BEGRÜNDUNG
zur Satzung über die Gestaltung des Bürgeler Ortskerns
Stand: 18.08.2022
Magistrat der Stadt
Offenbach Dezernat IV
Bauaufsichtsamt Amt für Planen und Bauen
Berliner Straße 60
63065 Offenbach am Main
Inhalt
1 Anlass, Zweck und Ziel der Satzung (zu §1) 4
2 Rechtsrahmen und Wirksamkeit der Satzung (zu § 2 und § 3) 5
2.2 Räumlicher Geltungsbereich (zu § 2 (1)) 5
2.3 Anwendungsbereich (zu § 2 (2)) 7
2.4 Verhältnis der Gestaltungssatzung zu anderen Regelungen (zu § 2(3)) 7
3 Festsetzungen für den Bereich A (historischer Ortskern) (zu § 3 bis § 9) 8
3.4 Fenster- und Türöffnungen (zu § 6) 10
3.6 Freiflächen und Außenanlagen (zu § 8) 12
3.7 Technische Anlagen (zu § 9) 12
4 Festsetzungen für Bereich B (gründerzeitlicher Ortskern) (zu § 3 bis § 9) 14
4.4 Fenster- und Türöffnungen (zu § 6) 16
4.6 Freiflächen und Außenanlagen (zu § 8) 17
4.7 Technische Anlagen (zu § 9) 18
1 Anlass, Zweck und Ziel der Satzung (zu §1)
Der Bürgeler Ortskern ist trotz zahlreicher Eingriffe und starken Überformungen ein identitätsstiften-der sowie kultur- und architekturhistorisch wichtiger Bereich, der z. T. denkmalgeschützt ist. Er ist durch eine historische Fachwerkbebauung und eine gründerzeitliche Bebauung geprägt. Die größ-tenteils zweigeschossige, Fachwerkbebauung beeinflusst mit ihrer kleinteiligen Dachlandschaft und engräumigen Gassen das dörflich-landwirtschaftliche Ortsbild. Der angrenzende gründerzeitliche Ortskern wird geprägt durch eine meist zwei- bis dreigeschossige Bebauung. Die dortigen Wohn- und Geschäftsgebäude besitzen verputzte oder in Sichtmauerwerk ausgeführte durch Naturstein, Werkstein oder Klinker gegliederte Fassaden mit Erkern, Zwerchhäusern oder Ziergiebeln. Einige Bauten haben variantenreiche Fassadengliederungen mit z. T. Sandsteinelementen. Die gründerzeitliche Bebauung besitzt belebte, geneigte und geschlossene Dachlandschaften.
Die beiden Bereiche bilden mit ihren jeweils spezifischen Eigenschaften das charakteristische Bür-geler Ortsbild. Daher hat sich die Stadt Offenbach zum Ziel gesetzt, das Ortsbild und die Bausubstanz des Bürgeler Ortskerns durch eine Gestaltungssatzung zu erhalten, zu sichern und zu gestalten.
Die Gestaltungssatzung bildet dabei gemäß § 91 der Hessischen Bauordnung (HBO) das rechtliche Instrumentarium zur Sicherung dieser für Bürgel wesentlichen Merkmale städtebaulicher und archi-tektonischer Gestalt. Sie enthält Reglungen für Gebäude, Dächer, Fassaden, Fenster- und Türöff-nungen, Werbeanlagen, Freiflächen und Außenanalgen sowie technische Anlagen. Die Gestaltungs-satzung kann jedoch als kommunales Regelwerk kein Landes- oder Bundesrecht, wie z. B. Bauge-setzbuch (BauGB) oder Benutzungsverordnung (BauNVO), überschreiben. Daher bleiben die über-geordneten gesetzlichen Regelungen durch die Satzung unberührt. Zudem haben die denkmalpfle-gerischen Auflagen stets Vorrang vor der Satzung. Gleichwohl ermöglicht die Satzung den Erhalt und die Sicherung der charakteristischen Gestaltungsmerkmale Bürgels.
Die Satzung nimmt über die Zielsetzung des Bewahrens hinaus auch die Zukunft in den Blick. So hat sie auch zum Ziel, die wesentlichen Gestaltungsmerkmale Bürgels für die Zukunft zu fördern und einen angemessenen, gestalterischen Standard für die Zukunft zu etablieren. Hierfür wurden die Festsetzungen mit zeitgemäßen Wohn-, Lebens- und Versorgungsansprüchen sowie mit aktuellen Bemühungen um Klimaschutz und nachhaltiger Innenentwicklung austariert. Zudem stellt die Satzung eine praxisorientierte Planungshilfe dar und sensibilisiert für den Wert der historischen Strukturen.
Die inhaltlichen Grundlagen für die Festsetzungen der Gestaltungssatzung basieren auf der Denk-maltopographie sowie Arbeiten im Rahmen der Erstellung des Integrierten Stadtteilentwicklungskon-zepts für das Förderprogramm „Lebendige Zentren“. In diesem Zuge fanden 2016 und 2019 eine umfassende Kartierung sowie Analyse des Ortsbilds und der vorhandenen Bebauungsstrukturen statt. 2017 und 2020/ 21 erfolgte zudem eine breite Beteiligung der Bürgeler Zivilgesellschaft.
Die Umsetzung der Satzung wird durch das Förderprogramm „Lebendige Zentren“ und dessen Maß-nahmen begleitet. So werden Eigentümerinnen und Eigentümer fachlich durch einen Stadtteilarchi-tekten und finanziell durch ein Anreizprogramm unterstützt. Zudem unternimmt die Stadt Offenbach im Rahmen des Förderprogramms verschiedene Maßnahmen zur Sicherung sowie nachhaltigen und qualitätsvollen Entwicklung des Ortskerns. Die Satzung soll jedoch auch unabhängig davon über die Laufzeit des Förderprogramms hinaus ihre positive Wirkung auf die Sicherung des Ortsbilds entfalten.
2 Rechtsrahmen und Wirksamkeit der Satzung (zu § 2 und § 3)
2.1 Rechtsgrundlage
Die Hessische Bauordnung ermöglicht den Kommunen, bestimmte Vorgaben für bauliche Anlagen durch den Erlass von Satzungen als örtliche Bauvorschriften zu machen. Um Ziel und Zweck der Gestaltungssatzung nach Ziffer 1 zu erreichen findet die Satzung ihre einschlägige Rechtsgrundlage in § 91 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5, 6 und 7 HBO.
