Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2021 - 2026


2021-26/DS-I(A)0449Ausgegeben am 19.01.2023

Eing. Dat. 19.01.2023

 

 

 

Belebung des Empfangsgebäudes des Offenbacher Hauptbahnhofs

hier: erweiterter Grundsatzbeschluss

Antrag Magistratsvorlage Nr. 2023-020 (Dez. IV, Amt 60) vom 18.01.2023

 

 

Der Magistrat beantragt, dass die Stadtverordnetenversammlung wie folgt beschließt:

 

1.     Das Empfangsgebäude des Offenbacher Hauptbahnhofs soll als öffentlicher Ort entwickelt und neu belebt werden.
Das Kulturdenkmal ist zu sanieren und - mindestens - im östlichen Gebäudetrakt mit Räumlichkeiten für soziale, bildungsorientierte und kulturelle Nutzungen zu öffnen und auszustatten.

 

Angestrebt wird ein Modellprojekt der Teilhabe, das zivilgesellschaftlichen Gruppen Raum zur Entfaltung und Verantwortung gibt.
Zur Ermöglichung des zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraums und der gegenseitigen Rechte und Pflichten ist zu klären, wer als Hauptmieter einer Kooperationsvereinbarung in Frage kommt (Stichpunktsammlung der Regelungsinhalte des Letters of Intent siehe Anlage 3).

Der Findung des Hauptmieters soll ein öffentliches Bewerbungsverfahren vorgeschaltet werden. Der Hauptmieter wird durch Magistratsbeschluss festgelegt.

 

2.     Der Magistrat wird beauftragt, mit der Deutschen Bahn (DB) den Erwerb des Empfangsgebäudes einschließlich Nebenflächen gemäß beigefügtem Lageplan (Anlage 1) zu verhandeln. Der gutachterlich ermittelte Verkehrswert und damit der maximale Kaufpreis liegt bei 2,8 Mio. € (siehe nichtöffentliche* Auslage Wertgutachten).

Nachrangig ist ein Teilerwerb oder die Anmietung bzw. Pacht, zumindest des östlichen Gebäudetrakts, durch die Stadt zum frühestmöglichen Zeitpunkt für die Dauer von mind. 25 Jahren zu verhandeln und zur Klärung der räumlichen, baulichen und sonstigen Schnittstellen sowie Zuständigkeiten ein Letter of Intent zu erarbeiten (Stichpunktsammlung der Regelungsinhalte siehe Anlage 2).

 

3.     Zu verhandeln ist ein möglichst zeitnaher Zugriff der Stadt auf die zu entwickelnden Flächen des Empfangsgebäudes.

Dies beschleunigend, wird der Magistrat im Falle einer Pachtlösung legitimiert, der DB die Durchführung notwendiger Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle auf Kosten der Stadt unter Verrechnung mit der Pacht / Miete anzubieten.

 

4.    Für die denkmalgerechte Sanierung und den Innenausbau des Gebäudes (Schätzung vgl. Machbarkeitsstudie Hauptbahnhof siehe nichtöffentliche* Auslage) ist zu gegebener Zeit ein Projektbeschluss einzuholen.

 

5.     Die erforderlichen Finanzmittel für den Erwerb des Empfangsgebäudes stehen auf dem Produktkonto 09010600.0951004460, Investitionsnummer 0901060900601203, „Umsetzung HEGISS“ im Haushalt 2023 bereit.

 

Im Falle einer Pacht- bzw. Mietlösung müssen die notwendigen Mittel für Mietkosten bzw. Pachtzins im Haushalt neu angemeldet werden.

 

Zur Finanzierung der denkmalgerechten Sanierung und des Innenausbaus sind auf dem Produktkonto 09010600.0951000060, Investitionsnummer 0901060900601801, „HEGISS 2, Maßnahmen im Bahnumfeld“ ab 2025 Mittel im Haushalt eingestellt.

 

Bei der Finanzierung der Maßnahme werden Zuwendungen aus dem Programm Sozialer Zusammenhalt erwartet. Diese sind nur für fördertechnisch unrentierliche baulich-investive Maßnahmen einzusetzen. Eine Quantifizierung des Fördermittelrückflusses ist daher erst nach Vereinbarung des Realisierungsmodells mit der Deutschen Bahn möglich.

