Quelle: pio.offenbach.de
Abgerufen am 28.03.2024


Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2021 - 2026


2021-26/DS-I(A)0467Ausgegeben am 22.02.2023

Eing. Dat. 20.02.2023

 

 

 

 

 

Grundsatzentscheidung zur Digitalstrategie: Open Source und offene Schnittstellen

Antrag der Stadtverordneten Julia Endres, Helge Herget und Dr. Annette Schaper Herget, CDU und FREIE WÄHLER vom 20.02.2023

 

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Bei Entscheidungen über die Anschaffung von Software für die Offenbacher Verwaltung und die Offenbacher Stadtämter sollen folgende Kriterien angewandt werden:

 

  1. Open Source hat Vorrang vor proprietärer Software

 

  1. Die Software muss für die Schnittstellen zum Austausch von Daten offene Formate anbieten.

 

Bei jeder Entscheidung über Anschaffung von Software ist dem HFDB zu berichten.

 

 

Begründung:

 

In der Vergangenheit sind innerhalb der Verwaltung weitreichende Entscheidungen getroffen worden, deren spätere Folgekosten zunächst nicht absehbar waren. In der Stadtverordnetensitzung vom 02.02.2023 berichtete OB Schwenke, dass es für die Stadtverwaltung und den Stadtkonzern unterschiedliche IT-Systeme gebe. Man müsse sich daher entscheiden, ob man die vielen nicht kompatiblen Schnittstellen einander anpassen oder eines der Systeme neu aufsetzen wolle. Damals ist der Fehler gemacht worden, bei der Entscheidung für die verschiedenen Softwaresysteme nicht alle nötigen Entscheidungskriterien beachtet zu haben. Es wurden keine Grundsatzentscheidungen über eine Digitalstrategie getroffen. Stattdessen hat man diese sehr fundamentalen Weichenstellungen nur als reines Verwaltungshandeln aufgefasst, vermutlich nicht alle nötigen politischen Kriterien miteinbezogen und selektiv auf nur wenige Kriterien, z.B. Kosten geschaut. Auch jetzt sprach Herr Dr. Schwenke in seiner Rede nur von einem Kostenvergleich als Kriterium für die nun anstehenden Entscheidungen.

Um den gleichen Fehler nicht zu wiederholen, müssen wir über grundsätzliche politische Weichenstellungen entscheiden, bevor Verwaltungshandeln zur Wahl von Software einsetzen kann. Eine Abstimmung über Grundsätze muss also erfolgen, bevor eine „Gruppe mit verschiedenen Offenbacher Akteuren“, deren Zusammensetzung und Interessen den Stadtverordneten unbekannt sind, schon eine „Datenstrategie“ entwickelt hat, statt erst danach, wie im Beschluss 2021-26/DS-I(A)0280/1 festgelegt wurde. Es geht um eine Gesamtperspektive, nicht nur um eine Ansammlung marketing-optimierter Einzelmaßnahmen.

Hierzu gehören u.a. zwei Grundsatzentscheidungen, nämlich, ob die Software Open Source sein soll und ob sie einen Austausch von Daten über offene Schnittstellen erlaubt.

Im Einzelnen:

Zu 1 Open Source

In der Vergangenheit haben sich viele Verwaltungen durch die Wahl von proprietärer Software in ein starke Herstellerabhängigkeit begeben, denn oft besitzt statt der Verwaltungen der IT-Dienstleister die Verwertungsrechte. Wegen dieser Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter werden Dienstleistungen oft nicht einmal mehr ausgeschrieben. Siehe hierzu den Artikel „Onlinezugangsgesetz – mit Open Source in Richtung Unabhängigkeit“ aus Netzpolitik 29.10.2022 (https://netzpolitik.org/2022/onlinezugangsgesetz-mit-open-source-in-richtung-unabhaengigkeit/)

Open-Source-Software hat gegenüber proprietärer Software einige Vorteile, die sich vor allem längerfristig wirtschaftlich auswirken. Diese sind

