkeitsbereiche
  • Kommunikation / Kontaktaufnahme / Vernetzung
  • Arbeitsweise / Behandlung von Beschwerden

 

 

2. Bearbeitete Diskriminierungsbeschwerden im Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2021

 

(Diese Aufstellung berücksichtigt nur die Diskriminierungsmeldungen, bei deren Behandlung durch die Antidiskriminierungsstelle die Beschwerdeführenden im Rahmen der Beratung um ein aktives Eintreten des ADB gebeten und seiner Entbindung von der gesetzlichen Schweigepflicht (§ 203 StGB) zugestimmt haben. Die Namen sind vollständig anonymisiert.)

 

 

2.1. Beschwerde von Herrn A wegen einer als Diskriminierung empfundenen Entscheidung des Ausländeramts gegenüber einer Familienangehörigen

 

Herr A beklagt sich über eine aus seiner Sicht ungerechtfertigte Verweigerung einer Übertragung der Daueraufenthaltskarte an seine Ehefrau durch das Ausländeramt. Er sieht darin ein sowohl rechtswidriges wie im Ergebnis diskriminierendes Vorgehen des städtischen Ausländeramts. Die Entscheidung des Ausländeramtes berücksichtige nicht ausreichend den Unionsbürgerstatus der Ehefrau und die daraus erwachsenden Freizügigkeitsrechte. Auszüge aus dem diesbezüglichen Schriftwechsel des Beschwerdeführers werden der Antidiskriminierungsstelle zur Verfügung gestellt.

 

Parallel zur Beschwerde bei der Antidiskriminierungsstelle hat Herr A beim Regierungspräsidium Darmstadt beantragt, dass das RP von seiner fachaufsichtsrechtlichen Weisungsbefugnis Gebrauch macht und die aus seiner Sicht rechtswidrige, diskriminierende Vorgehensweise des Ausländeramts schnellstmöglich beende.

 

Da die gegensätzlichen rechtlichen Einschätzungen von Herrn A und der Leitung des Ausländeramts deutlich zutage treten, verständigen sich der Antidiskriminierungsbeauftragte und der Beschwerdeführer darauf, dass die Antidiskriminierungsstelle vor einem weiteren Klärungsversuch im Sinne von Herrn A das Ergebnis der Dienstaufsichtsbeschwerde abwartet.

 

Die Intervention des Beschwerdeführers beim RP war erfolgreich, so dass sich eine weitere Klärung mit dem Ausländeramt als überflüssig erwies.

 

 

2.2 Beschwerde von Herrn B als Vertreter eines Sportvereins mit überwiegendem Migrationshintergrund wegen Diskriminierung durch Vertreter des auf dem Sportgelände langjährig ansässigen Vereins

 

Der Vorstand des „Migrantenvereins“ ist bereits im Herbst des Vorjahres mit einer schriftlichen Beschwerde an die Antidiskriminierungsstelle herangetreten mit dem Vorwurf, dass der ortsansässige Sportverein einer vorher getroffenen Absprache zuwider die für ein Fußballspiel gehisste Nationalflagge an einem der zwei auf dem Sportgelände befindlichen (städtischen) Fahnenmasten nicht habe hängen lassen, sie selbstständig abgenommen und in einem desolaten Zustand hinterlassen habe, bevor der zuständige Verein sie abnehmen konnte. In einem anschließenden Telefongespräch zwischen den damals amtierenden Vereinsvorsitzenden seien seitens des Vorsitzenden des sich als Gastgeber verstehenden Vereins rassistische Äußerungen gemacht worden.

 

Wegen Terminproblemen und der Pandemiesituation kam es erst im Jahr 2021 unter Leitung des Antidiskriminierungsbeauftragten zu einem klärenden Ortstermin unter Beteiligung von Vertretern beider Vereine und des Offenbacher Sportmanagements. Dabei wurden die unterschiedlichen Sichtweisen zum inkriminierten Vorgang des Abhängens der Fahne, deren Beschädigung und Verbleib ebenso erörtert wie zu der Frage, ob in besagtem Telefonat als rassistisch zu verstehende Äußerungen gefallen sind. Im Interesse des künftig wieder gedeihlichen Miteinanders beider Vereine wurde auf ein angebotenes Abhören des mitgeschnittenen, offensichtlich in beidseitiger Erregung geführten Telefonats verzichtet. Zu einer von der Beschwerde führenden Seite geforderten Entschuldigung jedoch kam es nicht. Die beiden Vereine verständigten sich abschließend auf eine künftig wieder bessere Zusammenarbeit.

 

Im August 2021 hat das Sportmanagement eine Regelung bezüglich der Nutzung der beiden im Eigentum der Stadt befindlichen Fahnenmasten durch beide Vereine getroffen.

