Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt
Offenbach am Main
2001 - 2006
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Drucksachen-Abteilung II (A) Ausgegeben am 03.11.2004
Eing. Dat. 14.11.2004
Nr. 705/109
Dez.: III und Dez: II
Baden am Main
hier: Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 08.07.2004; DS I (A) 705/1
dazu: Magistratsvorlage Nr. 359/04 vom 13.10.2004
Die Stadtverordnetenversammlung hat am 08.07.2004 folgenden Beschluss gefasst:
Der Magistrat wird beauftragt, zu prüfen und zu berichten, welche Möglichkeiten es gibt, den Schultheisweiher in Zukunft im Sommer wieder zum Baden freigeben zu können. Insbesondere ist zu prüfen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um den Blaualgenbefall des Schultheisweihers in den kommenden Jahren zu reduzieren und die Funktion des Weihers als Badesee zu sichern. Dabei sind auch die Kosten der verschiedenen Varianten zu ermitteln und darzustellen.
Zudem soll geprüft werden, ob eine abgesicherte Schwimmmöglichkeit im Offenbacher Hafenbecken geschaffen werden kann.
Hierzu erstattet der Magistrat folgenden Zwischenbericht:
1. Reduzierung des Blaualgenbefalls im Schultheisweiher
In Gesprächen mit mehreren Gewässerökologen und Dienstleistungsunternehmen für Gewässersanierung, an denen neben dem federführenden Umweltamt das Sport- und Badeamt, das Stadtgesundheitsamt und, weil der gesamte See einschließlich der Uferzone als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, das Hessische Forstamt Rodgau sowie ein Vertreter des ehrenamtlichen Naturschutzes beteiligt waren, wurde übereinstimmend dargestellt, dass die in den Jahren 2003 und 2004 aufgetretenen Massenvermehrungen von Blaualgen durch schnellen Anstieg der Wassertemperatur begünstigt und durch hohe Nährstoffkonzentrationen im See verursacht wurden. Von den eingeladenen Experten wurden Vorschläge sowohl zur kurzfristigen Abhilfe wie zu
langfristig wirksamen Maßnahmen vorgetragen. Zusätzlich wurden von mehreren Institutionen und Einzelpersonen auf Grund der Presseberichte weitere Maßnahmen-vorschläge unterbreitet. Im Folgenden werden diese Vorschläge kurz erläutert und bewertet:
• Sichtung vorhandener Daten und Aufstellung eines Messprogramms
(ca. 6.000 €):
Das Angebot wird den Erfordernissen nicht gerecht, weil es noch keine
Messungen und keine Ausarbeitung von Abhilfevorschlägen umfasst.
• Bestandsaufnahme vorhandener Daten, Durchführung eines einjährigen
Analyseprogramms und Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen
(ca. 15.000 € bis 80.000 €): Die vorgeschlagene Vorgehensweise entspricht
nach übereinstimmender Einschätzung der Arbeitsgruppe den zu stellenden
Anforderungen. Bereits das preisgünstigste Angebot ist nachprüfbar und
seriös.
• Entschlammen und vertiefen (Kosten nicht beziffert): Auf Grund ein-
schlägiger Erfahrungen mit Kleingewässern wären für die Durchführung an
dem 12 Hektar umfassenden Schultheisweiher Aufwendungen in Höhe von
mehreren Millionen € zu erbringen. Wegen des Schutzgebietscharakters,
der erheblichen Eingriffe in den Naturhaushalt und der Höhe der Kosten
kann der Vorschlag nicht befürwortet werden.
• Steuerndes Eingreifen in den Nährstoffkreislauf (Nahrungsnetzsteuerung,
120.000 €): Die Maßnahme kann erst nach Ursachenanalyse und nur in
Kombination mit den nachfolgenden Maßnahmen Erfolg versprechend
eingesetzt werden.
• Phosphat- (Nährstoff) Fällung mit Aluminium oder Eisenverbindungen
(170.000 bis 410.000 €): Die Maßnahme kann erst nach Ursachenanalyse
und Ermittlung der gewässerchemischen und -physikalischen
Randbedingungen empfohlen werden und verspricht nur in Verbindung mit
einer Beeinflussung des Nährstoffkreislaufs nachhaltigen Erfolg.
• Wasserumwälzung und Reinigung über Bodenfilteranlage (mindestens
560.000 €): Zur Bemessung einer solchen Anlage ist die Ursachenanalyse
unumgänglich. Ansonsten verspricht dieser Vorschlag guten Erfolg, setzt
allerdings umfangreiche landschaftsbauliche Maßnahmen voraus. Der
genannte Preis enthält noch keine Angaben über laufende Betriebskosten.
• Einbringen von „energetisch angereichertem" Quarzmehl (250.000 €; bei
Einsatz von jährlich 50.000 € über 5 Jahre): Für dieses Verfahren gibt es
keine naturwissenschaftlich fassbare Begründung. Der Anbieter hat
lediglich ältere Referenzen benannt.