2.2 Räumlicher Geltungsbereich (zu § 2 (1))
Der räumliche Geltungsbereich der Gestaltungssatzung wurde aus der Ortsentwicklung Bürgels, wel-che noch heute im Stadtgrundriss sichtbar ist, abgeleitet. Auch fließen die Denkmaltopografie, die Kartierungen und Analysen des Ortsbilds und der vorhandenen Bebauungsstrukturen aus den Jahren 2016 und 2019 in die Abgrenzungen hinein. Es wird zwischen zwei Bereichen unterschieden. Sie stellen zwei stadträumlich und bauhistorisch in sich zusammenhängende Siedlungsbereiche dar, für die jeweils spezifische Festsetzung geregelt werden.
Die Keimzelle des heutigen Bürgels um die Kirche St. Pankratius ist noch heute an den engen Gassen im Stadtgrundriss räumlich gut ablesbar. Der Ortskern ist geprägt durch eine größtenteils zweigeschossige Fachwerkbebauung mit einer kleinteiligen, geschlossenen und steilen Dachlandschaft. Hier befindet sich auch die denkmalgeschützte „Gesamtanlage Alte Ortskern Bürgel“, die auch einige Einzelkulturdenkmäler beinhaltet. Im Süden begrenzt die noch in einigen Teilen vorhandene Ortsbefestigung den historischen Ortskern. Entsprechend wurde der Bereich zwischen Maindeich und Arnoldstraße bzw. zwischen Stiftstraße und der Ortsmauer als Geltungsbereich A festgelegt.
An den historischen Ortskern grenzt östlich und südlich die gründerzeitliche Sieglungserweiterung, welche während der Industrialisierung entstand. Sie entwickelte sich u. a. entlang der Haupterschlie-ßungsachsen Offenbacher Straße, Langstraße und Von-Behring-Straße sowie Schönbornstraße. Durch die rasterförmigen Straßen ist dieser Bereich ebenfalls gut am Ortsgrundriss ablesbar. Die Straßen werden geprägt durch zwei- bis dreigeschossige Wohn- und Geschäftsgebäude mit beleb-ten, kleinteilig strukturierten Fassaden. Die Dachlandschaft ist typischerweise geneigt und geschlos-sen, aber zugleich z. B. durch Zwerchhäuser oder Eckbetonungen belebt. Stellenweise finden sich in diesem Bereich kleinere denkmalgeschützte Gesamtanlagen sowie Einzelkulturdenkmäler. Im Osten reicht der Bereich bis an die Von-Behring-Straße und im Norden bis an die Stiftstraße, bevor er durch einen städtebaulichen Bereich aus den Nachkriegsjahren abgelöst wird. Im Süden verschmälert er sich bis an die Bildstockstraße.
Der Geltungsbereich der Gestaltungssatzung orientiert sich auch am Programmgebiet der „Lebendi-gen Zentren“, bezieht jedoch in den Randbereichen darüberhinausgehend auch die Randbebauun-gen öffentlicher Straßen und Plätze mit in den Geltungsbereich ein.
Nachfolgende Abbildung der Stadt Offenbach stellt den Geltungsbereich der Satzung sowie das För-dergebiet der „Lebendigen Zentren“ dar.
2.3 Anwendungsbereich (zu § 2 (2))
Der inhaltliche Anwendungsbereich der Satzung bezieht sich auf alle Maßnahmen an baulichen An-lagen nach § 2 Abs. 1 und 2 HBO. Dies können z. B. Neubauten, An- und Umbau, Wiederaufbau sein. Auch Sanierungs-, Renovierungs-, Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und Modernisierungs-maßnahmen oder Aufstockungen fallen unter die Satzung.
Bauliche Anlagen können sein u. a. Baukörper, Dächer, Fassaden, Fenster und Türen. Auch techni-sche Anlagen (Solaranlagen, Antennen- und Satellitenanlagen), Grundstücksfreiflächen und deren Einfriedungen sowie Werbeanlagen fallen unter die Satzung.
2.4 Verhältnis der Gestaltungssatzung zu anderen Regelungen (zu § 2(3))
Im Geltungsbereich der Satzung befinden sich viele Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen. Diese sind in der Denkmaltopografie zu finden bzw. beim Landesamt für Denkmalpflege zu erfragen. Die Regelungen und Festsetzungen des Hessischen Denkmalschutzgesetzes (HDSchG) werden nicht durch die Satzung aufgehoben. Dies bedeutet, dass die denkmalpflegerischen Auflagen stets Vorrang vor dem Regelwerk dieser Satzung haben. Über das HDSchG können durchaus strengere Maßstäbe und weitergehende Anforderungen an die baulichen und technischen Anlagen gestellt wer-den. Alle Maßnahmen an Baudenkmalen und ihrer Nachbarschaft bedürfen der Genehmigung nach dem HDSchG.
Die Gestaltungssatzung kann als kommunales Regelwerk kein Landes- oder Bundesrecht, wie z. B. BauGB oder BauNVO, überschreiben. Daher bleiben die übergeordneten gesetzlichen Regelungen, insbesondere hinsichtlich des Brandschutzes, des Straßen- und Verkehrsrechts, des Bauplanungs-und Bauordnungsrechtes durch diese Satzung unberührt. Sie können nicht durch die Gestaltungs-satzung ersetzt bzw. aufgehoben werden.
Gerade durch viele kleine unpassende Maßnahmen, die in ihrer Gestalt in den öffentlichen Raum hineinwirken, kann das Ortsbild empfindlich gestört werden. Mit der Gestaltungssatzung besteht ein Werkzeug, um diese Maßnahmen gestalterisch zu regeln.
3 Festsetzungen für den Bereich A (historischer Ortskern) (zu § 3 bis § 9)
3.1 Baukörper (zu § 3)
Der historische Ortskern entwickelte sich aus einem bäuerlich geprägtem Dorf mit engen Gassen im Bereich zwischen Maindeich und Strackgasse. Typischerweise herrscht eine aufgelockerte und klein-teilige Anordnung der Gebäude. Damit Neubauten sich auch durch ihre Anordnung in den histori-schen Ortskern einfügen, ist die Entwicklung ihrer Firstrichtung aus der am Standort typischen First-richtung notwendig. Auch bei Aufstockungen ist die den Standort städtebaulich prägende Firstrich-tung wiederaufzunehmen.
