Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2011 - 2016


2011-16/DS-I(A)0084Ausgegeben am 25.10.2011

Eing. Dat. 29.09.2011

 

 

 

 

„Offenbacher Stadtkonzern“
Stadtwerke Offenbach Holding GmbH (SOH)
hier: Verkauf der Geschäftsanteile der Secura Energie GmbH durch die Energieversorgung Offenbach AG (EVO) an die MVV Energie AG

Antrag Magistratsvorlage Nr. 289/11 (Dez. III, Amt 20) vom 28.09.2011


Der Magistrat beantragt, dass die Stadtverordnetenversammlung wie folgt beschließt:

Der Verkauf der Gesellschaftsanteile der EVO an der Secura Energie GmbH an die MVV Energie AG zum 30.9.2011 zu einem Preis von 225.000 € wird genehmigt.


Begründung:

 

Im Jahr 2008 gründete die MVV zusammen mit der RheinEnergie AG, der EVO AG und der Stadtwerke Ingolstadt GmbH die Secura Energie GmbH (Secura), deren Geschäftszweck der bundesweite Vertrieb von Strom und Gas an Kunden bis 100.000 kWh Jahresabnahme ist. Die EVO ist mit 15 % am Gesellschaftskapital der Secura beteiligt, die restlichen Anteile werden zu 54,9 % von MVV, zu 25,1 % von RheinEnergie und zu 5 % von den Stadtwerken Ingolstadt gehalten.

 

Die Secura sollte - als Ergänzung zu den regional fokussierten Vertrieben der Mutterhäuser - vorrangig über neue Vertriebskanäle Kunden gewinnen. Dazu gehörten z. B. Internet-Auftritt, Direktakquise an der Haustür oder in Verbrauchermärkten, sogenannte White-label-Ansätze in Zusammenarbeit mit Einzelhandelsketten (analog "Edeka-Strom“, "Tchibo-Strom“) und Kooperationsansätze über mitgliederstarke Organisationen (z. B. Automobil- oder Buchclubs) oder Markenartikelunternehmen (z. B. Gardena).

 

Der ursprüngliche Businessplan sah vor, dass die Gesellschaft - bedingt durch die zuerst anfallenden Akquisekosten für Neukunden - in den ersten drei Jahren Verluste erwirtschaftet (kumuliert rd. 6 Mio. €) und ab dem vierten Jahr in der Gewinnzone operiert, da ab diesem Zeitpunkt die operativ erwirtschafteten Margen die Kosten der Neukundenakquise übersteigen. Um die Anlaufphase finanziell zu überstehen, wurde zwischen MVV und Secura ein Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen; die Minderheitsgesellschafter sind jeweils zu einem anteiligen Verlustausgleich verpflichtet bzw. zu einer anteiligen Gewinnausschüttung berechtigt.

 

Rückblickend gesehen verlief die Geschäftsentwicklung der Secura nicht wie geplant. In den ersten beiden Geschäftsjahren wurde der Vertriebskanal-Mix immer wieder den bis dahin gemachten Erfahrungen angepasst, da Vertriebskanäle, auf die man ursprünglich viel Hoffnung gesetzt hatte, nicht die Erwartungen erfüllten und erst andere Ansätze entwickelt werden mussten, die besser funktionierten. Bei den dadurch von Anfang an unterplanmäßigen Kundenzahlen setzte erst im Geschäftsjahr 2009/10 ein Aufholeffekt ein, als Secura durch massive Verstärkung der Akquisebemühungen innerhalb weniger Monate rund 80.000 Neukunden generieren konnte. Durch das schnelle Wachstum offenbarten sich jedoch eklatante Schwächen bei den beauftragten Dienstleistern, die dazu führten, dass viele eigentlich gewonnenen Kunden doch nicht in die Belieferung gingen, Endabrechnungen verspätet erstellt wurden oder Kundenanfragen und -beschwerden nicht beantwortet wurden. Zwar wurde mit dem betreffenden Dienstleister eine pauschale Schadenersatzvereinbarung abgeschlossen, der bei den Kunden entstandene nachhaltige Imageschaden führte bei Secura jedoch zu wesentlich höheren Kündigungsraten und daher zu geringeren Deckungsbeiträgen als ursprünglich geplant. Auch konnten geplante Preisanpassungen EDV-bedingt erst später als erforderlich durchgeführt werden. Entgegen den Erwartungen wird die Gesellschaft im laufenden Geschäftsjahr nicht den geplanten Gewinn in Millionenhöhe erwirtschaften, sondern einen gegenüber dem Vorjahresergebnis noch ansteigenden Jahresverlust von rund 6,1 Mio. € vor Steuern ausweisen.

