Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt
Offenbach am Main
2021 - 2026
2021-26/DS-I(A)0884Ausgegeben am 05.06.2025
Eing. Dat. 04.06.2025
Beschluss einer Gefahrenabwehrverordnung über das Verbot des Verkaufs sowie der Ab- und Weitergabe von „Lachgas“ (Distickstoffmonoxid) an Minderjährige
Antrag Magistratsvorlage Nr. 2025-167 (Dez. IV, Amt 32) vom 04.06.2025
Der Magistrat beantragt, dass die Stadtverordnetenversammlung wie folgt beschließt:
Die Gefahrenabwehrverordnung über das Verbot des Verkaufs sowie der Ab- und Weitergabe von „Lachgas“ (Distickstoffmonoxid) an Minderjährige wird gemäß der Anlage 1 beschlossen.
Begründung:
Mit Beschluss vom 09.12.2024 beauftragte die Stadtverordnetenversammlung den Magistrat zu prüfen, wie ein Verkaufsverbot für Lachgas im Automatenhandel und ein Erwerbs-, Verkaufs- und Besitzverbot für minderjährige Personen zeitnah umgesetzt werden kann.
Mangels einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage könnte der Verkauf und die Weitergabe von Lachgas an Minderjährige durch eine Gefahrenabwehrverordnung nach Maßgabe der §§ 71ff. des Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) reglementiert werden. Nach § 74 HSOG können die Kommunen für ihr Gebiet Gefahrenabwehrverordnungen erlassen, welche von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen werden (§ 74 S. 2 HSOG). Weitere Formerfordernisse ergeben sich aus § 78 HSOG, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll.
Gemäß §§ 71, 74 HSOG muss eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehen. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasst dabei die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Einrichtung und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Hoheitsträger. Für eine Gefahrenabwehrverordnung genügt das Vorliegen einer abstrakten Gefahr. Das bedeutet, es dürfen Lebenssachverhalte geregelt werden, die nach der Lebenserfahrung geeignet sind, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit konkrete Gefahren herbeizuführen. Durch den Konsum von Lachgas kann es unter anderem zu Lähmungen und Hirnschäden kommen. Damit kann der Konsum auch lebensgefährlich sein. Dies zeigt sich insbesondere durch die möglichen Gefahren von Ersticken, Kreislaufstillstand und neurologischen Schäden bis hin zu schweren Lähmungen oder gar dem Tod. Langfristig seien schwere gesundheitliche Schäden wie Vitamin-B12-Mangel, Hypoxämie und psychische Abhängigkeit dokumentiert. Das Verbot dient zudem auch dem Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, insbesondere Kinder und Jugendlicher, denen die Tragweite des Konsums nicht geläufig ist. (Ungeachtet dieser Schäden, landen immer mehr Lachgaskartuschen im Müll, welche sodann in den Müllverbrennungsanlagen explodieren und dadurch weitere Schäden anrichten.) Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist mithin betroffen. Da der der Konsum von Lachgas insbesondere und gerade auch Minderjährigen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den oben genannten körperlichen Auswirkungen und in der Folge auch möglichen Erkrankungen einhergeht. liegt auch eine abstrakte Gefahr i.S.d. §§ 71, 74 HSOG vor.
Die Gefahrenabwehrverordnung müsste darüber hinaus auch verhältnismäßig sein. Das Verbot der Weitergabe und des Verkaufs von Lachgas an Minderjährige bezweckt eine Verringerung des Konsums, um den oben genannten Gefahren zu begegnen. Damit liegt ein legitimes Ziel vor. Das Verbot müsste auch geeignet sein, diesem Zweck zu dienen. Maßgeblichen Einfluss auf den Verkauf und die Weitergabe von Lachgas haben insbesondere der Verkauf von Lachgas an Kiosks und Automaten.
Mit dem Verbot ist davon auszugehen, dass Kioskbetreiber sowie andere Verkaufsstellen den Jugendschutz dadurch wahren, indem sie das Alter der Käufer überprüfen. Demzufolge ist davon auszugehen, dass bei solchen Altersprüfungen, der Verkauf und die Weitergabe von Lachgas verringert wird. Zur Erreichung der genannten Ziele ist das Verbot zum Verkauf und der Weitergabe an Minderjährige auch geeignet.
