Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2001 - 2006


Drucksachen-Abteilung II (A) Ausgegeben am 04.10.2005

Eing. Dat. 15.09.2005

 

Nr. 862/141

 

Dez.: III

 

 

Mehr Sicherheit im Straßenverkehr durch fußgängerfreundlichere Ampelschaltung
in Offenbach
hier:   Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 07.07.2005, DS l (A) 862
dazu: Magistratsvorlage Nr. 332/05 vom 14.09.2005


Die Stadtverordnetenversammlung hat am 07.07.2005 folgenden Beschluss gefasst:

Der Magistrat wird beauftragt zu prüfen und zu berichten:

1. ob die Grünphasen von Lichtzeichenanlagen für Fußgänger so gestaltet bzw.
    verlängert werden können, dass insbesondere Kinder und ältere Menschen auch
    mehrspurige Straßen in einem Zug sicher innerhalb der Grünphasen überqueren
    können.

2. ob die Wartezeiten für Fußgänger und Radfahrer an Bedarfsampeln so gestaltet
    werden können, dass die Wartezeit 30 Sekunden nicht übersteigt – möglichst
    darunter liegt.


Hierzu berichtet der Magistrat:

 

Einleitung:

 

Die Lichtsignalsteuerung ist eine wichtige betriebliche Maßnahme zur Abwicklung des Straßenverkehrs. Mit einer Lichtsignalanlage wird unmittelbar in den Verkehrsablauf eingegriffen, indem Verkehrsströme, dazu gehören auch die Fußgänger, mit gemeinsamen Konfliktflächen abwechselnd angehalten oder freigegeben werden.

 

In Offenbach bestimmt die Lichtsignalsteuerung maßgeblich die Verkehrsabwicklung

im gesamten Straßennetz. Sie ist damit ein wichtiges Instrument im Rahmen eines

übergeordneten Verkehrskonzepts, bei dem Maßnahmen zur Beschleunigung des
öffentlichen Personennahverkehrs, zur sicheren Führung des Fußgänger- und Radverkehrs, zur Bündelung der Kraftfahrzeugströme auf bestimmten Routen usw. ineinandergreifen.

 

Lichtsignalanlagen sind Verkehrseinrichtungen im Sinne der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und für den Betrieb sind Richtlinien und Erlasse zu beachten.

 

 

Begriffsbestimmungen:

 

Zwischenzeit: Von zentraler Bedeutung beim Entwurf eines Signalprogramms ist die
           Berechnung der Zwischenzeiten zwischen endenden und beginnenden Ver-
           kehrsströmen, die eine gemeinsame Konfliktfläche aufweisen.

Grünzeit = Freigabezeit eines Verkehrsstroms.

Rotzeit = Sperrzeit eines Verkehrsstroms.

Umlaufzeit: Die für ein Signalprogramm mindestens erforderliche Zeit, die sich ergibt
            aus der Summe der maßgebenden Freigabezeiten (Grünzeiten) am Knotenpunkt
            und den dazwischen liegen den Zwischenzeiten. Das bedeutet, dass alle Ver-
            kehrsströme einmal in jedem Umlauf bedient werden müssen. Ausnahme: Sie
            werden nur auf Anforderung geschaltet.

Voraussetzung für eine Grüne Welle im Netz oder einem Straßenzug ist die gleichgroße Umlaufzeit an allen Knotenpunkten. Die beträgt bei uns in der Regel 80 Sekunden.

Signalzeitenplan: Darstellung aller Grün-, Rot- und Zwischenzeiten eines Knotenpunk-

tes hinsichtlich Dauer und Zuordnung während einer Umlaufzeit.

Phase: Darunter versteht man denjenigen Teil eines Signalprogramms, während
dessen ein bestimmter Grundzustand der Signalisierung unverändert bleibt.

Dabei brauchen die Freigabezeiten der einzelnen Verkehrsströme nicht zu

denselben Zeitpunkten beginnen oder enden.

Phasenübergang: Die Zeitdauer zwischen dem Signalbild der endenden Phase und
            dem Signalbild der beginnenden Phase.

Räumweg: Der Weg in Meter zwischen dem Beginn und dem Ende der Fußgängerfurt,
            gemessen in der Furtmitte.

