Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt
Offenbach am Main
2001 - 2006
Drucksachen-Abteilung II (A) Ausgegeben am 13.01.2006
Eing. Dat. 05.01.2006
Nr. 647/154
Dez.: III (Umweltamt)
„Gentechnikfreie Region"
hier: Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 17.06.2004, DS I (A) 647/1
dazu: Magistratsvorlage Nr.011/06 vom 04.01.2006
Die Stadtverordnetenversammlung hat am 17.06.2004 folgenden Beschluss gefasst:
I. Der Magistrat wird beauftragt,
1. umgehend öffentliche Dialogveranstaltungen zu initiieren sowie Gespräche
mit den landwirtschaftlichen Berufsvertretungen, Anbauverbänden sowie der
Agrarwirtschaft aufzunehmen mit dem Ziel, gemeinsam einen Maßnahmen-
katalog zu entwickeln, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von gen-
technisch veränderten Organismen in anderen Produkten zu verhindern.
2. für Gemeinschaftsverpflegungen und Kantinen im Verantwortungsbereich der
Stadt sicherzustellen, dass gentechnikfreie Lebensmittel angeboten werden.
Vor eventueller Einführung gentechnisch veränderter Lebensmittel sind die
Nutzer der Einrichtung zu befragen bzw. bei Verpflegung von Kindern ist die
Zustimmung der Erziehungsberechtigten einzuholen.
3. zu prüfen und zu berichten, ob im Rahmen von Pachtverträgen über
landwirtschaftliche Flächen der Stadt Offenbach an Landwirte, der Anbau von
gentechnisch veränderten Pflanzen bis auf Weiteres ausgeschlossen werden
könnte.
II. Die Stadt Offenbach appelliert an alle auf ihrer Gemarkung wirtschaftenden
Landwirte und an die Verpächter von landwirtschaftlichen Flächen, auf ihrer
Gemarkung die Einrichtung einer freiwilligen gentechnikfreien Region zu
vereinbaren.
Der Magistrat hat den Auftrag umgesetzt und berichtet dazu wie folgt:
zu 1.1.
Zurzeit befindet sich ein Praxishandbuch „Bio-Produkte ohne Gentechnik" für Erzeuger (Landwirte) und für Verarbeiter/Händler im Aufbau. Es soll bis Februar 2006 fertig gestellt sein, Teile des Handbuches stehen unter www.bioXgen.de als virtuelle Loseblattsammlung bereits zur Verfügung.
Das Praxishandbuch ist ein gemeinsames Projekt vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und Ökoinstitut e.V. Es wird von einem Praxisbeirat begleitet, dem Unternehmer aus Verarbeitung, Handel und Erzeugung angehören. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft im Rahmen des Bundesprogramms „Ökologischer Landbau" gefördert.
In diesem Praxishandbuch werden Grundlagen zur Gentechnik, Risiken und Vermeidungsstrategien dargelegt. Insofern existiert dieser Maßnahmenkatalog zur Verhinderung der Freisetzung von genmanipulierten Organismen (in Verbindung mit dem Anbau von genmanipulierten Pflanzen) weitgehend.
Ein öffentlicher Dialog, in dem auch die Problematik von unbeabsichtigt vorhandenen gentechnisch veränderten Organismen in Produkten thematisiert wurde, fand in Form eines offenen Diskussionsforums mit Vertretern der konventionellen Landwirtschaft und ökologisch orientierten Händlern und Verbrauchern im Rahmen der Ökomesse am 17. 07. 2005 statt.
Ein Ziel dieses öffentlichen Dialoges war es, sowohl Landwirte als Erzeuger als auch die übrige Bevölkerung als Verbraucher über die ökologischen, ökonomischen und gesundheitlichen Risiken der Verbreitung der gentechnisch veränderten Organismen über die gesamte Nahrungskette (vom Anbau genmanipulierter Pflanzen bis über den Verzehr von Produkten mit gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen) aufzuklären und die Landwirte zu ermutigen, auf den Anbau genmanipulierter Pflanzen zu verzichten bzw. die Verbraucher darin zu bestärken, keine Produkte mit gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen zu kaufen.
zu I.2.