 

6.     Zur Sichtbarkeit der bevorstehenden Aufwertungen sowie zur Aktivierung weiterer Mitwirkender aus der Zivilgesellschaft ist eine Zwischennutzung der erdgeschossigen Räumlichkeiten des Empfangsgebäudes wünschenswert. Der Magistrat wird beauftragt, bei der Deutschen Bahn für eine Bereitschaft dazu zu werben.

 

7.     Der Magistrat wird beauftragt, vorbereitend auf die Umgestaltung des Busbahnhofs und der Freiflächen des Empfangsgebäudes (Lageplan siehe Anlage 4) im Jahr 2024 einen Ideenwettbewerb auszuloben. Grundsätzliche Ziele sind

·         die Schaffung eines attraktiven Bahnhofszugangs und Bahnhofsumfelds,

·         die barrierefreie Anbindung der öffentlichen Verkehrsflächen an das Empfangsgebäude unter

·         intermodaler Verknüpfung der Verkehre sowie

·         die Definition eines evtl. danach noch im Bereich des heutigen Busbahnhofs verbleibenden Baufelds zur räumlichen Fassung des neuen Busbahnhofs nach Osten bzw. die Gestaltung des Übergangs zur Unterführung Groß-Hasenbach-/ Senefelderstraße.

 

8.    Die Kosten des Wettbewerbs werden auf 300.000,00 € geschätzt.

Die erforderlichen Mittel stehen auf dem Produktkonto 09010600.0951004460, Investitionsnummer 0901060900601203 „Umsetzung HEGISS“ im Haushalt 2023 zur Verfügung.

 

Zur Refinanzierung des Wettbewerbs werden Zuwendungen aus dem Programm Sozialer Zusammenhalt in Höhe von rd. 65.000,00 € erwartet.

 

* redaktionell geändert

 

 

Begründung:

 

Der Offenbacher Hauptbahnhof hat seit der Eröffnung der S-Bahn-Strecke 1995 seine Bedeutung als zentraler Verkehrs- und Umsteigeknoten sukzessive verloren. Die Fahrgastzahlen sowie die Frequenz haltender Züge sind erheblich zurückgegangen. Heute sind einige Gleisanlagen nahezu funktionslos und liegen brach. Aus Sicht der Deutschen Bahn wird das Empfangsgebäude in seiner gegebenen Größe für den Bahnbetrieb nicht mehr benötigt.

 

Zusammen mit dem Verlust an Passanten verschwanden darüber hinaus die Nutzungen des Empfangsgebäudes, im Jahr 2014 zog der letzte Ladenmieter aus. Das Gebäude steht seitdem nahezu leer und weist aufgrund des langen Leerstands einen hohen Sanierungsbedarf auf.

 

Aufgrund seiner zentralen Lage und seiner stadtbildprägenden Gestalt wird eine Um- und Nachnutzung des Hauptbahnhofs, unter anderem im Masterplan Offenbach 2030, als ein zentraler stadtentwicklungspolitischer Meilenstein definiert. Im integrierten Entwicklungskonzept „Südliche Innenstadt / Senefelderquartier“ wurden im Rahmen des Städtebauförderprogramms „Sozialer Zusammenhalt“ (2016-21/DSI(A)0033/1, 2016-21/DS-I(A)0033) erste Maßnahmen zum Umbau und zur Nachnutzung grob definiert.

 

Neben dem Empfangsgebäude wurde auch der Bereich um den Hauptbahnhof in den Blick genommen. Dazu zählen der Busbahnhof, der mit der Schwerpunktverlagerung zur S-Bahn-Station Marktplatz heute untergenutzt ist, Teile der Bismarckstraße, die Fußgängerunterführung zur Senefelderstraße sowie das Areal um das historische Stellwerk. Insgesamt soll durch die Maßnahmen eine attraktive Verbindung zwischen Senefelderquartier und südlicher Innenstadt realisiert werden.

 

2017 wurde ein Grundsatzbeschluss gefasst, um auf Grundlage zweier Planungsvarianten in Verhandlungen mit den Gesellschaften der Deutschen Bahn zum barrierefreien Umbau des Hauptbahnhofs zu treten (2016-21-/DS-I(A)0163). Ende 2019 wurde eine Machbarkeitsstudie beauftragt, um gemeinsam mit der Initiative HBFOF sowie der Hochschule für Gestaltung die konzeptionellen, baulichen und finanziellen Möglichkeiten und Grenzen einer belebenden Nachnutzung des Empfangsgebäudes zu untersuchen (siehe Auslage). 2021 wurde ein Wertgutachten beauftragt, welches zu einem ermittelten Verkehrswert in Höhe von 2,8 Mio. € gelangt (siehe nichtöffentliche* Auslage).