Räumzeit: Das ist die Zeitdauer für das Zurücklegen des Räumweges mit einer festge-
            setzten Räumgeschwindigkeit. Bei Fußgängern wird im Allgemeinen mit einer
            Räumgeschwindigkeit von 1,2 m/s gerechnet. Wo Furten überwiegend dem
            Schutz für Behinderte oder ältere Menschen eingerichtet werden, sollte ein

niedriger Wert gewählt werden; eine rechnerische Räumgeschwindigkeit von 1,0
            m/s sollte aber nicht unterschritten werden, weil dies zu Räumzeiten führt, die
            von den übrigen Verkehrsteilnehmern deutlich als zu lang empfunden werden.
            Der Höchstwert der Räumgeschwindigkeit beträgt 1,5 m/s und darf nur in

Ausnahmefällen angewendet werden.

Bei Fußgängerüberwegen ist zur Grünzeit die Räumzeit hinzuzurechnen. In
dieser Zeit muss der Verkehrsstrom, der mit den Fußgängern eine gemeinsame
Konfliktfläche aufweist, noch gesperrt bleiben. Zusätzlich ist zu gewährleisten,
dass während der angezeigten Grünzeit rechnerisch mindestens die halbe Fahr-
bahnbreite mit der normalen Gehgeschwindigkeit (1,2 s/m) zurückgelegt werden kann und dass Fußgänger, die in der letzten Grünsekunde die Fahrbahn betreten, während der Räumzeit die gesamte Fahrbahn überqueren können.

Grüne Welle: Für die Steuerung des Verkehrsablaufs durch Lichtsignalanlagen ist die
Grüne Welle von besonderer Bedeutung. Sie wird durch Koordinierung der Sig-
nalprogramme benachbarter Knotenpunkte erreicht, bei der die Mehrzahl der
Fahrzeuge unter Einhaltung einer bestimmten Geschwindigkeit mehrere Knotenpunkte ohne Halt passieren kann. Bei der Planung müssen die Belange des individuellen Kraftfahrzeugverkehrs, der öffentlichen Verkehrsmittel, der Fußgänger und Radfahrer beachtet werden. Die angemessene Berücksichtigung der verschiedenen Verkehrsteilnehmergruppen bedeutet, dass zeitlich und örtlich
differenzierte Kompromisslösungen gefunden werden müssen, damit keine Gruppe unzumutbar benachteiligt wird.

Die Grüne Welle im Netz oder einem Straßenzug dient vorwiegend dazu, Reise-
zeiten zu verringern, Fahrkomfort zu verbessern, Kraftstoffverbrauch zu senken
und die Umwelt möglichst wenig durch Lärm und Schadstoffen zu beeinträch-
tigen.

Fußgängerschutzanlagen: Lichtsignalanlagen, die ausschließlich dem Schutz der Fuß-            gänger dienen und die, je nach Standort und Fußgängeraufkommen, nur auf

besondere Anforderung Grün erhalten oder in jedem Signalplanumlauf einmal

bedient werden.

Fahrbahnteiler (Mittelinsel): Diese werden in Knotenpunktszufahrten eingebaut, um den
            Kfz-Verkehr zu führen und/oder dem Fußgänger beim Überqueren der Straße
            eine Hilfe zu geben. Erforderlich werden Fahrbahnteiler bei der Fußgängersigna-
            lisierung, wenn die Freigabe- und Räumzeit nicht so lang gegeben werden

können, dass die Fußgänger die ungeteilte Fahrbahn während einer Phase

überschreiten können, oder das Überqueren der Straße in einer Phase wegen

eines starken Versatzes der gegenläufigen Grünzeiten bei einer Grünen Welle
des Kfz-Verkehrs nicht möglich ist. Hier spricht man dann von „gestaffelten“
Übergängen.

 

Bericht:

 

zu 1.: 

Bei allen 136 Lichtsignalanlagen im Offenbacher Stadtgebiet können die Fußgänger die Straßen im Bereich der Fußgängerfurten während der Grünzeit und anschließenden Räumzeit, die mit der allgemeinen Räumgeschwindigkeit von 1,2 m/s berechnet ist,

überqueren. Im Bereich von Grundschulen und Kindertagesstätten wird die Räumgeschwindigkeit 1,0 m/s zugrunde gelegt.

 

Zudem werden häufig die Fußgängergrün- und Räumzeiten noch durch ein gelbes Blinklicht angezeigt.

 

Bei den gestaffelten Übergängen, wo die Richtungsfahrbahnen durch einen Fahrbahnteiler getrennt sind, ist eine kontinuierliche Überquerung der beiden Fahrbahnen nicht immer möglich. Änderungen sind nur mit einem erheblichen Eingriff in die Grünen Wellen des Autoverkehrs und der Busbeschleunigung möglich, denn alle gestaffelten Übergänge befinden sich auf Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen und werden auch von Bussen im Linienverkehr befahren.