Bei der Gewährleistung gentechnikfreier Gemeinschaftsverpflegung sind zwei Aspekte zu unterscheiden, da die Kennzeichnungspflicht einzelner Lebensmittel unterschiedlich geregelt ist.
a) Lebensmittel, die der EG-Kennzeichnungsverordnung nach dem Gentechnik-
gesetz unterliegen.
Bei ihnen kann die Verpackungsdeklaration auf gentechnisch veränderte
Inhaltsstoffe überprüft werden. Die Überprüfung ist im Rahmen eines
Eigenkontrollsystems möglich (z. B. Checklisten für die Wareneingangsprüfung
und jährliche Stichprobenkontrollen). Das Eigenkontrollsystem
(Ernährungskonzept) ist bei der Offenbacher Klinik Management GmbH (OKM)
und ihrer Lieferanten vorhanden - entsprechende Bestätigungen der Lieferanten
liegen der OKM vor. Die OKM hat außerdem in ihr Ernährungskonzept
aufgenommen, dass nur noch - sofern ausgezeichnet - Lebensmittel eingekauft
werden, die nicht gentechnisch verändert sind. Damit ist bei OKM die
Gentechnikfreiheit gewährleistet.
Desgleichen hat der Eigenbetrieb Kindertagesstätten Offenbach (EKO) in sein
Ernährungskonzept aufgenommen, dass nur Lieferanten von Fertigessen
beauftragt werden, die zertifiziert garantieren, dass keine gentechnisch
veränderten Lebensmittel von ihnen verwendet bzw. geliefert werden. Insoweit in
den Küchen der Kindertagesstätten des EKO beigekocht wird, dürfen nur, sofern
ausgezeichnet, Lebensmittel eingekauft werden, die nicht gentechnisch verändert
sind.
b) Produktgruppen, für die noch keine Auszeichnungspflicht besteht (Milch, Fleisch
und Eier).
Ab sofort sollen Produkte aus dieser Produktgruppe bei OKM und EKO eingekauft
werden, die per Zertifikat des Herstellers gentechnische Veränderungen
ausschließen - sofern sie nicht teurer als Produkte sind, die kein entsprechendes
freiwilliges Zertifikat des Herstellers enthalten.
zu 1.3.
Grundsätzlich ist es möglich, bei (privatrechtlichen) städtischen Pachtverträgen eine Klausel einzufügen, die den Unterzeichner verpflichtet, keine gentechnisch-veränderten Pflanzen anzubauen, da privatrechtliche Verträge dem Bürgerlichen Gesetzbuch BGB unterliegen - das heißt, die Parteien können bei beiderseitigem Einverständnis ihren Vertrag frei gestalten. Ab sofort wird vom städtischen Amt für Wirtschaftsförderung und Liegenschaften eine entsprechende Klausel in neue Pachtverträge eingefügt. Bei bestehenden Verträgen können die Pächter jedoch nicht zu einer Vertragsänderung gezwungen werden. Dies ist zurzeit auch nicht erforderlich, da die Pächter ausschließlich Gemüse anbauen, das in Bezug auf genmanipulierte Organismen unbedenklich
ist. Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen müsste zudem genehmigt bzw. an die Behörde gemeldet werden, die das Standortregister führt (siehe unten stehende Ausführungen zu II).
zu II.
In einem Schreiben an den Offenbacher Ortslandwirt wurde der Appell aus-gesprochen, auf gentechnisch verändertes Saatgut zu verzichten und sich im Rahmen einer gemeinsamen freiwilligen Vereinbarung für eine „gentechnikfreie Region Offenbach" auszusprechen. Auch die hierfür in Frage kommenden Offenbacher Landwirte bauen zurzeit keine gentechnisch veränderten Pflanzen an, wie das Standortregister des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (www.standortregister.de) bestätigt.