Die kleinen, teils unregelmäßig zugeschnittenen Grundstücke führen zu einer Bebauung mit über-schaubarer Kubatur. Die Gebäudehöhe beschränkt sich weitgehend auf zwei Geschosse, sodass die Unterschiede zwischen den jeweiligen Traufkanten typischerweise gering sind. Daher sieht die Sat-zung für ein harmonisches Ortsbild vor, dass der maximale Unterschied zwischen benachbarten Traufkanten eine Höhe von 1,50 Meter nicht überschreitet. Sollte dies aufgrund einer zu großen Ge-samthöhe der angrenzenden Nachbarbebauung nicht möglich sein, ist die städtebaulich prägende Traufhöhe anzunehmen.
Durch die kleinteiligen Grundstücke ergeben sich zusammen mit einer historischen, variantenreichen Fassadengestaltung als überschaubare, individuelle Einheiten ausgebildete Gebäude. Ziel ist es, diese kleinteiligen, individuellen Gebäudeeinheiten zu erhalten und wiederaufzunehmen. Dies kann durch eine geringe Kubatur sowie durch eine Gliederung der Fassade mittels unterschiedlicher Farben und Materialien oder Fassadenelementen, wie z. B. Vor- und Rücksprünge, geschehen. Hierbei sind die Regelungen zur Fassadengestaltung (siehe 3.3 bzw. § 5) beachten.
3.2 Dächer (zu § 4)
Typisch für den historischen Ortskern Bürgels ist die relativ steile Dachlandschaft, daher gibt die Ge-staltungssatzung für Hauptgebäude, welche sich architektonisch durch eine vergleichsweise größere Kubatur auszeichnen, das Satteldach als grundsätzliche Dachform mit einer steilen Neigung von 40 bis 60 Grad vor. Um die weitgehend symmetrisch ausgeführte und ruhige Dachlandschaft nicht zu stören, muss die Dachneigung an beiden Seiten des Daches eines Baukörpers bzw. an den jeweili-gen Ortgängen einheitlich erfolgen. Dies soll z. B. eine 40 Grad Neigung an der einen Dachseite und eine 55 Grad Neigung an der anderen vermeiden.
Im historischen Ortskern sind vereinzelt besondere Dachformen, wie Mansarddächer, vorhanden. Sie wurden vor 1914 errichtet. Diese sind zu erhalten. Dahingegen können Gebäude, die sich den Haupt-gebäuden architektonisch durch eine kleinere Kubatur unterordnen, andere Dachformen besitzen. Dies können z. B. Flachdächer bei Garagen oder Pultdächer bei Schuppen sein.
Matte, naturrote Tonziegeleindeckungen prägen die Dachlandschaft des historischen Bürgeler Orts-kerns, daher werden Dacheindeckungen auf (Ton)Ziegel beschränkt. Die Farbe dieser soll einen ro-ten Farbton besitzen, welcher natürlich im Ausgangsmaterial (Ton) vorkommt. Auch sollen die Ziegel
eine matte Oberfläche besitzen, um störende Reflektionen zu vermeiden. Stellenweise sind im histo-rischen Ortskern Schieferdächer vorhanden. Diese sind zu erhalten. Sollten sie nicht mehr erhalten werden können, sind sie materialgleich zu ersetzen.
Eine Vielzahl von Materialien, Farben und Oberflächenstrukturen führt zu einer städtebaulich uner-wünschten Unruhe und stört das Erscheinungsbild der weitgehend ruhigen und einheitlichen Dach-landschaft. Daher sieht die Gestaltungssatzung für Neubauten, Dachneubauten und Aufstockungen eine einheitliche Eindeckung vor. Demnach müssen die jeweiligen Dachflächen, Gauben, Vordächer etc. die gleiche Farbe und das gleiche Material besitzen.
Um die charakteristische, geschlossene Dachlandschaft im historischen Bürgeler Ortskern nicht zu stören, sind Zwerchhäuser und Dacheinschnitte, wie z. B. Dachloggien oder Dachterrassen, ausge-schlossen. Dachflächenfenster sind hingegen erlaubt, um zeitgemäße Ansprüche an Wohn- und Le-bensqualität zu berücksichtigen. Jedoch regelt die Satzung ihre Platzierung und ihre Größe respek-tive ihren Flächenanteil an der jeweiligen Dachfläche, um eine Störung der geschlossenen Dachland-schaft zu reduzieren. So soll durch ein Abrücken der Fenster von 1,25 Meter zum Ortgang eine Rah-mung des Daches um die Fenster bestehen bleiben. Zudem darf der Flächenanteil aller Dachflächen-fenster nur ein Fünftel bzw. 20 % der jeweiligen Dachfläche ausmachen.
Auch Gauben sind in Hinblick auf die Förderung von Wohnnutzung und der damit einhergehenden Notwendigkeit von Belichtung der Dachräume erlaubt. Da das Dach als Abschluss der Fassade ein wesentliches Gestaltungsmerkmal eines Gebäudes ist und mit der Fassade korrespondiert, muss sich die Platzierung der Gauben jedoch für ein harmonisches Bild an den darunterliegenden Fenster-achsen orientieren. Idealerweise sind mehrere Einzelgauben einer großen Gaube vorzuziehen. Zu-dem soll keine gestalterische Unruhe durch eine Vielzahl unterschiedlicher Gauben entstehen. Je Baukörper soll nur eine Gaubenform verwendet werden. So sollen auf einem Dach beispielsweise Schlepp- und Satteldachgaube nicht nebeneinander verwendet werden.
3.3 Fassaden (zu § 5)
Besonders ortsbildprägend sind historische Fachwerkfassaden. Sie zeichnen sich durch ein sichtba-res, teilweise mit einfachen Schmuckelementen verziertes Holzgebälk aus. Entsprechend darf eine Fachwerkfassade nicht nachträglich verputzt oder verkleidet werden, außer wenn ein dauerhafter Erhalt ohne solche Maßnahmen in Frage steht. Sichtbares Fachwerk ist im Schadensfall zimmer-mannsmäßig zu reparieren. Einige Fassaden, insbesondere die Wetterseiten der Gebäude, sind or-namental verschiefert. Auch diese Fassadengestaltung ist als Element der ortsbildprägenden Klein-teiligkeit zu erhalten.