 

Derzeit befindet sich die Deutsche Bahn in der Schlussabstimmung der Vorplanung zur barrierefreien Umgestaltung des Hauptbahnhofs, nachdem Offenbach 2019 in den Planungsvorrat des Landes Hessen aufgenommen und die Übernahme der Kosten durch das Land Hessen und DB Station & Service gesichert wurde. Präferiert wird die Erschließung der Bahnsteige über das Hauptgebäude und die bestehende Unterführung. Dies deckt sich in großen Teilen mit der im Rahmen der Machbarkeitsstudie entwickelten Vorzugsvariante von Initiative Hauptbahnhof und Stadt. Damit sind denkmalrechtliche Eingriffe verbunden, die in der weiteren Planung der Deutschen Bahn möglichst minimiert und gestalterisch gut gelöst werden müssen. Der Baubeginn ist für 2026 angedacht.

 

In einer Pressemitteilung vom 12.07.2022 verkündete die Deutsche Bahn, dass derzeit, bis auf wenige Ausnahmen, keine weiteren Empfangsgebäude mehr verkauft werden sollen. Es ist unklar, ob der Offenbacher Hauptbahnhof hiervon mit betroffen ist. Mit der Regionalleitung der Deutschen Bahn besteht Einigkeit, dass das Empfangsgebäude erheblichen Sanierungsbedarf aufweist, jedoch wurden die verantwortlichen Stellen der Deutschen Bahn bisher noch nicht mit Mitteln zur Sanierung der nun voraussichtlich in ihrer Verantwortung verbleibenden Immobilie ausgestattet. Entsprechend geht die Regionalleitung derzeit davon aus, dass die umfassende Sanierung des Empfangsgebäudes erst nach Abschluss des barrierefreien Umbaus der Verkehrsstation erfolgen kann.

Um demgegenüber dennoch zügig eine Verbesserung von Erscheinungsbild und Nutzung des Gebäudes zu erwirken, erklärt sich die Stadt Offenbach dazu bereit, selbst Verantwortung für seine Aufwertung mit übernehmen zu wollen und so die Deutsche Bahn zu entlasten. In diesem Sinne soll bevorzugt der Kauf des Gebäudes, nachrangig ein Teilerwerb oder ein Pachtmodell verhandelt werden. Erste Eckpunkte der mit der Deutschen Bahn zu führenden Verhandlungen, insbesondere auch über bauliche Maßnahmen der Stadt, sind in Anlage 2 aufgezeigt.

 

Hierbei liegt der Schwerpunkt auf dem östlichen Teil des Hauptbahnhofs in Richtung des Busbahnhofs, in dem, aufbauend auf den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie, eine öffentliche, sozial und kulturell wertvolle, unrentierliche Nutzung angestrebt wird. Hiermit soll das Gebäude belebt und wieder zu einem adäquaten Tor in die Stadt entwickelt werden. Als Modellprojekt soll es einen Leuchtturm für zivilgesellschaftliches Engagement und Teilhabe darstellen.

 

Für die Realisierung dieses Vorhabens ist die Stadt Offenbach auf starkes und ausdauerndes zivilgesellschaftliches Engagement angewiesen. Um die gegenseitigen Erwartungen, Verpflichtungen und Ziele festzulegen, soll mit der zukünftigen Nutzergruppe zunächst ein Letter of Intent (vgl. Anlage 3) unterzeichnet werden, auf dessen Basis im Anschluss eine Kooperationsvereinbarung ausgearbeitet wird.

Zur Findung dieser Akteursgruppe soll ein öffentliches Vergabeverfahren vorgeschaltet werden. Damit wird zum einen abgesichert, dass jede Gruppe die Möglichkeit hat, ihr Interesse zu äußern, zum anderen, dass die Stadt sich darauf verlassen kann, dass sich die Nutzergruppe bereits im Vorfeld mit den Anforderungen beschäftigt und ihre Leistungsfähigkeit reflektiert hat.