 

Die gegenwärtige Situation der Gesellschaft ist von mehreren Problemfeldern gekennzeichnet:

 

-      Die zentralen Prozesse des Unternehmens sind in der Hand eines Dienstleisters, der nicht so leistungsfähig ist wie angenommen. Die Prozesse müssen stabilisiert und Bearbeitungsrückstände aufgearbeitet werden, um die Prozessbearbeitung anschließend in die Hände eines besser aufgestellten Dienstleisters überführen zu können.

-      Das EDV-gestützte Pricing-Tool, mit dessen Hilfe die Kundendeckungsbeiträge wohnortgenau optimiert werden sollen, muss auf eine neue Systemplattform migriert werden, da Preisanpassungen für Gaskunden im bisherigen Tool nicht durchgeführt werden können.

-      Durch die Marktaktivitäten der Mitwettbewerber nimmt die Kundenbasis der Secura stetig ab. Solange jedoch kein neuer Abwicklungsdienstleister zur Verfügung steht, ist eine Neukundenakquise aus wirtschaftlicher Sicht und aus Prozesssicht nicht sinnvoll. Zur schnellen Behebung der beiden erstgenannten Punkte hat die Secura ein sog. Stabilisierungs- und Migrationsprojekt initiiert, das mit einem Budget von 1,5 Mio. € die operativen Voraussetzungen schaffen soll, wieder in die Kundenakquise einsteigen und die Geschäfte weiterführen zu können.

 

Es wurde untersucht, ob es aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen für Secura überhaupt erfolgversprechend ist, sich weiterhin auf den Energievertrieb im Privatkundensegment zu konzentrieren, oder ob eine Refokussierung auf den Großkundenbereich besser wäre. Im Resultat hat die Geschäftsführung der Secura festgestellt, dass Secura in beiden Fällen noch eine Zeit lang weiter Verluste produzieren würde, bevor sie die Gewinnzone erreicht. Angesichts dieser frühestens mittelfristig tragfähigen Aussichten hat die MVV den Minderheitsgesellschaften angeboten, ihre Anteile zum 30.09.2011 zu übernehmen und dafür einen Preis zu zahlen, der dem anteiligen Aufwand am Stabilisierungs- und Migrationsprojekt entspricht. Im Falle der EVO wären dies 15 % von 1,5 Mio. € = 225.000 €.

 

Da EVO keinen operativen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Secura nehmen kann, der bundesweite Vertriebsansatz der Secura mit dem regionalen Vertriebsansatz der EVO nicht kompatibel ist und die wirtschaftlichen Aussichten der Beteiligung unserer Einschätzung nach gegenwärtig eher unsicher sind, wird eine Beendigung des Engagements der EVO bei Secura empfohlen.

 

Die Geschäftsführung der SOH bedarf nach § 17 Abs. III lit. d) des Gesellschaftsvertrages der SOH der Zustimmung der Gesellschafterversammlung u.a. im Rahmen der Wahrnehmung von Rechten als Aktionär im Zusammenhang mit grundlegenden kommunalwirtschaftlichen Entscheidungen.

 

Die Vertreter der SOH im Konsortialausschuss der EVO, welcher die Beschlüsse des Aufsichtsrates vorbereitet, welche u.a. wiederum Voraussetzung dafür sind, dass der Vorstand der EVO Anteile an einer Tochtergesellschaft verkaufen kann, benötigen für ihr Stimmverhalten im Konsortialausschuss zu der im Raume stehenden Angelegenheit ebenfalls entsprechende Voten der Gesellschafterversammlung der SOH (§ 3.9 des Konsortialvertrages i.V.m. § 17 Abs. III lit. c) und d) des Gesellschaftsvertrages der SOH).

Dieses Votum konnte aufgrund der zeitlichen Restriktionen nicht im Vorab eingeholt werden. Insofern wurde in der Sitzung des Konsortialausschusses am 27.09.2011 dem Tagesordnungspunkt „Veräußerung der Secura-Anteile“ zugestimmt. Daher ergibt sich die Dringlichkeit der Vorlage.

 

Kommunalverfassungsrechtlich ist nach §§ 9 i.V.m. 51 Nr. 11 HGO die Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung gegeben.