Evaluationsbericht zum „Orientierungsrahmen für Bildungsentwicklung in Offenbach am Main“

Von Felicitas von Küchler, Bildungsmanagement und Beratung (Mitarbeit: Kai Seibel, vhs Offenbach)

Inhalt

 

Vorwort

Entwicklung und Intention des Orientierungsrahmens

Auftrag und methodischer Ansatz: Selbstevaluation  - Verfahren

und Instrumente

 

Kapitel I: Das Selbstverständnis von Bildung in Offenbach

Formulierungen und Evaluation

 

Kapitel III: Zentrale Problemlagen der Bildungsentwicklung in Offenbach

Formulierungen und Evaluation

 

Kapitel IV: Im Interesse einer guten Bildung: Zentrale Aspekte der Stadt- und Landespolitik

Formulierungen und Evaluation

 

Kapitel V: Handlungsoptionen für die Bildungsstationen des „Lebenslangen Lernens“

V: 1.Frühkindliche Bildung und Betreuung

Formulierungen und Evaluation

 

V: 2. Schulische Bildung

Formulierungen und Evaluation

 

V:3. Übergang Schule-Beruf

Formulierungen und Evaluation

 

V.4: Die Weiterbildung

Formulierungen und Evaluation

 

Nachwort: Gesamtschau auf die Ergebnisse

Anhang: Teilnehmende der vier Evaluationsgruppen

Vorwort

 

Dieser Bericht fasst die Ergebnisse, das heißt die evaluatorischen Befunde, die zentralen Diskurse und Themen der aktuellen Evaluierung des Orientierungsrahmens für Bildungsentwicklung (OR) in Offenbach zusammen.

 

Der OR, der 2012 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde, sollte die kommunalpolitische Schwerpunktsetzung „Bildung und Erziehung“ in Offenbach dokumentieren. Der OR legte gleichzeitig „eine Analyse der Situation des Lebenslangen Lernens in Offenbach, seiner kritischen Punkte und Herausforderungen sowie beschreibbarer Entwicklungsbedarfe vor, die eine Grundlage für das Handlungsfeld Bildung bzw. Lebenslanges Lernen in Offenbach“ (OR, S. 3) darstellte. Im OR wurden Handlungsoptionen aufgezeigt, die Richtungen möglicher Entwicklungen und Umsetzungen zeigten. Ausdrücklich wurde jedoch festgestellt, dass er kein detailliertes Handlungsprogramm beschreibt, wie es z.B. in den sogenannten „Masterplänen“ der Fall ist, sondern Entwicklungen und Handlungsprogramme sollten den zuständigen Entscheidungsträgern der verschiedenen Bereiche vorbehalten bleiben.

 

Der OR bewegte sich durch seinen Rückgriff auf die Ergebnisse des Offenbacher Bildungsmonitorings (Erziehungs- und Bildungsbericht „EBO“ ab 2005) und zusätzlichen Erhebungen zwischen einer kritischen Analyse des Bildungsgeschehens und leitbildhaften Formulierungen, die mit der Einigung auf Eckpunkte eines gemeinsamen Selbst- und Bildungsverständnisses in der Kommune zu weiteren Entwicklungen motivieren wollten. Ein weiteres Merkmal war die breite Beteiligung der Bildungsakteure, die in Workshops, Arbeitsgruppen und Konferenzen an der Erarbeitung der Texte zu den einzelnen Bildungsabschnitten beteiligt wurden. Diese Texte wurden noch einmal mit den im Feld arbeitenden Expertinnen und Experten, der Politik, der Verwaltung, den kommunalen Ausschüssen, Gremien und Beiräten rückgekoppelt bis der so entstandene Gesamttext der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt und beschlossen wurde.

 

Den Rahmen für diese Aktivitäten bot das kommunale Projekt „Lernen vor Ort“, das von 2009 bis 2014 in Offenbach arbeitete.

