Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2011 - 2016


2011-16/DS-I(A)0727Ausgegeben am 02.07.2015

Eing. Dat. 01.07.2015

 

 

 

 

 

Bürgerticket möglich machen, umlagenfinanzierten Nahverkehr einführen

Antrag DIE LINKE. vom 01.07.2015

 

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Der Magistrat möge prüfen und berichten, wie die Einführung eines benutzerunabhängig finanzierten öffentlichen Personennahverkehrs im Offenbacher Tarifgebiet gelingen könnte. Zum Ausgleich der entstehenden Kosten könnte ein Umlagenfinanzierungsmodell herangezogen werden. Dabei sind unter anderem folgende Ansätze zu prüfen:

 

  1. Die Einführung eines Bürgertickets, finanziert durch die Erhebung eines Pauschalbetrags für jeden Einwohner analog zum Semesterticket an den Universitäten.

 

  1. Die Einführung einer Nahverkehrssteuer als Pauschalabgabe für Unternehmen, ähnlich wie die in Frankreich geltende Transportsteuer (taxe versement transporte), die jedoch an die Umsatzsteuer gekoppelt ist.

 

  1. Die Einführung einer kommunalen Aufwandssteuer für Gäste von Beherbergungsbetrieben gemäß § 7 Abs. 2 Gesetz über kommunale Abgaben (KAG)

 

  1. Die Einführung einer sozialverträglichen Citymaut nach den Vorbildern von London und Stockholm.

 

Einbezogen werden soll auch eine Verbindung aus den oben genannten Möglichkeiten. Ebenso soll eine Akquirierung von Fördermitteln des Landes Hessen geprüft werden.

 

Zudem soll der Bericht auf die Frage eingehen, welche flankierenden Maßnahmen getroffen werden müssen, um eine verstärkte Nutzung des ÖPNV zu bewirken (etwa die Verbesserung der Taktung, die Förderung von Park & Ride-Angeboten, die Einführung von Rufbussystemen, eine Verbesserung des Carsharingangebotes, der Ausbau der Fuß- und Radwege).

 

 

 

 

Begründung:

 

Schadstoffmessungen haben ergeben, dass in Offenbach der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter NO2 an mehreren Messstellen regelmäßig überschritten wird. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat dazu in einem kürzlich gefällten Urteil festgestellt, dass die Gesundheit der Bürger Vorrang vor den vom Land angeführten Kostenargumenten haben muss. Die Einführung eines Bürgertickets in Verbindung mit anderen Umlagenfinanzierungsmodellen für den öffentlichen Nahverkehr trägt aus Sicht der antragstellenden Fraktion erheblich zu einer Verringerung des motorisierten Individualverkehrs und damit zu einer Reduzierung der Schadstoffwerte bei.

 

Die Erfahrungen mit dem Semesterticket an den Universitäten zeigen, dass viele Menschen bereit sind, vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, wenn sie ein preisgünstiges Ticket nutzen können. In den Universitätsstädten haben sich nach der Einführung des Semestertickets sowohl der Individualverkehr um die Hochschulen als auch die Parkplatzsituation deutlich entspannt. Eine ähnliche Verringerung des Individualverkehrs ist auch für Offenbach anzunehmen, wenn die Bewohner die Möglichkeit hätten, den ÖPNV kostengünstig zu nutzen.

 

Die Kosten für einen benutzerunabhängig finanzierten Nahverkehr wurden in Tübingen von Axel Friedrich, einem vormaligen Verkehrsexperten des Umweltbundesamtes kalkuliert. Aufgrund der Bedarfsschätzung der Stadt Tübingen von 14 Millionen Euro ergab sich dabei eine jährliche Pro-Kopf-Abgabe von ca. 200 Euro für Einwohner ab 18 Jahren. Die Abgabe entspräche monatlichen Kosten von etwa 17 Euro pro Kopf. Die Erhebung einer solchen Bürgerabgabe wäre verwaltungstechnisch einfach und daher kostengünstig. Nach Zahlungseingang würden die Bewohner ein ÖPNV-Ticket erhalten.

 

Denkbar wäre auch eine Erhebung nach dem Vorbild der französischen taxe versement transport. Dabei handelt es sich um eine kommunale Transportsteuer für die Bereitstellung des ÖPNV. Die Pauschale wird von den ortsansässigen Unternehmen entrichtet, auf die Bruttolohnsumme angewandt und kann entsprechend der Einwohnerzahl einer Kommune bis zu 2,6 Prozent der Bruttoarbeitsentgelte betragen.

 

Die Anbindung an den ÖPNV ist für Unternehmen ein Standortvorteil. Durch die Einführung einer Unternehmenspauschalabgabe könnten Unternehmen an der Finanzierung des ÖPNV beteiligt werden.

 

Durch die Fahrpreiserhöhungen im ÖPNV sind die Tarife in den letzten Jahren so weit gestiegen, dass sich viele Menschen die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr leisten können. Der ÖPNV steckt in einer Abwärtsspirale, die sich zu beschleunigen droht: ein schlechteres Angebot führt zu weniger Fahrgästen und damit zu weniger Einnahmen, die Angebote werden unrentabler, also muss das Angebot ausgedünnt werden. Allerdings ist die Sicherstellung von Mobilität eine der Grundaufgaben der Daseinsvorsorge und eine Grundvoraussetzung zur Teilhabe am Arbeitsmarkt.

 

Die Einführung eines Bürgertickets oder eine deutliche Senkung der Fahrscheinpreise kommt auch der lokalen Wirtschaft zugute: ein Konzept, das es den Offenbachern möglich macht, die verschiedenen Stadtteile und die Naherholungsgebiete kostenlos mit dem Bus zu erreichen führt zu steigenden Besucherzahlen in der Innenstadt, aber auch in den Stadtteilen und zu einer Erhöhung der Aufenthaltsqualität in der Stadt.

 

Aus diesen Gründen müssen neue Finanzierungsgrundlagen für den ÖPNV geschaffen werden. Durch die Erschließung neuer Einnahmequellen mittels umlagenfinanzierter Modelle oder die Akquise von Fördermitteln können die entstehenden Kosten des Vorhabens ausgeglichen werden.

 

Die antragstellende Fraktion vertritt den Standpunkt, dass die im Tenor genannten Modelle (die ja andernorts bereits praktiziert werden) einer eingehenden Prüfung unterzogen werden sollten, um den Offenbacher Nahverkehr attraktiver zu gestalten und die Lebensqualität zu erhöhen.