 

Es gibt derzeit in Offenbach etwa 75 gestaffelte Übergänge an Knotenpunkten mit Lichtsignalanlagen. Bei etwa der Hälfte dieser Übergänge ist ein kontinuierlicher Übergang, zumindest in einer Richtung, möglich, wenn bei Beginn des Fußgängergrüns

losgegangen wird.

 

Bei einigen Übergängen ist eine geringe Wartezeit (bis zu 15 Sek.) auf der Mittelinsel erforderlich. Bei den restlichen gestaffelten Übergängen ist ein kontinuierlicher Wechsel ohne Wartezeit auf der Mittelinsel nicht möglich, weil hier der Grünen Welle und der Busbeschleunigung eine höhere Priorität eingeräumt wurde.

 

Änderungen in der Struktur der Signalprogramme bei busbeschleunigten Lichtsignalanlagen erfordern einen hohen zeitlichen Aufwand für Programmierarbeiten und sind daher sehr kostenintensiv. Um z.B. eine Grüne Welle aufrecht zu erhalten, sind dann auch an den benachbarten Knotenpunkten die Signalprogramme umzurechnen und neu zu programmieren. Je nach Größe und Aufwand der Änderung und des Programmieraufwands ist pro Lichtsignalanlage mit Kosten zwischen 5.000 und 15.000 Euro zu rechnen.

 

zu 2.:

In Offenbach gibt es zurzeit 37 Lichtsignalanlagen, die nur dem Schutz der Fußgänger dienen. Darunter fallen auch 6 Anlagen, bei denen zusätzlich der Kfz-Verkehr aus einer Nebenrichtung nur auf Anforderung geschaltet wird.

Von diesen Fußgängerschutzanlagen laufen 6 Anlagen ohne Anforderung. D.h., in jedem Signalplanumlauf wird der Fußgängerübergang einmal bedient. Diese 6 Anlagen befinden sich in verschiedenen Grünen Wellen.

15 Fußgängerschutzanlagen laufen in Grüner Welle und nur auf Anforderung durch Fußgänger. Das kann im ungünstigsten Fall zu Wartezeiten bis zu 100 Sekunden

führen, nämlich dann, wenn bei Anforderung gerade der günstigste Anforderungspunkt überschritten wurde und ein Umlauf abgewartet werden muss. Bei diesen 15 Anlagen wäre es möglich, mit einem finanziellen Aufwand von ca. 850 Euro pro Anlage, auf eine „Daueranforderung“ umzustellen. D.h., in jedem Signalplanumlauf wird der Fußgänger einmal bedient. Der Nachteil dieser Regelung ist, dass bei diesen Anlagen das Fuß-gängeraufkommen in der Regel gering ist und es dann häufig passieren wird, dass der Fußgängerüberweg Grün erhält und Autofahrer anhalten müssen, obwohl kein Fußgänger quert.

Die restlichen 16 Fußgängerschutzanlagen laufen auf Anforderung außerhalb Grüner Wellen. Diese Anlagen sind so programmiert, dass im Normalfall nach 6 bis 8 Sekunden das Fußgängergrün kommt. Wird nach dem gezeigten Grün sofort eine 2. Anfor-derung getätigt, dauert es je nach Umlaufzeit der Anlage, 25 bis 65 Sekunden bis zum erneuten Grün. Die Umlaufzeiten dieser Anlagen sind unterschiedlich. Eine Anlage hat einen Signalplanumlauf von 55 Sekunden, 7 Anlagen von 60 Sekunden, 1 Anlage von 75 Sekunden und 7 Anlagen von 80 Sekunden.

Die 8 zuletzt genannten Lichtsignalanlagen, deren Umlaufzeit mehr als 75 Sekunden beträgt, könnten mit einem finanziellen Aufwand von ca. 800 Euro pro Anlage auf einen geringeren Umlauf programmiert werden. Dann würden die Wartezeiten, die nach einer sofortigen 2. Anforderung durch Fußgänger auftreten, zwischen 25 und 40 Sekunden betragen.

 

Eine Aufstellung der 37 Fußgängerschutzanlagen ist dieser Antwort als Anlage beigefügt.

 

Für eine Einzelfallprüfung benötigt das Straßenverkehrsamt die Benennung eines

konkreten Überganges oder einer konkreten Lichtsignalanlage.

 

Anlage: Fußgängerschutzanlagen in Offenbach