Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2021 - 2026


2021-26/DS-II(A)0030Ausgegeben am 01.09.2022

Eing. Dat. 18.08.2022

 

 

 

„Nebelbrunnen – Coole City“

hier: Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 11.02.2021,
2016-21/DS-I(A)0920

dazu: Magistratsvorlage Nr. 2022-273 (Dez. II und IV, Amt 33 und 60) vom 17.08.2022

 

 

Die Stadtverordnetenversammlung hat am 11.02.2021 * folgenden Beschluss gefasst:

 

Der Magistrat wird beauftragt zu prüfen und zu berichten, wie mit Sprühnebel-brunnen und mobilen grünen Schattenspendern im Sommer für Abkühlung in der Innenstadt von Offenbach gesorgt werden kann.

 

Dabei gilt es Vorschläge zu entwickeln, die auf Probe angelegt sind und auch

kurzfristig umgesetzt werden können.

Geeignete Plätze, Kosten, Strom- und Wasserverbrauch und mögliche Sponsoren

oder Fördermittel sind darzustellen.“

 

* redaktionell geändert

 

 

Hierzu berichtet der Magistrat wie folgt:

 

Sprühnebelbrunnen

Derzeit verfügbare marktübliche Systeme für Sprühnebelanlagen arbeiten mit Hochdruck (40-70 Bar) und sorgen damit für eine feinzerstäubte, nicht nässende, kleinräumige Kühlung um ca. 5 °C auf befestigten Flächen. Die optimale Installationshöhe für die Düsen beträgt ca. 2,5 m. Ein vorgeschalteter UV-Filter für die Abtötung von Bakterien und Viren ist für den Betrieb im öffentlichen Raum notwendig. Voraussetzungen für den Betrieb solcher Sprühnebelanlagen sind ein wetterfester und vandalismusssicherer Pumpen- bzw. Aggregatstandort (Größe ab ca. 50 x 50 x 50 cm) sowie ein Strom- und ein Trinkwasseranschluss.

 

Die Wartung der Sprühnebeldüsen und Entkalkung der Düsen ist im zweiwöchigen Turnus notwendig. Ebenso muss - auch bei schlechterem Wetter - die Anlage regelmäßig Hygienespülgänge zum Austausch des Wassers im System durchführen. Weitere regelmäßige Wartungsaufgaben sind Ölwechsel sowie die Prüfung des Feinfilters.

Zudem ist dafür Sorge zu tragen, dass die unter Hochdruck stehenden Schläuche zu den Düsen bzw. einer Düsensäule vor Vandalismus geschützt werden und dass die Gefahr des Stolperns im Bereich der Leitungsführung verhindert wird. Die Systeme sind für einen Intervallbetrieb mit einer Gesamtlaufzeit von ca. 6 h / Tag ausgelegt.

 

Mobile grüne Schattenspender

Für eine kurzfristige, mobile Beschattung bieten sich transportable Kübel mit Baum- und Strauchpflanzungen, Hecken und Spalieren an, die mit Gabelstaplern bzw. Hubwagen transportiert werden können. Auch ein mobiles grünes Zimmer (vgl. z. B. Firma Helix) wäre in diesem Zusammenhang denkbar (ein Prüfbericht dieses Systems wurde zum Beschluss 2016-21/DS-I(A)0457/1 „City Trees“ abgegeben). Im Straßenraum lassen sich temporäre Stadtmöbel mit Sitzgelegenheiten und Bepflanzungen (z. B. Parklets) zur temporären Umnutzung von PKW-Stellplätzen einsetzen.

 

Potentiell geeignete Plätze/ Hitzeinseln

Nach Prüfung kommen als potentielle Standorte für Nebelbrunnen und/oder mobiles Grün zunächst insgesamt fünf Plätze in der Innenstadt und angrenzender Stadtteile in Frage. Die Auswahl erfolgte anhand der folgenden Kriterien:

o   Lage in den Stadtteilen mit besonders hoher klimatischer Belastung anhand der Klimafunktionskarte 2021[1].

o   Gute Erreichbarkeit bzw. hohe Frequentierung durch die Bürgerinnen und Bürger.

o   Städtische Flächen und damit relativ kurzfristige Umsetzbarkeit.

o   Technische Voraussetzungen können geschaffen werden oder sind schon vorhanden.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sind die folgenden Plätze am besten geeignet:

o   Stadthof – Aliceplatz

o   Wilhelmsplatz

o   Goetheplatz

o   Senefelder Quartiersplatz

o   Fußgängerzone/ Frankfurter Straße

Bei der näheren Betrachtung der Plätze sind potenzielle Einschränkungen, wie Fragen des Denkmalschutzes, Vandalismusrisiko, Nutzungskonflikte mit Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern und Anlieferungsverkehren, zu beachten. Zudem können bestehende Wochenmärkte sowohl Einschränkungen als auch Potenziale für den Betrieb eines Nebelbrunnens bzw. den Einsatz von mobilen grünen Schattenspendern bieten.