 

Nach zehn Jahren wurde der Bedarf für eine Überprüfung offensichtlich. Das „Bündnis für Bildung“ regte im Februar 2022 die Überarbeitung an und die Stadtverordnetenversammlung beschloss im Juli 2022 die Überprüfung des OR in Ankoppelung an das Bündnis für Bildung und gab dies als Auftrag an den Magistrat.

 

Der Stadtverordnetenbeschluss legt besonderen Wert auf die folgenden Punkte: Es „sollte differenziert berichtet werden, inwieweit

 

a.    die im Orientierungsrahmen genannten Handlungsoptionen umgesetzt werden konnten und

 

b.    die im Orientierungsrahmen genannten zentralen Forderungen der Stadt Offenbach gegenüber dem Land Hessen (S. 10 Orientierungsrahmen 2012) formuliert wurden.“[1]

 

 

Methodischer Ansatz: Selbstevaluation - Verfahren und Instrumente

 

Die vom Magistrat mit der Evaluation des OR beauftragte vhs-Fachstelle Bildungskoordinierung und Beratung entschied sich für das methodische Verfahren der extern[2] unterstützten Selbstevaluation. „Unter Selbstevaluation werden systematische, datenbasierte Verfahren der Beschreibung und Bewertung verstanden, bei denen die praxisgestaltenden Akteure identisch sind mit den evaluierenden Akteuren“[3]. Als Variante einer Selbstevaluation wurde die Evaluation konzipiert, damit die Akteure, Expertinnen und Experten, Entscheidungsträgerinnen und –träger stark eingebunden werden können und ihre Perspektive auf den OR zur Geltung gebracht werden kann. Allerdings wird die Evaluation verantwortlich von zwei Evaluierenden gesteuert und durchgeführt, einer davon ist selbst gestaltender Akteur einer institutionellen kommunalen Einheit, die zweite Evaluatorin unterstützt den Prozess und bringt zusätzlich eine neutrale Perspektive mit ein[4].

Die Evaluation soll kein Selbstzweck sein. Sie versucht, die Entwicklungen der letzten Jahre daraufhin zu überprüfen, ob und wie die Handlungsoptionen und Strategien des OR realisiert wurden bzw. realisiert werden konnten. Die Evaluierenden bemühten sich dementsprechend zunächst um einen summativen, bilanzierenden evaluativen Blick. Zum Einsatz kamen dabei einschlägig bekannte Methoden wie Gespräche, Interviews, Gruppendiskussionen.

 

Begonnen wurde die Selbstevaluation mit einer stark fokussierten Diskussion mit den Mitgliedern des Bündnisses für Bildung, die vor der Sitzung einen Fragenkatalog zugeschickt bekommen hatten. Im Rahmen der Sitzung wurde das Verfahren erläutert und alle Beteiligten einigten sich darauf, zunächst das Kapitel I „Das Selbstverständnis von Bildung in Offenbach“ zu diskutieren und zu evaluativen Einschätzungen zu kommen. In der darauffolgenden Arbeitsphase konnten die Einschätzungen zu dem eng mit dem „Selbstverständnis“ verflochtenen Kap. III „Zentrale Problemlagen der Bildungsentwicklung in Offenbach“ erhoben werden.

 

In der nächsten Phase wurde die Selbstevaluation in den vier behandelten Bildungsbereichen vertieft und intensiviert, indem in Gruppen unterschiedlicher Größe mit zentralen institutionellen Akteuren stärker auf die Erfahrungen mit dem OR, die Umsetzung bzw. Gültigkeit der einzelnen Handlungsoptionen, zu revidierende Bestandteile, notwendige neue Themen und Diskurse eingegangen wurde.

 

Zur Ergänzung der Befunde wurden mit einzelnen „Schlüsselakteuren“ der jeweiligen Handlungsbereiche der Bildung: der frühkindlichen Bildung und Betreuung, der schulischen Bildung und der Weiterbildung zusätzliche thematische, qualitative Interviews geführt.

 

Dieser Bericht erfüllt nicht nur die Vorgaben des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung, sondern dient auch dazu, die Ergebnisse transparent zu machen, eine der Gütestandards von Selbstevaluation.