  • Man zahlt keine Lizenzgebühren, stattdessen zahlt man für die Wartung und Pflege.
  • Das führt zu niedrigeren Gesamtkosten.
  • Man ist nicht von bestimmten Anbietern abhängig.
  • Verwaltungen können die Software rechtssicher nutzen.
  • Durch Einsicht in den Quellcode ist ein hoher Grad der Anpassung möglich an eigene Bedürfnisse und an zukünftige Systeme.
  • Mit offener Software ist es leicht, Kompatibilität mit anderen Systemen herzustellen.
  • Sicherheitslücken fallen schneller auf, denn OSS-Lösungen profitieren wegen der großen Zahl der Fachleute, die mit ihnen arbeiten, von einem Sicherheitsniveau, das die meisten proprietären Anbieter nicht erreichen können.
  • Die Flexibilität und die Einsicht in den Quellcode macht die Wartungsaufgaben attraktiver für Fachkräfte, deren Rekrutierung heutzutage ein Problem ist.
  • Die Verfügbarkeit von Quellcode ermöglicht es Anwendern von OSS, Sicherheits- und Leistungsstandards zu überprüfen. Open-Source-Plattformen bieten eine klarere Dokumentation, häufigere Upgrades und regelmäßige Downloads zu Testzwecken. Daher ist die Wahrscheinlichkeit für Sicherheitslücken kleiner.
  • Bei der Verwendung von proprietären Formaten riskiert man hingegen Datenverlust für den Fall, dass die Software nicht mehr gewartet wird oder nicht mehr erhältlich ist.
  • Langfristiges Reparieren veralteter Software ist teurer als ein Neuaufsetzen.

Auch größere Konzerne setzen aus diesen Gründen vermehrt auf Open Source-Produkte.

Auch die Koalition der Bundesregierung schreibt in ihrem Koalitionsvertrag, dass sie für „öffentliche IT-Projekte offene Standards“ vorschreiben und „Entwicklungsaufträge in der Regel als Open Source“ beauftragen wird.

Zu 2.      Open Data

In der Vergangenheit wurde in vielen deutschen Verwaltungen der Fehler gemacht, Daten in proprietären Formaten zu speichern. Diese können jeweils nur mit bestimmter Software weiterverarbeitet werden und so ist es manchmal bei Updates der Software oder bei Insolvenzen des Anbieters sogar zu Datenverlusten gekommen. Oft genug sind Datensammlungen in verschiedenen Abteilungen nicht miteinander kompatibel und können wegen Kompatibilitätsproblemen nicht angepasst werden, weil es keine gemeinsamen Schnittstellen gibt. Daher werden oft Datenbanken oft über kurz oder lang unbrauchbar und die gleichen Daten müssen deshalb mehrfach neu erfasst werden. Dieses Problem haben wir auch in Offenbach.

Vorteile von offenen Datenformaten sind:

  • Der Austausch von Datensätzen zwischen verschiedenen Abteilungen kann ohne Aufwand einfach bewerkstelligt werden.
  • Datensilos, also Datensammlungen, die nicht kompatibel sind, werden vermieden und abgebaut.
  • Die Wahl der Software zur Weiterverarbeitung der Daten bleibt frei.
  • Viele Daten, die nicht personenbezogen sind, können ohne großen Aufwand den Bürgerinnen und Bürgern in öffentlichen Datenbanken zur Verfügung gestellt werden, Beispiele sind Wetterdaten, Niederschläge, Mikroklima, Bevölkerungsstrukturen, Bodeneigenschaften, Luftreinhaltungsdaten, Versiegelungen, Kanalisation, Leitungen, Fahrgastzahlen, Gesundheitsdaten, Statistiken zum Verkehr, und viele mehr.
  • Dadurch erspart man der Verwaltung Arbeit, denn solche Datenbanken reduzieren die Zahl der Bürgeranfragen.
  • Man ist mit anderen Kommunen, dem Land und dem Bund kompatibel und spart langfristig Kosten.
  • Das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen in die Effizienz der Verwaltung wird gestärkt, da ihnen die Daten, die mit ihren Steuergeldern erfasst worden sind, auch zugänglich sind.
  • Auch Bürger und Bürgerinnen, Vereine, Firmen und Organisationen werden sich an der Weiterverarbeitung der Daten beteiligen und damit einen Mehrwert schaffen.

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, einen Rechtsanspruch auf Open Data einzuführen. Spätestens dann sind auch Länder und Kommunen entsprechend verpflichtet. Siehe hierzu:

https://www.bmi.bund.de/DE/themen/moderne-verwaltung/open-government/open-data/open-data-node.html

und https://blog.wikimedia.de/2022/03/17/rechtsanspruch-auf-open-data-jetzt-muss-es-endlich-losgehen/

 

Hinweis: Der Antrag wird den Stadtverordneten und Fraktionen elektronisch (PIO) zur Verfügung gestellt.

 

Dieser Text wurde mit dem "Politischen Informationssystem Offenbach" erstellt. Er dient nur der Information und ist nicht rechtsverbindlich. Etwaige Abweichungen des Layouts gegenüber dem Original sind technisch bedingt und können nicht verhindert werden.