 

Kosten für Anschaffung und Betrieb/ Unterhaltung von Sprühnebelanlagen

Die Kosten für Sprühnebelanlagen liegen für eine mobile Anlage mit einem Agregat/ einer Pumpe, inklusive UV-Filter und zehn Einzeldüsen, die am Hochdruckschlauch befestigt werden, bei ca. 2.400,00 € pro Gerät. Eine größere Anlage mit ca. zwanzig Düsen kostet etwa 3.000,00 €. Bei einer Verwendung von freistehenden (Metall-) Nebelsäulen sind für diese Säulen ca. 600,00 € zu kalkulieren. Die Säulen sind insbesondere bei fehlenden Befestigungsmöglichkeiten (wie Sonnenschirmen, Markisen oder Bäumen) notwendig. Hinzu kommen Betriebskosten (z. B. Wasser- und Stromverbrauch, ca. 60 l / h Wasser bei einer Leistungsaufnahme von ca. 200 Watt), Kosten beim Aufbau der Anlage (z. B. Kosten für das Herrichten der Trinkwasser- und Stromanschlüsse oder die Montage sowie die Installation eines Steuerungsmoduls) und Wartungskosten (z. B. die tägliche Kontrolle oder Reinigung). Eine Schätzung der Unterhaltungskosten kann zum jetzigen Zeitpunkt ohne klare Standortbedingungen und konkrete Modelle der Aggregate / Pumpen und Düsen nicht erfolgen, da nicht auf entsprechende Erfahrungswerte aus anderen hessischen Kommunen zurückgegriffen werden kann.

 

Kosten für mobile grüne Schattenspender

Aufgrund des Zwecks zur Verschattung sollten mobile Kübel ein Volumen von ca.

2 m³ (d. h. ca. 1,5 x 1,5 x 0,9 m) aufweisen, damit auch kleinere Bäume bzw. größere Sträucher integriert werden können und eine Wasserspeichermöglichkeit besteht.

 

Die Kosten für entsprechende Kübel ohne integrierte Sitzmöglichkeit belaufen sich auf ca. 3.500,00 - 5.000,00 €. Die Kosten für die Bepflanzung mit einem Baum/ Strauch inklusive Unterpflanzung betragen ca. 1.500,00 €. Hinzu kommen jährliche Pflegekosten von etwa 500,00 € (ohne Abfallsammlung, Erdaustausch und Ersatzpflanzung).

 

Ein „mobiles Grünes Zimmer“ gibt es auch als Mietsystem als Komplettpaket für eine Saison (entspricht 26 Wochen). Es werden für die Lieferung, das Aufstellen und die Pflege (außer Wassernachfüllen) sowie die Versicherung 38.950,00 € für eine Saison (entspricht ca. 1.500,00 € / Woche) und 9.650,00 € für die Mietdauer von vier Wochen berechnet (ca. 2.500,00 € / Woche). Für die automatische Bewässerung ist bei diesen Systemen durch eine integrierte Solaranlage kein Stromanschluss erforderlich. Ein eingebauter Wassertank muss alle zwei Wochen vom Mieter aufgefüllt werden. Dafür fallen monatlich etwa 20,00 € Wasserkosten zuzüglich Zeit- und Arbeitsaufwand durch den Eigenbetrieb zum Befüllen an.

 

Sponsoren und Fördermittel

Passende Förderprogramme für temporäre Maßnahmen sind hierfür derzeit nicht vorhanden. Klimaanpassungsmaßnahmen werden gefördert, wenn sie dauerhaft etabliert werden und nicht nur der temporären Verbesserung dienen. Es wäre denkbar, dass Offenbacher Unternehmen ein Sponsoring übernehmen. Hierfür können, im Falle eines Umsetzungsauftrags, Teile des Stadtkonzerns (SOH, EVO) oder des ZWO angefragt werden.

 

Erfahrungen anderer Städte

Um eine Einschätzung hinsichtlich Aufwand und Nutzen zu erhalten, wurden die Erfahrungen mit Nebelanlagen aus anderen Städten wie Wien und Graz eingeholt.