 

Die Selbstevaluation soll im Verlauf zu einer formativen Perspektive auf den OR führen, also zu einem geplanten Veränderungsprozess. Was nach der Berichtserstellung geschehen soll, ist bereits im genannten Stadtverordnetenbeschluss kurz dargestellt worden. Der OR soll auf Grundlage dieser Evaluationsergebnisse, der Daten des aktuellsten Erziehungs- und Bildungsberichts (EBO) und weiterer kommunaler Daten in Ankopplung an das Bündnis für Bildung im Anschluss fortgeschrieben werden. Darüber hinaus sollte der fortgeschriebene OR einen differenzierten Blick auf Herausforderungen der Bildung in Offenbach themenbezogen vorsehen. Und es sollten wieder wesentliche Akteure der „Bildungslandschaft Offenbach“ bei der Formulierung von Handlungsoptionen im Rahmen einer Bildungskonferenz angemessen einbezogen werden.

 

Kapitel I: Das Selbstverständnis von Bildung in Offenbach

 

 

Zusammenfassung der Evaluation:

Die textlichen Formulierungen des OR erscheinen zwar im inhaltlichen Kern akzeptabel, verweisen aber deutlich auf die Notwendigkeit einer Modernisierung. Das „Engagement für Bildung“ sollte stärker um den Aspekt der Selbst- und Eigenverantwortlichkeit der Bürgerinnen und Bürger, um Integration und Inklusion ergänzt werden, statt um den Bevölkerungsschwund muss sich die Kommune um die Bewältigung des Wachstums kümmern. Die „erweiterte Schulträgerschaft“ der Kommune ist nicht mehr aktuell, wohl aber gute Kooperationen in der Kommune und mit dem Land bzw. mit dem Staatlichen Schulamt. Kommunale Verantwortung bleibt bestehen, besonders auch die für die Schulen. Betont werden die Relevanz niedrigschwelliger und institutionell nicht gebundener Bildungszugänge sowie von Bildungsangeboten, die sich durch Berücksichtigung der Vielfalt, der Autonomie der Adressatinnen und Adressaten und Barrierefreiheit auszeichnen. 

 

 

In der ersten evaluativen Diskussionsrunde mit zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern des Bündnisses für Bildung[5] wurde besonderes Augenmerk darauf gelegt, die für das Selbstverständnis des OR zentralen Kapitel: Kapitel I; II; und IV zu diskutieren. Zum einen sollte die Anwesenheit des Bündnisses genutzt werden, um ihre ersten evaluativen Einschätzungen zu diesem grundlegenden Rahmen des OR zu erhalten. Zum anderen brauchte die Evaluation eine inhaltliche Grundlage, damit in den späteren Phasen der Selbstevaluation der verschiedenen Bildungsbereiche Differenzierungen, Unterschiede oder Gemeinsamkeiten hervortreten konnten.

 

Zentral steht in diesem ersten Kapitel das im OR formulierte Selbstverständnis von Bildung zur Debatte und die Frage, ob es unter den aktuellen Bedingungen immer noch einen Rahmen abgibt, mit dem sich die Akteure identifizieren können, oder falls nicht, wo die heutigen Differenzpunkte liegen. Der Text des OR gliedert sich in diesem Kapitel in vier grundsätzliche „Leitvorstellungen“:

 

1. Engagement für Bildung mit den Unterpunkten: Bildungszugänge für Alle, Bildung als Menschenrecht, Bildung ermöglicht Demokratie und Teilhabe, Bildung für gewandelte bzw. steigende Qualifizierungsanforderungen, Bildung für Integration und als Bereicherung der Kommune.

 

Diese Leitvorstellungen werden immer noch geteilt, aber zum Teil reformuliert, um auf die aktuelle Situation der Bildung einzugehen. So wird darauf verwiesen, dass es stärker um Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger gehen müsse, um Inklusion statt allein um Integration, um niedrigschwellige Zugänglichkeit für Bildungsangebote und deren neue Charakteristika: Berücksichtigung von Vielfalt, Autonomie der Lernenden und Barrierefreiheit.