• Einpumpen von Mainwasser (Kosten nicht bezifferbar): Abgesehen von
gewässerhygienischen Bedenken (siehe unten) würde dieses Verfahren
durch Einschleppung von Fließwasserbewohnern zu nicht absehbaren, auf
jeden Fall aber erheblichen Veränderungen von Unterwasserflora und
Fauna im See führen und hätte deswegen keine Aussicht auf Genehmigung
durch die obere Naturschutzbehörde. Hinzu kommt, dass die erforderliche
Pumpenleistung nach Auskunft der Berufsfeuerwehr Offenbach nicht
bereitgestellt werden kann.
• Einspeisung von Grundwasser aus Brunnen (Kosten nicht bezifferbar): Die
erforderlichen Wassermengen könnten ohne erhebliche Eingriffe in den
Bodenwasserhaushalt der gesamten Umgebung mit möglichen
Folgeschäden für Hochbauten, Landwirtschaft und den Naturhaushalt nicht
gefördert werden. Leistungsfähige Pumpen und Entnahmebrunnen sind
nicht verfügbar.
• Sedimentbelüftung (Kosten nicht bezifferbar): Das Verfahren könnte in
Verbindung mit anderen Maßnahmen Erfolg versprechen, doch hängt die
Dimensionierung der erforderlichen Anlagen von den Ergebnissen der
Ursachenanalyse ab. Derzeit läuft an einem Kleingewässer ein Pilotprojekt,
über dessen Erfolge bis Ende des Jahres ein Zwischenbericht gegeben
werden kann.
• Einsatz von Jetskiern (elektrische Wasserskianlage im Kreisverkehr; keine
Kosten): Das Vorhaben ist wegen der damit auf Dauer verbundenen
Beunruhigungen des Naturschutzgebiets und seines gewerblichen
Charakters (gewerbliche Freizeitanlage) seitens der oberen
Naturschutzbehörde nicht genehmigungsfähig. Außerdem ist der zu
erreichende Sauerstoffeintrag auf die obersten Wasserschichten begrenzt.
Aus Sicherheitsgründen müsste der Badebetrieb stark eingeschränkt oder
eingestellt werden.
• Absaugen der Algen (Kosten nicht bezifferbar): Da es sich bei den aufgetretenen
Blaualgen nicht um fädige oder flächige Verbände handelt, käme nur eine aufwendige
Filterung in Betracht, die ständig einen Wasserkörper von schätzungsweise 180.000
m3 umwälzen müsste (zum Vergleich: ein übliches Wettkampfschwimmbecken fasst
maximal 2.500 m3). Dabei käme es nur in geringem Maße zum Entzug von
Nährstoffen.
Die Diskussion der Vorschläge in dem vorgenannten Kreis führte zu der gemeinsamen Einschätzung, dass vor Einleitung von Abhilfemaßnahmen und der Abgabe einer Zukunftsprognose eine Analyse der Faktoren erfolgen müsse, die zu dem kritischen Zustand des Sees geführt haben. Zu prüfen seien hier insbesondere Nährstoffanreicherung durch natürliche Verlandungsprozesse, Einträge von Nährstoffen durch Niederschläge („saurer Regen"), aus benachbarten Landwirtschaftsflächen, durch Wasservögel sowie durch undiszipliniertes Verhalten von Badegästen. Unverzichtbar sei auch die Untersuchung der Beziehung des Sees zum Grundwasserkörper und des Austauschzyklus des Seewassers. Weiterhin sei zu prüfen, ob ein unausgewogener
Fischbestand und/oder Fehlbestände bei der Unterwasservegetation zu Störungen im natürlichen Stoffkreislauf beitragen und somit die Nährstoffanreicherung fördern. Zur Erhebung dieser Daten ist nach Aussagen der konsultierten Experten ein längerer Untersuchungszeitraum, im Idealfall mindestens ein vollständiger Jahreszyklus, erforderlich. Um die Untersuchungsergebnisse nicht zu verfälschen, sei es wünschenswert, den Badebetrieb, soweit unter hygienischen Aspekten möglich, während der Untersuchungen aufrecht zu erhalten.
Ohne diese Grundlagen kann es nach übereinstimmender Einschätzung aller Beteiligten nicht zur Einleitung ökologisch und ökonomisch vertretbarer Abhilfemaßnahmen kommen.
Die vorstehend beschriebenen Untersuchungen, die auch die Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen zur Sicherstellung des künftigen Badebetriebes umfassen, sind werden bereits durch das preisgünstigste Angebot in Höhe von 15.000.- € abgedeckt. Die Vergabe des Gutachtens wird derzeit vorbereitet. Kosten für durchzuführende Maßnahmen können erst nach Vorlage der Handlungsempfehlungen seriös kalkuliert werden.