 

 

2.3 Beschwerde von Herrn C wegen Diskriminierung durch Vorwurf des Rassismus

 

Herr C beklagt sich bei der Antidiskriminierungsstelle über eine Frau, die ihn in der Öffentlichkeit als Rassisten beschimpft habe. Er habe eine Autofahrerin, die er als „Kopftuchträgerin“ beschreibt, freundlich darauf hingewiesen, dass sie mit ihrem Fahrzeug einen Durchgang blockiere. Sie habe ihr Fahrzeug anschließend ins Parkhaus gefahren. Als sie ihm allerdings kurz darauf wiederbegegnet sei, habe sie ihn lautstark als „Rassisten“ beschimpft.

Herr C teilte der Antidiskriminierungsstelle schriftlich mit, dass er ein solches Verhalten nicht hinnehmen könne: “Rassismus und Diskriminierung sind nicht akzeptabel, darf aber im Gegenzug nicht als “Waffe“ benutzt werden.“

 

Der Antidiskriminierungsbeauftragte konnte vor dem Hintergrund dieser Schilderung Herrn C gegenüber lediglich sein Bedauern über die von ihm gemachte persönliche Erfahrung mit dem Hinweis äußern, dass die Stadt Offenbach weder Rassismus noch Diskriminierung akzeptiere und diese Verhaltensweisen auch nicht in den Sprachgebrauch eines persönlichen Disputs gehörten.

 

 

2.4. Beschwerde von Herrn D wegen Diskriminierung durch das Ausländeramt

 

Herr D, langjährig in Offenbach ansässiger somalischer Staatsbürger, beschwert sich bei der Antidiskriminierungsstelle über Entscheidungen und Verhalten einer Sachbearbeiterin im Ausländeramt. Er habe seine Unterlagen zur Erteilung/Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zum Termin persönlich überreichen wollen. Ihm war jedoch vorab schriftlich bei Terminvergabe mitgeteilt worden, dass er die Unterlagen zur Vorabprüfung (auch angesichts der Pandemiesituation) per Post einreichen solle. Als er beim Termin auf der persönlichen Abgabe bestanden habe, sei es zum verbalen Disput gekommen. Anschließend sei er vom Sicherheitsdienst aus dem Büro verwiesen worden. Das Verhalten der Sachbearbeiterin habe er als Diskriminierung empfunden. Er bittet den Antidiskriminierungsbeauftragten ausdrücklich, für ihn als Fürsprecher tätig zu werden.

 

Eine Rücksprache mit der Sachbearbeiterin im Ausländeramt ergab, dass Herr D aus ihrer und hinzugezogener Kolleginnen und Kollegen Sicht bedrohlich und mit hoher Aggressivität aufgetreten sei, was zu der verbalen Auseinandersetzung und dem Verweis aus der Dienststelle geführt habe. Sie habe dieses Verhalten aktenkundig gemacht. Nach Anregung des Antidiskriminierungsbeauftragten erklärt sie sich jedoch zu einem weiteren Termin mit Herrn D unter der Voraussetzung bereit, dass Herr D seine Unterlagen rechtzeitig auf eine weitere Einladung hin vorab zuleite und ein akzeptables Verhalten an den Tag lege.

 

Der Antidiskriminierungsbeauftragte informiert Herrn D über das Ergebnis seiner Intervention. Herr D sagt zu, bei einem weiteren Termin die notwendigen Unterlagen rechtzeitig abzugeben, sich ggf. zu entschuldigen und sich um ein adäquates Verhalten zu bemühen. Er wurde gebeten, über den Gesprächsverlauf zu berichten.

Allerdings erfolgte die erwartete Rückmeldung nicht. Eine Rückfrage des Antidiskriminierungsbeauftragten bei der Sachbearbeiterin ergab, dass der zweite Termin ähnlich wie der erste wegen des aggressiven und von ihr und weiteren Zeugen als Bedrohung empfundenen Auftretens von Herrn D ergebnislos verlaufen sei. Der Fall sei nun aktenkundig gemacht und außerdem wegen zusätzlicher Ungereimtheiten beim Aufenthaltsstatus an das Regierungspräsidium Darmstadt weitergeleitet worden.

 

Die Interventionsmöglichkeiten der Antidiskriminierungsstelle waren damit erschöpft. Herr D hat sich mittlerweile aus Offenbach abgemeldet.