Durch das typische in Holz ausgeführtem Konstruktionsprinzip der historischen Gebäude ergibt sich eine charakteristische, kleinteilige Gliederung der Fassade. Diese zeichnet sich durch einen flächenhaften Wandcharakter, historisches Holzgebälk und oft vorkragende Obergeschosse sowie durch die gliedernde Anordnung von Fenster- und Türöffnungen (siehe 3.4 bzw. § 7) aus. Diese kleinteilige Gliederung ist für ein harmonisches Gesamtbild auch bei Neubauten anzuwenden.
Die harmonische Wirkung des historischen Bürgeler Ortsbildes resultiert zudem aus einer überschau-baren, zurückhaltenden Farb- und Materialauswahl. Historisch bedingt standen für Farb- und Materi-alauswahl nur eine regional beschränkte Auswahl zur Verfügung. Entsprechend gibt die Satzung ein gedecktes Farbspektrum aus Erd- und Naturtönen vor. Dies sind Farbtöne, die auf Erd- oder Natur-pigmenten beruhen, z. B. Beigetöne. Entsprechend gibt die Satzung ein gedecktes Farbspektrum aus Erd- und Naturtönen vor. Der Einsatz künstlicher Materialien (z.B. Kunststoff oder Faserzement) und greller Farben, die das Gesamterscheinungsbild stören, ist zu vermeiden. Auch wird für Neubauten ein glatter Putz vorgeschrieben, um das homogene Gesamtbild nicht zu stören respektive es zu un-terbrechen. Dieser ist auch in den beschriebenen Erd- und Naturtönen auszuführen.
Der Sockel ist ein wichtiges, ästhetisches Fassadenelement im historischen Ortskern. Er rahmt das Gebäude und gibt dem Baukörper eine Basis. Zudem prägt er den engräumigen Eindruck der schma-len Gassen. Aufgrund der Nähe zum Main und wiederkehrender Hochwasser sind im historischen Ortskern unterschiedliche Sockelhöhen vorhanden, daher gibt die Satzung vor, dass die am Standort vorhandenen respektive städtebaulich prägenden Sockelhöhen zu erhalten bzw. aufzunehmen sind.
Das Farbspektrum des Sockels korrespondiert mit der Fassadenfarbe und bewegt sich im Bereich naturrot (Sandstein), braun bis grau (Kalkstein oder Basalt). Auch hier sind grelle Farben und glän-zende Materialen, insbesondere keramische Verblendungen, wie z.B. Fliesen, zu vermeiden, da sie den zurückhaltenden Gesamteindruck stören. Bei Neubauten sind die Farben, Materialen und auch die Höhen der Sockel an Nachbargebäuden aufzugreifen.
Sollten beispielsweise Anforderungen an die Barrierefreiheit keinen Sockel zulassen, muss zumin-dest die optische Wahrnehmbarkeit des Sockels sichergestellt sein. So sollte sich der Sockel optisch vom Rest der Fassade durch eine andere Materialität oder Farbe unterscheiden. Dabei sind die be-schriebenen Regelungen zu Material und Farbe zu berücksichtigen. Ziel ist, dass ein abgesetzter Bereich, der die Fassade anstelle eines baulichen Sockels gliedert, entsteht und die charakteristische Fassadengliederung wieder aufgegriffen wird.
3.4 Fenster- und Türöffnungen (zu § 6)
Die Anordnung der Fenster- und Türöffnungen prägt insbesondere auch die Fassadengliederung. Die im historischen Ortskern typische Anordnung der Fenster- und Türöffnungen ergibt sich durch die in Holz ausgeführte (Fachwerk)Konstruktion der Gebäude. Da Fenster- und Türöffnungen konstrukti-onsbedingt nur auf schmalen Flächen zwischen den Holzkonstruktionselementen angeordnet werden konnten, ergibt sich eine kleinteilige, hochformatige Anordnung von Fenster- und Türöffnungen. Fens-ter und Türen im liegenden Format sind dementsprechend unüblich, daher sind nur stehende Formate zulässig. Die kleinteilige Gliederung und das stehende Format sind für ein harmonisches Gesamtbild auch bei Neubauten anzuwenden.
Charakteristisch sind Fensteraufteilungen durch Sprossen, sodass diese zu erhalten sind. Sollten bei einem Austausch der Fenster oder bei Neubauten ebenfalls Sprossen als Untergliederung der Fens-ter hergestellt werden, dann nur glasteilend oder als Wiener Sprosse.
Da im Bürgeler Ortskern neben der Wohn- auch die Versorgungsfunktion gestärkt werden soll, sind Schaufenster bis zu einem festgelegten Rahmen und gegebenenfalls mit Unterteilungen im Erdgeschoss möglich. Allerdings müssen sich diese aus der Fassade jedes einzelnen Gebäudes herausentwickeln und einen Abstand von 1,25 Meter von der Gebäudekante haben. Dadurch sind die Gebäudekonturen weiterhin ohne optische Unterberechnung erkennbar.
Typisch für den historischen Ortskern sind Klappläden aus Holz. Sie gliedern die Fassade und erzeugen einen dörflichen Gesamteindruck. Auch historische Scheunentore und Haustüren aus Holz tragen zur dörflichen-ländlichen Prägung bei. Möglichkeiten der Verschattung bzw. des Sonnenschutzes durch sichtbare Aufsatz- und Vorbaurollläden sowie deren Kästen sind unzulässig, da sie u. a. Teile des Fensters oder der Fassade verdecken und das Ortsbild stören. Dahingegen sind Rollläden, deren Kästen oder Aufsätze, die sich an nicht sichtbaren Bereichen der Fassade, z. B. unter dem Putz befinden, erlaubt. Dies ist beispielsweise bei Neubauten oder massiv erneuerten Erdgeschossen anwendbar. Sollte deren Herstellung unter dem Putz konstruktiv nicht möglich sein, können Klappläden angebracht werden. Diese sollen aus Holz und in den typischen gedeckten Farbtönen ausgeführt werden, um die Fassadenanmutung und den historischen Gesamteindruck nicht zu stören. Maßgeblich zur Gestaltung der Fassade und damit zur Prägung des straßenräumlichen Gesamteindrucks trägt auch die Ausführung der Fenster- und Türkonstruktion bei. Im historischen Ortskern ist eine Ausführung aus Holz typisch. Dies ist zu erhalten. Sollte dies nicht (mehr) möglich sein, sind die Konstruktionen in Holz zu erneuern. Bei Neubauten kann auf andere Materialien in gedeckten Farben zurückgegriffen werden, z. B. Aluminium. Holzimitate stören hingegen das Bild der Fassade und sind unzulässig.