 

In der Stadt Wien stehen derzeit 175 sogenannte „Sommerspritzer“, die an die standardisierten oberirdischen Hydranten aufgebracht werden und mit Hochdruck funktionieren. Das System wurde von der Stadt in Auftrag gegeben und passend für die Standorte und Bedarfe entwickelt. Hierbei ist auch eine App-Steuerung integriert.

Die 3 m hohen Sommerspritzer werden ab einer Temperatur von 27 °C von 10 bis 22 Uhr aktiviert und erfreuen sich nach Aussagen der Stadtverwaltung Wien großer Beliebtheit. Der Wasserverbrauch hielte sich in einem sehr überschaubaren Ausmaß. Stromkosten fielen keine an, da die Anlagen mit Solarmodulen betrieben werden. Anschaffung und Installation kosten ca. 5000,00 € pro Sommerspritzer.

 

Bezüglich der Gefahr des Vandalismus gibt es nach Auskunft kaum konkrete Fälle. Zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit werden die Sommerspritzer einmal pro Woche von städtischen Mitarbeitenden angefahren und geprüft.

 

Andere Anlagen, die in das Projekt „Coole Straßen“ integriert wurden, sind teilweise aufgrund von schlechter Wasserqualität deaktiviert worden, da das Wasser zu lange in Schläuchen stand[2]. Das Wiener Modell kann jedoch aufgrund fehlender Überflurhydranten in Offenbach so nicht umgesetzt werden.

 

Die Erfahrungen aus Graz mit Sprühnebelanlagen wiederum zeigen, dass die Wahl der Anlage und des Standorts entscheidend sind. Dort wurde ein zentraler Platz mit Seilen überspannt, an die die Sprüher angebracht wurden. Aus verschiedenen Gründen mussten die Düsen höher angebracht werden, als geplant und vom Hersteller empfohlen, weswegen der Kühlungseffekt gegen Null tendierte, da der Nebel die Passanten nicht erreichte. Der Versuch gilt seitdem als gescheitert, ein anderes Konzept oder eine Wiederholung an anderer Stelle wird auch aufgrund der Kosten bisher nicht angestrebt.

 

Grenzen der Möglichkeiten

Die Möglichkeit zur effektiven temporären Kühlung der Orte sind begrenzt und wurden u. a. im Beschluss „City Trees“ 2016-21/DS-I(A)0457/1 beschrieben. Aus aktueller Sicht ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu hinterfragen. Zudem ist von einem erhöhten Wartungsaufwand auszugehen. Schon jetzt ist es für die städtischen Ämter und Eigenbetriebe schwierig, allen Pflegeaufgaben in ausreichender Qualität nachzukommen. Andere Beispiele, wie aus der Stadt Wien[3], sind nicht vergleichbar, da dort großangelegte Förderprogramme pilothafte Anlagen und Evaluationen (mit-) finanzieren und hierfür z. B. Straßenzüge für den motorisierten Individualverkehr temporär gesperrt werden. Ähnliche Ergebnisse können in Offenbach nur mit entsprechendem Vorlauf und integrierter Planung realisiert werden, wobei die Kosten, wie aktuell anzunehmen ist, selbst zu tragen sind.

 

Abschließende Betrachtung

Auf Basis der bisher vorliegenden Erkenntnisse kann keine abschließende Betrachtung und Bewertung erfolgen.

Es ist jedoch denkbar, eine Pilotanlage im öffentlichen Raum zu errichten, diese im Bezug auf die genauen Kosten, den Ressourcenverbrauch, den tatsächlichen Unterhaltungsaufwand sowie die Akzeptanz und den Nutzen für Bürgerinnen und Bürger zu evaluieren sowie daraus Rückschlüsse für den weiteren Betrieb zu erhalten.

 

Hinweis: Der II(A)Bericht wird den Stadtverordneten und Fraktionen elektronisch (PIO) zur Verfügung gestellt.

 



[1] Die Klimafunktionskarte für 2021, als auch für 2050 sind über die folgende Internetseite abrufbar: https://www.offenbach.de/leben-in-of/umwelt-klima/klima/Klimawandel-klimaanpassung/Klimafunktionskarte/klimafunktionskarte.php

[2] Heute.at (2020): Wien sperrt „coole Straßen“ – Wasser zu schlecht. Online: https://www.heute.at/s/wien-sperrt-coole-strassen-wasser-zu-schlecht-100091229 (20.04.2022)

[3] Mobilitätsagentur Wien (o. J.): Streetlife Wien. Coole Straßen. Online: https://www.streetlife.wien/coolestrasse/ (25.06.2021).