Das Verbot müsste auch erforderlich sein. Erforderlich ist ein Mittel, wenn es unter allen gleich geeigneten Mitteln das mildeste Mittel ist. Eine weitere Maßnahme könnten regelmäßige Kontrollen der Stadtpolizei sein. Allerdings kann die Stadtpolizei nicht gewährleisten, dass der Verkauf und die Weitergabe von Lachgas eingedämmt bzw. verringert wird. Demnach ist diese Maßnahme nicht gleich geeignet. Andere Maßnahmen kommen nicht in Betracht. Demnach ist das Verbot auch erforderlich.
Weiterhin müsste auch die Angemessenheit gewahrt sein. Das verfolgte Ziel des Schutzes subjektiver Rechte und Rechtsgüter Einzelner, insbesondere der Jugendschutz muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu den andererseits betroffenen Schutzgütern stehen. Das Verbot könnte einen Eingriff in die Berufsausübung nach Art. 12 GG darstellen. Ein Eingriff in die Berufsausübung liegt vor, wenn die Tätigkeit oder Wahl durch staatliche Regelungen eingeschränkt, beeinträchtigt oder bloß geregelt wird. Damit sind Berufsausübungsregelungen solche, die bestimmen, wie ein Beruf ausgeübt werden muss. Durch das Verbot ist der Verkauf an Minderjährige nicht gestattet und kann mit einer Geldbuße geahndet werden. Damit ist die Berufsausübung betroffen. Ein Eingriff liegt damit vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Angriffs je nachdem, ob die Berufswahlfreiheit oder die Berufsausübungsfreiheit betroffen ist, unterschiedlich geregelt. Hierzu wurde die sog. Drei-Stufen-Theorie entwickelt, welche zwischen Berufsausübungsregelungen auf der ersten Stufe, subjektiven Berufswahlregelungen auf der zweiten Stufe und objektiven Berufswahlregelungen auf der dritten Stufe unterscheidet. Vorliegend sind durch das Verbot objektive Berufswahlregelungen auf der dritten Stufe betroffen. Hier ist ein Eingriff gerechtfertigt, wenn vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls die
Regelung zweckmäßig erscheinen lassen. Hier ist vor allem der Jugendschutz voran zu stellen.
Der Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen ist hier vorrangig. Das Verbot verbietet den Betreibern auch nicht generell den Verkauf, sondern nur die Ab- und Weitergabe an Kinder und Jugendliche. In diesem Zusammenhang kann eine Parallele zu den §§ 9, 10 JUSchG gezogen werden, die die Abgabe und Verzehr von Alkohol, sowie die Abgabe und den Konsum von Nikotin verbieten. Demnach ist der Eingriff auch gerechtfertigt.
Es bleibt abschließend im Ergebnis festzustellen, dass die Kommunen bis zur Umsetzung des aktuellen Gesetzesvorhabens auf Bundesebene den Verkauf und die Weitergabe von Lachgas an Minderjährige im Rahmen einer Gefahrenabwehrverordnung verbieten können. Die Gefahrenabwehrverordnung könnte auch Bußgeldtatbestände bestimmen (§ 77 HSOG).
Umliegende vergleichbare Städte haben zwischenzeitlich entsprechende Gefahrenabwehrverordnungen beschlossen oder sind kurz davor. Bis zur Umsetzung im Bund könnte es also zu Käuferwanderungen nach Offenbach kommen, womit der Beschluss der Gefahrenabwehrverordnung gemäß Anlage 1 in der nächsten Stadtverordnetenversammlung am 03.07.2025 beschlossen werden sollte.
Anlagen:
Gefahrenabwehrverordnung über den Verkauf sowie die Ab- und Weitergabe von
„Lachgas“ (Distickstoffmonoxid) an Minderjährige
Gefahrenabwehrverordnung – „Lachgasverbot“)
Klimarelevanzprüfung
Hinweis: Antrag und Anlagen werden den Stadtverordneten und Fraktionen elektronisch (PIO) zur Verfügung gestellt.