Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2001 - 2006


Drucksachen-Abteilung I (A) Ausgegeben am 03.03.2005

Eing. Dat. 02.03.2005

 

Nr. 816/1

 

 


Bildung des Regionalkreises Rhein-Main/Neuordnung der Rhein-Main Region
Ergänzungsantrag SPD, Bündnis90/Die Grünen und FWG vom 25.02.2005,
DS I (A) 816/1

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Antragstenor wird wie folgt ergänzt:

Die Notwendigkeit, zur Sicherung der Wohlfahrt der Menschen und der ökonomischen sowie finanziellen Zukunftsfähigkeit der Kommunen in der Region Rhein-Main eine umfassende Regionalreform zu verwirklichen, wird angesichts des sich beschleunigenden Wettbewerbs der Regionen in Deutschland und in Europa immer drängender.

Die Stadtverordnetenversammlung nimmt bedauernd zur Kenntnis, dass die CDU-Landesregierung und die CDU-Mehrheit im Hessischen Landtag bislang nicht bereit waren, den objektiven Handlungsnotwendigkeiten zu entsprechen und eine umfassende Regionalreform zu verwirklichen.

Die Stadtverordnetenversammlung nimmt positiv zur Kenntnis, dass die Stadt Frankfurt einen Beschluss zur Bildung des Regionalkreises gefasst hat. Mit dieser regionalpolitischen Positionierung hat die Stadt Frankfurt lediglich verbal bemäntelte Eingemeindungsvorstellungen (Stadtkreis oder Regionalstadt) aufgegeben.

Die Stadt Offenbach spricht sich ebenfalls für die Bildung des Regionalkreises Rhein-Main, die Schaffung eines dreistufigen Verwaltungsaufbaus mit den Ebenen Kommune, Regionalkreis und Land sowie für die Schaffung eines direkt gewählten Parlamentes aus.

Die Stadtverordnetenversammlung ist sich bewusst, dass sich die Bildung eines Regionalkreises, die damit verbundene Auflösung der Landkreise und des RP sowie der Verlust der Kreisfreiheit der Großstädte realistischerweise nicht mehr bis zur nächsten Kommunalwahl im Frühjahr 2006 umsetzen lässt.

Die Stadtverordnetenversammlung spricht sich dafür aus, nicht noch mehr Zeit durch Abwarten und Tatenlosigkeit zu verlieren.  Die regionalpolitische Übergangszeit bis zur übernächsten Kommunalwahl 2011 muss deshalb für erste Teilreformen genutzt werden.

Die Stadtverordnetenversammlung fordert daher die Offenbacher Landtagsab-geordneten auf, auf die Landesregierung einzuwirken, dass der Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main zur Vorbereitung der umfassenden Regionalreform schnellstmöglich alle dafür notwendigen Kompetenzen erhält.


Begründung:

Die Notwendigkeit einer Regionalreform, die den politischen und administrativen Rahmen von Rhein-Main endlich an eine veränderte Wirklichkeit anpasst, ist auf abstrakter Ebene in Politik, Wirtschaft und Publizistik weitgehend Konsens.

 

Es ist unbestritten, dass die historisch gewachsenen Grenzen der Städte und Gemeinden in der Region den tatsächlichen Verflechtungen in Wirtschaft und Gesellschaft, dem alltäglichen Verhalten der Menschen nicht entsprechen. In den  traditionellen Strukturen sind offenkundig die Herausforderungen einer globalisierten Wirtschaft mit einer ungebremsten Tendenz zur Beschleunigung, die Entwicklung zu einem Europa der Regionen mit einer einheitlichen Währung und einer wachsenden Konkurrenz der Regionen untereinander nicht zu bewältigen.

 

Die Rhein-Main Region gehört zu den prosperierendsten Teilen der EU, trotz der zersplitterten und intransparenten Verwaltungsstrukturen. Um das hohe Niveau auch in der Zukunft halten zu können, müssen neue, verbindliche Handlungs- und Integrationsstrukturen geschaffen werden: Die Region braucht eine neue politisch-administrative Verfassung, will sie im Wettbewerb der Regionen erfolgreich bestehen. Die Region braucht demokratische Strukturen, sie braucht ein starkes Parlament, da das bislang weitgehend fehlende Regionalbewusstsein ohne Partizipation sich nicht entwickeln kann.

 

Der objektive gegebene Entscheidungsdruck wird allerdings von der Landespolitik bislang nur unzureichend verarbeitet. Die Bildung des Planungsverbandes Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main ist keine angemessene Antwort auf die offene Frage der Neuorganisation der Region. Hier hat es erkennbar am Mut zu einer zukunftsfähigen Lösung gefehlt.

 

Das Stadt-Umland-Problem in der Region Rhein-Main ist ungelöst und im Rahmen der bestehenden Strukturen auch kaum lösbar: Angesichts der Finanzprobleme vieler Kommunen - die allerdings deutlich unterschiedlich ausgeprägt sind - und der strukturellen Auseinanderentwicklung der Kernstädte und des Umlands sind die Interessenlagen in der Region nicht parallel gerichtet, sondern konfliktgeladen nach der Logik eines Nullsummenspiels ausgerichtet. Unverzichtbarer Bestandteil einer inhaltlichen und organisatorischen Neuordnung der Region muss deshalb ein regionaler Finanzausgleich sein, der sowohl einen Einnahmenausgleich herstellt wie die regionale Finanzierung von Sozialausgaben regelt. In einem solchen umfassenden Finanzausgleich kann dann auch die regionale Finanzierung von notwendiger Infrastruktur, von Kultur- und Freizeiteinrichtungen umgesetzt werden.  Mit einem regionalen Finanzausgleich besteht die Chance, die bisherigen Muster einer egoistisch-instrumentellen Regionalpolitik zu überwinden.

 

Von allen vorliegenden Modellen zur Neuordnung der Verwaltungsstrukturen in der Region hat ein Regionalkreis das größte Potential, zu einer guten Entwicklung der Region beizutragen. Ein Regionalkreis mit einem Regionalparlament ist einer funktionalen Integration der Region durch eine Vielzahl von unterschiedlichen geschnittenen Zweckverbänden, wie es die Logik des Vorgehens der Landesregierung ist, wegen der besseren Steuerungsfähigkeit überlegen. Eine größere Zahl von Zweckverbänden würde zu einer weiteren Fragmentierung der Politik beitragen. Zudem erschweren sie eine regionale Entwick­lungsstrategie, weil jeder Zweckverband auch institutionelle Eigeninteressen vertritt, die regionale Entscheidungsprozesse immer komplizierter und schwerfälliger machen. Wie diese Zwangs-Zweckverbände im regionalen Interesse gesteuert werden sollen, wie dies zum Leitbild einer schlanken und transparenten Verwaltung der Region passt, ist völlig ungeklärt.

 

Mit einem direkt gewählten Regionalparlament erhält die regionale Politik die notwendige Legitimationsbasis im Sinne der repräsentativen Demokratie. Der regionale Zusammenhang, in dem zukünftig Politik in der Region stattfinden soll, muss als solcher auch die Basis der politischen Willensbildung sein.