3.5 Werbeanlagen (zu § 7)
Werbeanlagen sind im Sinn der HBO Anlagen, die der Ankündigung, der Anpreisung oder als Hinweis auf Gewerbe oder Beruf dienen und die vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind. Dies kön-nen sein: Schilder, Schaufensterbeklebungen oder Fahnen. Sie sind ein geeignetes Mittel, Passanten und Kunden auf einzelne Geschäfte und Nutzungen aufmerksam zu machen. Im historischen Orts-kern sind sie jedoch unüblich. Um das kleinteilige Ortsbild so wenig wie möglich zu beeinträchtigen und dennoch die Bewerbung von Versorgungsstrukturen zu ermöglichen, sind Werbeanlagen nur an der Stätte bzw. dem Ort der Leistung zulässig. Zudem sind Werbeanlagen nur auf das Erdgeschoss beschränkt, da sich in diesem Bereich ohnehin üblicherweise die zu bewerbende Nutzung befindet.
Ein Übermaß an Werbung bewirkt, dass die gestalterischen Werte einer Fassade sowie das Erschei-nungsbild des historischen Ortsbildes empfindlich gestört werden. Daher ist die Anzahl der Werbe-anlagen je Gebäude auf zwei Werbeanlagen beschränkt. Zudem gibt die Satzung vor, dass die ma-ximale Breite der Werbeanlagen nicht mehr als ein Drittel der Fassade überschreiten darf. Um einen optischen Rahmen und sichtbare Gebäudekanten zu erzeugen, müssen die Werbeanlagen mindes-tens 50 cm von der Gebäudekante abrücken. In der Höhe sind die Werbeanlagen auf 50 cm begrenzt. Des Weiteren dürfen Beklebungen nur ein Viertel der gesamten Schaufensterfläche ausmachen. Auch die Größe von Schaukästen ist auf 50 x 50 cm begrenzt.
Anordnung, Form und Material können den Charakter der Gebäude und damit das Ortskerns beein-trächtigen, daher sind Werbeanlagen im Rhythmus der vorhandenen Fassadengliederung zu platzie-
ren. Dabei ist auf Fensterachsen und Fassadenelemente sowie deren Symmetrie bzw. deren Ver-hältnis zu achten. Auch die Farbe der Werbeanlagen muss sich an der vorhandenen Fassadenfarbe und -gestaltung orientieren. Dabei können z. B. Farben gewählt werden, die im Ton der Fassade sind, oder solche, die sich im komplementären Bereich bewegen (siehe auch 3.3). Grelle, akustische und blinkende Werbeanlagen oder solche mit fotorealistischen Darstellungen von Körperteilen, Speisen und Getränken stören hingegen die gründerzeitliche Anmutung des Ortskerns und sind unzulässig.
3.6 Freiflächen und Außenanlagen (zu § 8)
Die Begrenzung der Grundstücke zum öffentlichen Raum ist prägend für das gesamte Ortsbild. Um einen harmonischen Übergang zum öffentlichen Raum zu erreichen, werden daher Festsetzungen zur Gestaltung der Einfriedungen getroffen. Mit diesen wird das Ziel verfolgt, die Freibereiche in den öffentlichen Straßenraumes mit einzubeziehen. Mit der Zulässigkeit von Einfriedungen bis zu 1,80 m über der Verkehrsfläche soll die Möglichkeit eingeräumt werden, den privaten Bereich sichtbar ab-grenzen zu können, jedoch ohne ein geschlossenes Straßenraumgefühl zu erzeugen.
Die ortstypischen Einfriedungen im Bereich des historischen Bürgeler Ortskerns werden meist durch Holzzäune, in Hinblick auf die bäuerliche Prägung insbesondere Staketenzäune, oder beispielsweise flächenhafte Hoftore hergestellt. Typisch sind auch Bruchsteinmauern und Sandsteinpfosten. Sie sind zu erhalten, sofern es ihr Zustand zulässt.
Ortsbildprägend sind auch Mauern aus Naturstein, Ziegel oder verputzter Oberfläche. Die Satzung sieht hierfür eine zurückhaltende Farb- und Materialauswahl vor. Dies sind Farbtöne, die auf Erd- oder Naturpigmenten beruhen, z. B. Beigetöne. Der Einsatz künstlicher Materialien (z.B. Kunststoff oder Faserzement) oder glänzender Materialen (ins. keramische Verblendungen, wie z.B. Fliesen) sowie unnatürlicher, greller Farben, die das Gesamterscheinungsbild stören, ist zu vermeiden. He-cken oder Holzzäune mit einer vertikalen Lattung sind als typische Einfriedungen möglich.
Da Bürgel ein ländlich geprägtes Bauerndorf war, waren die privaten Freiflächen insbesondere im Bereich der Strackgasse Wirtschaftshöfe, in anderen Bereichen typischerweise umfangreicher begrünt und gärtnerisch, z. T. zur Selbstversorgung gestaltet. In Hinblick auf die Klimaanpassung sind Grundstücksfreiflächen im Sinne von § 8 Abs. 1 HBO wasserdurchlässig zu belassen oder herzustellen und zu begrünen und zu bepflanzen.
3.7 Technische Anlagen (zu § 9)
Solaranlagen (Photovoltaik- und Solarthermieanlagen) können die Ortsbild prägende Dachlandschaft und auch die kleinteilige Fassadengliederung beeinträchtigen. Da sie jedoch aus Gründen des Kli-mawandels bzw. CO2-Minderung äußerst wünschenswert sind, werden sie nicht ausgeschlossen. Vielmehr gilt es, zur Minderung der optischen Beeinträchtigungen einige gestalterische Grundregeln einzuhalten. Die Anordnung soll bevorzugt an der vom öffentlichen Raum abgewandten Dach- und Fassadenflächen, auf oder an untergeordneten Gebäuden als Montageflächen erfolgen, so denn be-züglich der Himmelsrichtung tauglich. Zudem sind die Elemente orthogonal und gleichmäßig, also nicht mit wechselnder Orientierung vertikal / horizontal anzuordnen. Ein stufenartiger Versatz, z. B.
entlang von Dachkehlen ist unzulässig, da das kantige Stufenmuster stark von der kleinteiligen Dach-landschaft ablenkt und diese verunklart. Um störende Reflektionen zu vermeiden, sollen Solaranla-gen eine matte Oberfläche besitzen.