Ansonsten kann mitgeteilt werden, dass, begünstigt durch die kühlere und feuchtere Witterung, in der Badesaison 2004 nur zwei kurzfristige Sperrungen wegen Blaualgenmassenvermehrung erforderlich wurden.
2. Schaffung einer Bademöglichkeit im Hafenbecken
Die erneute Prüfung potenzieller Bademöglichkeiten im Main einschließlich des Offenbacher Hafenbeckens, das zum Wasserkörper des Mains zu rechnen ist, kam zu dem folgenden Ergebnis: Die Ausweisung von Badegewässern erfolgt durch die zuständige Wasserbehörde, im Fall der Stadt Offenbach durch das Regierungspräsidium Darmstadt als obere Wasserbehörde. Mit der förmlichen Ausweisung von Abschnitten des Mains im Bereich der Stadt Offenbach als Badegewässer erwächst der Stadt die Verpflichtung, die durch die Europäische Badewässerrichtlinie und die Badegewässerverordnung des Landes Hessen vom 15. Dezember 1998 (GVBI. l, S. 3 ff) zwingend vorgegebenen Grenzwerte für Wasserinhaltsstoffe und krank machende
Keime während der Badesaison einzuhalten. Über die förmliche Ausweisung als Badegewässer hinaus gelten nach Maßgabe der Badegewässerverordnung auch Gewässer oder Teile von Gewässern, „in denen das Baden von den zuständigen Behörden nicht untersagt ist und in denen üblicherweise eine große Anzahl von Personen badet" (wörtl. Zitat § 1 Abs. 2 Nr. 1b der Badegewässerverordnung), als Badegewässer, das heißt, dass die Stadt bereits durch die stillschweigende Duldung häufigeren Badebetriebs zu Überwachungs-maßnahmen verpflichtet wäre. Badegewässer müssen regelmäßig, das heißt in Abständen von höchstens 14 Tagen, auf den Gehalt an gesamt- und fäkalcoliformen Keimen, die das Ausmaß der fäkalen Verschmutzung des Gewässers beschreiben,
untersucht werden. Bei einer Überschreitung der vorgegebenen Grenzwerte ist die Schließung geboten. Entsprechende Untersuchungen des Mainwassers wurden sowohl von der Hessenwasser GmbH als auch dem Stadtgesundheitsamt Frankfurt/ Main mit Messstellen in Schwanheim und in Fechenheim regelmäßig durchgeführt. Dabei fanden sich durchgehend Überschreitungen der Grenzwerte für gesamt- und fäkalcoliforme Keime.
Diese Überschreitungen sind darauf zurückzuführen, dass der Main und seine Nebengewässer als Vorfluter für eine Vielzahl industrieller und kommunaler Kläranlagen dienen. Wegen ihrer Abwasserfrachten für Offenbach relevante Nebengewässer des östlichen Untermains sind Rodau (mit Bieber), Kinzig, Aschaff, Gersprenz und Mümling. Da in den angeschlossenen Kläranlagen unter den Bedingungen der derzeit praktizierten Klärwerkstechnik keine nennenswerte Reduktion der fäkalen menschlichen Flora erfolgt, gelangen insbesondere auch für Menschen gefährliche Krankheitserreger in für Badegewässer unzulässig hohen Konzentrationen ständig in die Vorfluter. Eine Verbesserung der Leistung der
angeschlossenen Kläranlagen hinsichtlich der mikrobiologischen Parameter könnte nur durch aufwendige Filtertechnik erreicht werden. Da innerhalb des Offenbacher Stadtgebiets Einleitungen keimbelasteter Abwässer in den Main nicht erfolgen, ist eine direkte Beeinflussung der im Main auftretenden Konzentrationen krank machender Keime hier auch nicht möglich. Eine Verbesserung der gewässerhygienischen Situation des Mains könnte somit nur durch eine konzertierte Aktion der Anliegergemeinden im mittleren und östlichen Untermaingebiet erreicht werden. Über den Umfang der notwendigen Investitionen können keine verlässlichen Angaben gemacht werden.
In Beantwortung einer früheren Anfrage im Jahr 2002 wurde die Eignung des Mainwassers zum Baden aufgrund der oben genannten Untersuchungsbefunde vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten (Az: III 4 - 79g 02.05.13-2126/02) eindeutig mit einem Nein beantwortet.
Unter Berücksichtigung der langen und wechselvollen Nutzungsgeschichte des ehemaligen Offenbacher Industriehafens kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die primär untergeordnete Rolle der Konzentration chemischer Parameter des Mainwassers unter den speziellen Bedingungen des Offenbacher Hafenbeckens noch einer eingehenden Überprüfung bedarf (z.B. frühere Schiffs-, Ölunfälle, unbekannte Auffüllungen etc.). Insbesondere können weitere Auslaugungen möglicherweise kontaminierter Auffüllungen im Hochwasserfall nicht sicher ausgeschlossen werden.
(siehe auch DS I (A) 607 und DS I (A) 452/1)