 

Der Hauptbahnhof soll zu einem Ort der Teilhabe werden, der für alle zugänglich wird. Mittels einer noch von der Verwaltung einzurichtenden Steuerungsgruppe soll dabei abgesichert werden, dass er weder für parteipolitische Interessen, noch durch ausgrenzende, demokratiefeindliche oder verfassungsbedenkliche Gruppen genutzt wird. Das Betreiben des Hauptbahnhofs soll in Eigenverantwortung der Akteursgruppe geschehen, das Vetorecht der Steuerungsrunde nur in Fällen greifen, in denen die Offenheit des Hauptbahnhofs gefährdet wird.

 

Um den bisher noch undefinierten Zeitraum bis zur Fertigstellung der Sanierungsmaßnahmen und dem endgültigen Bezug des Empfangsgebäudes zu überbrücken, soll bei der Bahn dafür geworben werden, Zwischennutzungen zu ermöglichen. Hierfür liegen bereits umfangreiche Beispiele aus den letzten Jahren vor. Das zivilgesellschaftliche Engagement soll somit gestärkt und aufrecht erhalten, das Entwicklungspotential des Bahnhofs der Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden.

 

Darüber hinaus soll auch die Entwicklung des Bahnhofumfelds mit in den Blick genommen werden. Dazu ist für 2024 die Auslobung eines Ideenwettbewerbs geplant, der Vorschläge zur Umgestaltung der Freiflächen und des untergenutzten Busbahnhofs darlegt. Das Umfeld weist derzeit starke Defizite und eine nicht mehr adäquate Funktionsverteilung auf. Ziel ist die Schaffung eines städtebaulich wertvollen Entrées in die Stadt und Übergangs in das Senefelderquartier. Darüber hinaus sollen die Freiflächen ökologisch aufgewertet, wo möglich entsiegelt und begrünt, die Aufenthaltsqualität damit erhöht werden.

 

Der Bereich des Busbahnhofs soll zu einem intermodalen, barrierefreien Verkehrspunkt entwickelt werden, der den zukünftigen Mobilitätsanforderungen gerecht wird. Dazu zählen unter anderem:

·         die Vorhaltung ausreichender, bedarfsentsprechender Haltestellen für Bus- und evtl. zukünftigen Straßenbahnverkehr

·         die Realisierung eines Fahrradparkhauses mit mind. 300 Einstellplätzen, auch für Lastenfahrräder und E-Bike-Verleih,

·         die Ausweisung von Flächen für Taxistände, Car Sharing, Kiss & Ride o. ä.

 

Im östlichen Teil des Busbahnhofs kann der Ideenwettbewerb an die Ergebnisse des städtebaulich-freiraumplanerischen Wettbewerbs zur Neugestaltung der Unterführung Groß-Hasenbach- / Senefelderstraße und des Bereichs rund um das historische Stellwerk anknüpfen (2016-21/DS-I(A)0930). Dabei ist zu prüfen, ob nach der Ermittlung der zur Realisierung der intermodalen Verkehrsoptimierung benötigten Flächen, abgeleitet aus dem Masterplan Offenbach am Main 2030, noch eine potentielle Baufläche als neue Raumkante ausgewiesen werden kann. Städtebaulich entsteht so ein neues, attraktives Gesamtbild dieses Abschnitts der Bismarckstraße.

 

Im Büro der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder und anschließend im Büro der Stadtverordnetenversammlung liegt das Wertgutachten Sprengnetter, 20.10.2022 und die Machbarkeitsstudie Hauptbahnhof BahnStadt & stationova, Februar 2022 zur Einsichtnahme aus.

* redaktionell geändert

Anlagen:

1.     Lageplan der zu verhandelnden Kauffläche des Empfangsgebäudes

2.     Stichpunktsammlung Regelungsinhalte Letter of Intent zwischen Stadt und Deutscher Bahn, Entwurf Stand 20.12.2022

3.     Stichpunktsammlung Regelungsinhalte Letter of Intent zwischen Stadt und Initiative Hauptbahnhof, Entwurf Stand 16.12.2022

4.     Flächenumgriff eines Ideenwettbewerbs zur Freiraumgestaltung im    Bahnhofsumfeld

  a. Teilbereich Nord

  b. Teilbereich Süd

5.     Klimarelevanzprüfung

 

Hinweis: Antrag und Anlagen werden den Stadtverordneten und Fraktionen elektronisch (PIO) zur Verfügung gestellt.

 

Die nichtöffentliche Auslage erhalten die Stadtverordneten und Fraktionen per Cloud.