Auch Antennenanlagen stellen einen Stilbruch zur historischen Bebauung dar. Gleichwohl können sie aufgrund von zeitgemäßen Wohn- und Lebensqualitätsansprüchen nicht ausgeschlossen werden. Um Störwirkungen auf das schützenswerte Ortsbild oder eine Häufung von Anlagen zu vermeiden, soll im Besonderen der Blick von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen frei bzw. ungestört von diesen Anlagen bleiben. Entsprechend sind Anordnungen an der vom öffentlichen Raum abgewand-ten Dach- und Fassadenflächen, auf oder an untergeordneten Gebäuden als Montageflächen zu be-vorzugen, so denn bezüglich des Empfangs tauglich.
4 Festsetzungen für Bereich B (gründerzeitlicher Ortskern) (zu § 3 bis § 9)
4.1 Baukörper (zu § 3)
Die gründerzeitliche Erweiterung entwickelte sich entlang der rasterförmig angelegten Straßenzüge östlich und südlich des historischen Ortskerns. Die dortigen Grundstücke folgen der Rasterform der Straßen und bilden zusammen mit der Bebauung einzelne Blöcke. Dadurch ergibt sich je Straßenzug eine meist einheitliche Firstrichtung bei den Gebäuden. Damit sich Neubauten harmonisch einfügen, ist die Entwicklung ihrer Fristrichtung aus der näheren Umgebung notwendig. Auch bei Aufstockun-gen ist die städtebaulich prägende Fristrichtung der näheren Umgebung wiederaufzunehmen.
Lange, einheitliche Straßenfronten sind trotz ihrer rasterförmigen bzw. blockartigen Ausbildung und deutlich größeren Kubatur als im historischen Ortskern eher untypisch für den gründerzeitlichen Be-reich. Vielmehr stellen die meist drei- bis viergeschossigen Gebäude durch ihre meist aufgelockerte Anordnung entlang der Straßen und ihrer belebten und verschiedenartigen Fassadengestaltung eine einzelne, individuelle Einheit dar. Typisch für die aufgelockerte Anordnung sind die symmetrischen Doppelhäuser. Ziel ist es, diese individuellen Gebäudeeinheiten zu erhalten und wiederaufzunehmen. Dies kann durch eine geringe Kubatur sowie durch eine Gliederung der Fassade mittels unterschied-licher Farben und Materialen oder Fassadenelemente, wie z. B. Vor- und Rücksprünge, Gesimse oder Lisenen, geschehen. Hierbei sind die Regelungen zur Fassade (siehe 4.3) zu beachten.
4.2 Dächer (zu § 4)
Im gründerzeitlichen Bereich ist eine geneigte Dachlandschaft typisch, daher gibt die Gestaltungssat-zung Sattel- oder Mansarddächer als grundsätzliche Dachform mit einer Neigung von mindestens 30 Grad vor. Um die weitgehend symmetrisch ausgeführte Dachlandschaft nicht zu stören, muss die Dachneigung an beiden Seiten des Daches bzw. an den Ortgängen einheitlich erfolgen. Dies soll z.B. eine 40 Grad Neigung an der einen Dachseite und eine 55 Grad Neigung an der anderen vermeiden.
Stellenweise sind besondere, historische Dachformen, welche vor 1914 errichtet wurden, vorhanden: z. B. Mansarddächer oder kunstvolle Turmhauben. Sie sind zu erhalten. Dahingegen können Ge-bäude, die sich den Hauptgebäuden architektonisch durch eine kleinere Kubatur unterordnen, andere Dachformen besitzen: z. B. Flachdächer bei Garagen oder Pultdächer bei Schuppen.
Matte Dacheindeckungen im Farbspektrum von braun bis zu anthrazit prägen die Dachlandschaft des gründerzeitlichen Bürgeler Ortskerns, daher werden Dacheindeckungen auf Braun- und Anthrazit-farbtöne beschränkt. Auch erlaubt ist ein roter Farbton, der natürlich im Ausgangsmaterial (Ton) vor-kommt. Zudem soll die Dacheindeckung eine matte Oberfläche besitzen, um störende Reflektionen zu vermeiden. Neben Ziegeln sind auch Dachsteine, welche aus Beton hergestellt sind, im beschrie-benen Farbspektrum erlaubt.
Eine Vielzahl von Materialien, Farben und Oberflächenstrukturen führt zu einer städtebaulich uner-wünschten Unruhe und stört das Erscheinungsbild der weitgehend einheitlichen Dachlandschaft. Da-her sieht die Gestaltungssatzung für Neubauten und Dachneubauten eine einheitliche Eindeckung vor. Demnach müssen die jeweiligen Dachflächen, Gauben, Vordächer etc. die gleiche Farbe und
das gleiche Material besitzen. Stellenweise sind im gründerzeitlichen Ortskern Schieferdächer vor-handen. Diese sind sie zu erhalten. Sollten dies nicht möglich sein, sind sie ebenfalls durch Schiefer zu ersetzen.
Typisch für den gründerzeitlichen Ortskern Bürgels sind geschlossene Dachflächen, daher schließt die Satzung Dacheinschnitte, wie z. B. Dachloggien oder Dachterrassen, aus. Dahingegen sind Gau-ben und Zwerchhäuser für die belebte Dachlandschaft durchaus charakteristisch und somit zulässig. Auch Dachflächenfenster sind in Hinblick auf die Förderung von Wohnnutzung und der damit einher-gehenden Notwendigkeit von Belichtung der Dachräume erlaubt. Ihre Platzierung soll sich an den darunterliegenden Fensteröffnungen und der Fassadengliederung orientieren, um ein harmonisches Gebäudebild zu erzeugen.
