Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung
der Stadtverordnetenversammlung am 5. Februar 2009
13. Stellungnahme der Stadt Offenbach zum Raumordnungsverfahren "wesentliche Änderung des Kraftwerks "Staudinger" durch Neubau eines Steinkohlekraftwerks
(Block 6) der E.ON Kraftwerke GmbH am Standort Großkrotzenburg
Antrag Magistratsvorlage Nr. 024/09 (Dez. I und Dez. II, Amt 60 und Amt 33) vom 21.01.2009, DS I (A) 399
Az: 000-0002-01/1325#1694/2009
Beschlusslage:
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt mit Stimmenmehrheit wie folgt:
1. Die Stadt Offenbach am Main beanstandet das Raumordnungsverfahren
zum Neubau eines Steinkohlekraftwerks (Block 6) am Standort
Großkrotzenburg formal, da die ausgelegten Unterlagen in Band E
(„Alternativenprüfung“) unvollständig sind.
Es wird daher eine erneute Auslegung der vervollständigten
Verfahrensunterlagen gefordert.
2. Inhaltlich sieht die Stadt Offenbach am Main in o. g. Vorhaben der E.ON
Kraftwerke GmbH eine Beeinträchtigung der regionalen Siedlungsstruktur,
da der Grundsatz 5.5-1 des wirksamen Regionalplans Südhessen, nachdem
im Verdichtungsraum grundsätzlich Luftverunreinigungen reduziert werden
sollen, unberücksichtigt bleibt. Vielmehr sind mit dem Vorhaben nochmals
zusätzliche Luftverunreinigungen verbunden, die sich nachteilig auf die
Lebensqualität in Offenbach und somit auf die Wohnfunktion des
Oberzentrums auswirken können.
Daher macht die Stadt Offenbach negative Auswirkungen auf ihre siedlungs-
strukturelle Bedeutung in der Region geltend.
3. Der Wertung in den Unterlagen zum o. g. Raumordnungsverfahren, die
prognostizierten Zusatzbelastungen seien unerheblich, da sie sich i. d. R.
(jedoch keineswegs bei allen Stoffgruppen) unterhalb von Irrelevanz-
schwellen bewegen, wird von der Stadt Offenbach nicht geteilt: Schließlich
ist diese Wertung der Gutachter für Offenbach nicht belegt, da im
Untersuchungsgebiet des Raumordnungsverfahrens auf Offenbacher
Gemarkung keine Messstelle zur Ermittlung der Vorbelastung eingerichtet
und keine darauf bezogenen Ausbreitungsberechnungen der Zusatz-
belastungen vorgelegt wurden.
Die Stadt Offenbach fordert daher die Einrichtung einer Messstelle, die am
Aufpunkt mit der höchsten zusätzlichen Immissionsbelastung installiert wird.
Das Messprogramm ist analog zu den bisher eingerichteten 10 Messpunkten
mit der gleichen Parameterliste über einen Zeitraum von einem Jahr
durchzuführen und in das künftige Monitoring zum Vorhaben einzubeziehen.
4. Die Stadt Offenbach fordert für das Kraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg
die Festlegung eines konkreten CO2-Minderungszieles mit Zeitschiene bis
2020 und transparenten Regelungen zur Zielsicherung, sowie einen
Nachweis über Kompensationsmaßnahmen.
5. Als Ergebnis des Scoping-Verfahrens hat das Regierungspräsidium
Darmstadt in seinem Anforderungsprofil für die im Raumordnungsverfahren
vorzulegenden Gutachten bzgl. der Umweltauswirkungen des Vorhabens
eine vergleichende Untersuchung von insgesamt neun Alternativen gefordert.
Die Stadt Offenbach weist darauf hin, dass die nunmehr vorliegende
Alternativenbetrachtung einseitig die betriebswirtschaftlichen Prüfkriterien der
E.ON Kraftwerke GmbH priorisiert und diese in einem gestuften
Wertungsverfahren zum frühzeitigen Ausschluss von lufthygienisch und
klimapolitisch günstigeren Alternativen nutzt. Eine detaillierte Auswirkungs-
analyse liegt damit nach wie vor nur für die drei von der E.ON Kraftwerke
GmbH bereits im Scopingverfahren angeführten technischen Alternativen am
Standort vor; die vom Regierungspräsidium nachgeforderten weiteren
Alternativenbetrachtungen wurden alle verworfen und nicht weiter vertieft.
Diese Vorgehensweise entspricht nicht einer seriösen und objektiven
Begutachtung des Vorhabens.
6. Das Untersuchungsgebiet des Raumordnungsverfahrens erstreckt sich auf
Offenbacher Gemarkung über ein Trinkwasserschutzgebiet.
Die Stadt Offenbach bezieht ihr Trinkwasser vom Zweckverband
Wasserversorung Stadt und Kreis Offenbach (ZWO), dessen
Trinkwasserbrunnen sich in Seligenstadt und somit in unmittelbarer Nähe
zum Kraftwerk befinden. Schadstoffeinträge und –anreicherungen können
grundsätzlich zu einer Belastung des Trinkwassers führen.
Die Stadt Offenbach fordert im Hinblick auf die langfristige Sicherung ihrer
Trinkwasserversorgung die Prüfung und den Ausschluss evtl.
Schadstoffeinträge in das Trinkwasser und – sofern noch nicht erfolgt - die
Beteiligung des ZWO im Raumordnungsverfahren.
Dem Magistrat der Stadt Offenbach am Main
Obenstehenden Beschlussauszug erhalten Sie unter Bezug auf § 66 HGO mit der Bitte um weitere Veranlassung.
Offenbach a. M., den 06.02.2009
Der Vorsteher der Stv.-Versammlung