 

 

2.5 Beschwerde von Frau E wegen Diskriminierung durch einen Inhaber eines städtischen Ehrenamts

 

Frau E, langjährige Offenbacherin mit Migrationshintergrund, berichtet, dass sie gelegentlich mit Entscheidungen und Verfahrensweisen des Vorsitzenden des Fördervereins ihrer Wohnstätte nicht einverstanden ist. Sie sei selbst Vorstandsmitglied und darüber hinaus im Haus ehrenamtlich sehr engagiert. Da ihre Interventionen gegenüber dem Vorsitzenden nicht erfolgreich gewesen seien, habe sie ihm vorgeschlagen, den Inhaber des städtischen Ehrenamts als Mediator an den Vorstandssitzungen teilnehmen zu lassen. Der Vorsitzende tritt mit diesem Ansinnen an den mit dem Ehrenamt Beauftragten heran, der jedoch darauf verweist, dass Mediation in Vereinen nicht zu seinen Aufgaben gehöre und vorschlägt, die Kontroversen innerhalb der Vereinsregularien zu lösen.

 

Innerhalb des Mailverkehrs zwischen den Betroffenen werden Formulierungen des Ehrenamtsinhabers von Frau E als diskriminierend empfunden. Frau E wendet sich daraufhin an die Antidiskriminierungsstelle und ersucht um eine Intervention.

Auf Wunsch der Beschwerdeführerin lädt der Antidiskriminierungsbeauftragte Frau E und den Ehrenamtsinhaber zu einem klärenden Gespräch. Darin werden die verschiedenen Sichtweisen und gegenseitigen Wahrnehmungen zum Mailverkehr erörtert. Am Ende des Gesprächs entschuldigt sich der Ehrenamtsinhaber für die Missverständlichkeit seiner Formulierungen, diskriminierende Äußerungen gegenüber Frau E seien dabei nicht beabsichtigt gewesen. Frau E nimmt die Entschuldigung an.

 

 

 

 

3. Diskriminierungsmeldungen ohne Vertretungsauftrag an die ADS

 

An dieser Stelle sind aus dem Jahr 2021 keine signifikanten Fälle zu berichten, die zu persönlichen Beratungsgesprächen bzw. zu Kontakten mit Ämtern und Einrichtungen der Stadt führten. Einige als Diskriminierungsbeschwerden herangetragene Beratungswünsche betrafen eher nachbarschaftliche Streitigkeiten, die an das Schiedsamt weitergeleitet wurden, oder waren bereits gerichtsanhängig, so dass seitens der Antidiskriminierungsstelle keine aussichtsreichen Interventionen mehr möglich waren.

 

 

3.1 Diskriminierungsmeldungen gegenüber nichtstädtischen Behörden oder Dritten

 

In einigen Fällen, die andere Behörden oder Dritte betreffen, wird die Antidiskriminierungsstelle von den Beschwerdeführenden vorsorglich bzw. begleitend in Kenntnis gesetzt. Trotzdem findet in der Regel eine persönliche oder telefonische Beratung statt. Allerdings ergibt sich hieraus nur selten eine Interventionsmöglichkeit für die ADS. Beschwerden über das Jobcenter Mainarbeit werden grundsätzlich an den für die Mainarbeit zuständigen Ombudsmann verwiesen.

 

 

4.Jahresfazit

 

Im Jahr 2021 erreichten die Antidiskriminierungsstelle keine Diskriminierungsmeldungen, die nachweisliche Verstöße der städtischen Verwaltung und Betriebe gegen die Städtischen Antidiskriminierungsrichtlinien belegten.

 

In der täglichen Praxis erwies sich die Faktensammlung im Einzelfall jeweils als ziemlich zeitraubend, die Beurteilung, wo wirklich eine Diskriminierung nach den Städtischen Antidiskriminierungsrichtlinien vorliegt oder diese lediglich zur Durchsetzung von Interessen ins Feld geführt wird, nicht immer als ganz eindeutig möglich. Letztendlich blieb dem Antidiskriminierungsbeauftragten im Zweifelsfall nur die Möglichkeit, das subjektive Empfinden einer Diskriminierung des/der Beschwerdeführenden zu akzeptieren und sie/ihn bei einem berechtigten Anliegen zu beraten und zu unterstützen. Dass die Antidiskriminierungsstelle zwar unabhängig agiert, die Aufgabenstellung des Antidiskriminierungsbeauftragten jedoch vorrangig auf die städtische Verwaltung und Betriebe sowie die Stadtgesellschaften zielt, war - wie schon in den Vorjahren - den Beschwerdeführenden nicht immer leicht zu vermitteln.

 

Positiv einzuschätzen ist aus Sicht des ADB weiterhin die häufig wahrzunehmende Befriedigung der Nutzerinnen und Nutzer der Antidiskriminierungsstelle, mit ihrem Anliegen Gehör und Beratung gefunden zu haben und ernstgenommen worden zu sein.

 

 

Offenbach am Main im Januar 2022

Dr. Enno Knobel