4.3 Fassaden (zu § 5)
Eine variantenreiche Gliederung der Fassaden prägt den gründerzeitlichen Gesamteindruck. Die ty-pische Fassadengliederung besteht aus Gesimsen, Bändern, Lisenen oder Fenstergewänden aus Sandstein, Werkstein, und Klinker. Stellenweise sind auch Fachwerkfassaden oder Fassaden mit einem historischen Strukturputz (z.B. Besenstrichputz oder im Sockelbereich Kieselwurfputz), wel-cher vor 1914 angewendet wurde, vorhanden. Dieser ist zu erhalten. Im Bereich der gründerzeitlichen Erweiterung herrschen entstehungszeitlich zwei Typen der Fassadengestaltung vor: die Putzfassade mit z.T. reichen Schmuckelementen in kontrastierendem Material, oder die Klinkerfassade mit Schmuckelementen in farblich abgesetztem Klinker und ergänzenden Natursteinelementen. Ziel ist es, beide Typen der Fassadengestaltung zu erhalten.
Im gründerzeitlichen Bereich herrschen zurückhaltenden Farbspektren und eine überschaubare Ma-terialauswahl vor. Dies ergibt einen abgestimmten und harmonischen Gesamteindruck. Entsprechend gibt die Satzung ein gedecktes Farbspektrum aus Erd- und Naturtönen vor. Dies sind Farbtöne, die auf Erd- oder Naturpigmenten beruhen, z. B. Beigetöne. Der Einsatz künstlicher Materialien (z.B. Kunststoff oder Faserzement) und unnatürlicher, greller Farben, die das Gesamterscheinungsbild stören, ist zu vermeiden. Für Neubauten wird ein glatter Putz in Erd- und Naturtönen vorgeschrieben, um das homogene Gesamtbild nicht zu stören respektive es zu unterbrechen.
Besonders prägend an der gründerzeitlichen Fassadengliederung ist ein Sockelbereich. Durch die Abhebung der Erdgeschosszonen von den (Geschäfts)Straßen prägt er den gründerzeitlichen typi-schen Raumeindruck, daher sind vorhandene Sockel zu erhalten. Dabei soll der Sockel sichtbar sein. Bei der Errichtung von Neubauten sind die vorhandenen respektive städtebaulich prägenden Sockel und deren Höhen wiederaufzunehmen.
Typischerweise ist der Sockel in Naturstein, Ziegel oder Putz ausgeführt. Das Farbspektrum des So-ckels korrespondiert mit der Fassadenfarbe und bewegt sich im Bereich naturrot (Sandstein), braun bis grau (Kalkstein oder Basalt). Auch hier sind grelle Farben und glänzende Materialen, insbeson-dere keramische Verblendungen wie z.B. Fliesen, zu vermeiden, da sie den zurückhaltenden Ge-samteindruck stören und die Funktion des Sockels als Trocknungsbereich für möglicherweise feuchtes Kellermauerwerk beeinträchtigen. Bei Neubauten sind die Farben, Materialen und auch Höhen der Sockel an Nachbargebäuden aufzugreifen.
Sollten beispielsweise Anforderungen an die Barrierefreiheit keinen Sockel zulassen, muss zumin-dest die optische Wahrnehmbarkeit des Sockels sichergestellt sein. So soll sich der Sockel optisch vom Rest der Fassade durch eine andere Materialität oder Farbe abheben. Dabei sind die bereits beschriebenen Regelungen zu Material und Farbe zu berücksichtigen. So entsteht ein abgesetzter Bereich, der die Fassade anstelle eines baulichen Sockels gliedert und die charakteristische Fassa-dengliederung wird aufgegriffen.
4.4 Fenster- und Türöffnungen (zu § 6)
Im gründerzeitlichen Bereich ist ein flächenhafter Wandcharakter mit Fenstern und Türen im meist stehenden Format typisch. Das stehende Format von Fenstern und Türen ist für ein harmonisches Gesamtbild auch bei Neubauten anzuwenden. Üblich sind auch Aufteilungen der Fenster durch Sprossen in beispielsweise mehrere Flügel oder Oberlichter. Diese bauzeittypischen Aufteilungen der Fenster sind zu erhalten. Sollten bei einem Neubau ebenfalls Sprossen als Untergliederung der Fens-ter hergestellt werden, dann nur glasteilend oder als Wiener Sprosse.
Um dem Bedarf des Einzelhandels gerecht zu werden und die Ausstellung von Waren zu ermögli-chen, ist der Einbau von Schaufenstern in der Erdgeschosszone von Gebäuden möglich. Allerdings müssen diese sich aus der Fassade jedes einzelnen Gebäudes herausentwickeln und einen Abstand von 1,25 Meter von der Gebäudekante haben. Dadurch sind die Gebäudekonturen weiterhin ohne optische Unterberechnung erkennbar.
Typisch für den gründerzeitlichen Ortskern sind, wenn vorhanden, Klappläden aus Holz, teilweise reich gestaltete Haustüren und Tore in Hofdurchfahrten aus Holz. Sie gliedern die Fassade und sollen erhalten werden. Andere Möglichkeiten der Verschattung bzw. des Sonnenschutzes durch sichtbare Aufsatz- und Vorbaurollläden sowie deren Kästen sind unzulässig, da sie u. a. Teile des Fensters und der Fassade verdecken und so das Ortsbild stören. Dahingegen sind Rollläden, deren Kästen oder Aufsätze sich an nicht sichtbaren Bereichen der Fassade, z. B. unter dem Putz befinden, erlaubt. Sollte deren Herstellung nicht möglich sein, können Klappläden angebracht werden. Diese sollen aus Holz und in den typischen gedeckten Farbtönen ausgeführt werden, um die Fassadenanmutung und den historischen Gesamteindruck nicht zu stören.
Maßgeblich zur Gestaltung der Fassade und damit zur Prägung des straßenräumlichen Gesamtein-drucks trägt auch die Ausführung der Fenster- und Türkonstruktion bei. Im historischen Ortskern ist eine Ausführung aus Holz typisch. Dies ist zu erhalten. Sollte dies nicht (mehr) möglich sein, sind die Konstruktionen in Holz zu erneuern. Bei Neubauten kann auf andere Materialien in gedeckten Farben zurückgegriffen werden, z. B. Aluminium. Holzimitate stören hingegen das Bild der Fassade und sind unzulässig.
4.5 Werbeanlagen (zu § 7)
Werbeanlagen sind im Sinne der HBO Anlagen, die der Ankündigung, der Anpreisung oder als Hin-weis auf Gewerbe oder Beruf dienen und die vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind. Dies können sein: z. B. Schilder, Schaufensterbeklebungen oder Fahnen.
Im gründerzeitlichen Bereich sind Werbeanlagen durchaus auch historisch üblich, jedoch waren sie in Anzahl und Ausgestaltung reduziert. Um diesen Gesamteindruck zu erhalten, sind Werbeanlagen nur an der Stätte bzw. dem Ort der Leistung zulässig. Werbeanlagen sind außerdem auf das Erdge-schoss beschränkt, da sich in diesem Bereich ohnehin üblicherweise die zu bewerbende Nutzung befindet. Dabei zählt die Fensterbrüstung des ersten Obergeschosses als Grenze, oberhalb derer keine Werbeanlagen platziert werden dürfen.
Ein Übermaß an Werbung bewirkt, dass die gestalterischen Werte einer Fassade sowie das Erschei-nungsbild des gründerzeitlichen Ortsbildes empfindlich gestört werden. Daher beschränkt die Sat-zung die Anzahl der Werbeanlagen je Nutzungseinheit auf drei. Außerdem gibt die Satzung vor, dass die maximale Breite der Werbeanlagen nicht mehr als zwei Drittel der Fassade überschreiten durch. Auch in der Höhe sind die Werbeanlagen auf 80 cm begrenzt. Um einen optischen Rahmen und sichtbare Gebäudekanten zu erzeugen, müssen die Werbeanlagen mindestens 80 cm von der Ge-bäudekante abrücken. Des Weiteren dürfen Beklebungen nur ein Viertel der gesamten Schaufens-terfläche ausmachen. Auch die Größe von Schaukästen ist auf 50 x 50 cm begrenzt. Dies führt zu einer höheren Sichtbarkeit des Gebäudes.
Anordnung, Form und Material können den Charakter der Gebäude und damit das Ortskerns beein-trächtigen, daher sind Werbeanlagen im Rhythmus der vorhandenen Fassadengliederung zu platzie-ren. Dabei ist auf Fensterachsen und Fassadenelemente sowie deren Symmetrie bzw. deren Ver-hältnis zu achten. Auch die Farbe der Werbeanlagen muss sich an der vorhandenen Fassadenfarbe und -gestaltung orientieren. Dabei können z. B. Farben gewählt werden, die im Ton der Fassade sind, oder solche, die sich im komplementären Bereich bewegen (siehe auch 4.3). Grelle, akustische und blinkende Werbeanlagen oder solche mit fotorealistischen Darstellungen von Körperteilen, Speisen und Getränken stören hingegen die gründerzeitliche Anmutung des Ortskerns und sind unzulässig.
4.6 Freiflächen und Außenanlagen (zu § 8)
Die Begrenzung der Grundstücke zum öffentlichen Raum ist prägend für das gesamte Ortsbild. Um einen harmonischen Übergang zum öffentlichen Raum zu erreichen, werden daher Festsetzungen zur Gestaltung der Einfriedungen getroffen. Mit den Festlegungen wird das Ziel verfolgt, die Freibe-reiche in öffentliche Straßenraumes mit einzubeziehen. Mit der Zulässigkeit von Einfriedungen bis zu 1,8 m über der Verkehrsfläche soll die Möglichkeit eingeräumt werden, den privaten Bereich sichtbar abgrenzen zu können, ohne jedoch damit die privaten Flächen abzuschotten und ein geschlossenes Straßenraumgefühl zu erzeugen.
Ortstypisch sind Sandsteinpfosten und -sockel. Sie sind zu erhalten. Ortsbildprägend sind auch Mau-ern aus Naturstein, Ziegel oder verputze Oberflächen. Daher sieht die Satzung, wie bei den Fassa-den, eine überschaubaren, zurückhaltenden Farb- und Materialauswahl vor. Dies sind Farbtöne, die auf Erd- oder Naturpigmenten beruhen, z. B. Beigetöne. Der Einsatz künstlicher Materialien (z.B. Kunststoff oder Faserzement) oder glänzender Materialen (ins. keramische Verblendungen, wie z.B. Fliesen) sowie unnatürlicher, greller Farben, die das Gesamterscheinungsbild stören, ist zu vermei-den. Hecken oder Holzzäune mit einer vertikalen Lattung sind ebenfalls als typische Einfriedungen möglich.
Grundstücksfreiflächen wurden entweder zu Zwecken der Repräsentation oder zur Selbstversorgung bzw. als Funktionsflächen (Trockenplatz etc.) angelegt und begrünt. In Hinblick auf Klimawandel- und Klimaanpassung sind Grundstücksfreiflächen im Sinne von § 8 Abs. 1 HBO zu begrünen und zu bepflanzen.
4.7 Technische Anlagen (zu § 9)
Solaranlagen (Photovoltaik- und Solarthermieanlagen) können die Ortsbild prägende Dachlandschaft und auch die kleinteilige Fassadengliederung beeinträchtigen. Da sie jedoch aus Gründen des Kli-mawandels und der Klimaanpassung äußerst wünschenswert sind, werden sie nicht ausgeschlossen. Vielmehr gilt es, zur Minderung der optischen Beeinträchtigungen einige gestalterische Grundregeln einzuhalten. Die Anordnung soll bevorzugt an der vom öffentlichen Raum abgewandten Dach- und Fassadenflächen, auf oder an untergeordneten Gebäuden als Montageflächen erfolgen, so denn bezüglich der Himmelsrichtung tauglich. Zudem sind die Elemente orthogonal und gleichmäßig, also nicht mit wechselnder Orientierung vertikal / horizontal anzuordnen. Ein treppenartiger Versatz, z. B. entlang von Dachkehlen ist unzulässig, da das kantige Stufenmuster stark von der kleinteiligen Dach-landschaft ablenkt und diese verunklart. Um störende Reflektionen zu vermeiden, sollen Solaranla-gen eine matte Oberfläche besitzen.
Auch Antennenanlagen stellen einen Stilbruch zur historischen Bebauung dar. Gleichwohl können sie aufgrund von zeitgemäßen Wohn- und Lebensqualitätsansprüchen nicht ausgeschlossen werden. Um Störwirkungen auf das schützenswerte Ortsbild oder eine Häufung von Anlagen zu vermeiden, soll im Besonderen der Blick von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen frei bzw. ungestört von diesen Anlagen bleiben. Entsprechend sind Anordnungen an der vom öffentlichen Raum abgewand-ten Dach- und Fassadenflächen, auf oder an untergeordneten Gebäuden als Montageflächen zu be-vorzugen, so denn bezüglich des Empfangs tauglich