 

2. Bildung ist eine kommunale Aufgabe mit den Unterpunkten: Die Kommune hat einen Bildungsauftrag als Schulträger und Träger der öffentlichen Weiterbildungseinrichtungen, Volkshochschule und Stadtbibliothek. Ebenfalls im kommunalen Auftrag: Kinder- und Jugendhilfe als zentraler Akteur und MainArbeit; Ausweitung der kommunalen Verantwortung für Schule im Sinne einer erweiterten Schulträgerschaft.

 

Bildung als kommunale Aufgabe bleibt unbestritten, allerdings wird die zum Entstehungszeitpunkt des OR populäre Formel der „erweiterten Schulträgerschaft“ als nicht mehr aktuell empfunden.

 

3. Bildung soll sich an der individuellen Entwicklung, am Einzelnen in seinem Lebensverlauf orientieren mit den Unterpunkten: Ausreichende Möglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger in der gesamten Bildungsbiografie, diese sind zugänglich und erreichbar.

 

Vorausgesetzt wird eine gute Qualität der Bildung, der Bildungsinstitutionen, des professionellen Handelns in ihnen, eine Infrastruktur von Beratung und die Gestaltung von Übergängen zwischen Bildungsinstitutionen und Bildungsstufen sowie eine gute Kooperation zwischen kommunalen und nicht kommunalen Akteuren und Einrichtungen.

 

Diese Leitvorstellung ist so gültig wie anspruchsvoll. Bei den Bildungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger zeigt sich im Unterschied zum OR eine gewachsene Sensibilität für die Bedingungen des Zugangs: Themen, die interessieren, niedrigschwelliges Herangehen.

 

4. Bildung stellt einen wichtigen Standortfaktor dar: Eine differenzierte Bildungslandschaft mit guten Möglichkeiten der Kinderbetreuung, einem differenzierten Angebot an Schularten und Schulformen, in öffentlicher oder privater Trägerschaft, der beruflichen und hochschulischen Bildung bestimmt die Attraktivität einer Stadt, sie ist nicht mehr nur ein weicher, sondern ein harter Standortfaktor.

 

War es zu Beginn der Debatte um Bildungslandschaften zum Teil noch ungewöhnlich, von Bildung als Standortfaktor zu sprechen, so ist dies heute ein allgemein akzeptiertes Argument und die Bildungslandschaft in Offenbach wird in diesem Sinne auch als gut beschrieben. 

 


 

Kapitel III: Zentrale Problemlagen der Bildungsentwicklung in Offenbach[6]

 

 

Zusammenfassung der Evaluation:

Potenzialorientierte Förderung ist das zentrale Konzept, das sich in der Diskussion herausschält. Die Befunde des OR, warum welche Gruppen besonders gefördert werden sollten (Jugendliche ohne (Haupt)Schulabschluss, männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund) entsprechen überwiegend nicht mehr der aktuellen Realität. Wichtiger ist, nicht mit dem Label Migrationshintergrund zu arbeiten, sondern die positive Bestimmung, wie wer gefördert wird, in den Mittelpunkt zu stellen. Segregationstendenzen sind noch aktuell, um ihnen zu begegnen, sollte an die hohe Kompetenz der Bildungseinrichtungen angeknüpft und diese mit zusätzlichen Mitteln unterstützt werden. Die im OR schon getroffene Unterscheidung von Migrationshintergrund und sozialer Lage/Armut wird bestätigt.

Der Bedarf an Sprachförderung für Integration und gelingende Bildung ist immer noch hoch, für Neu-Zugewanderte ist dies aber nicht ausreichend, sie brauchen eine umfassendere, auch soziale Förderung, auch über Bildung hinaus. Deutsch ist als Bildungssprache wichtig, aber auch die Herkunftssprache sollte besser gefördert werden. Darauf bezogen stellt sich die Frage, wann mehrsprachliche Potenziale „gehoben“ werden sollen. Eltern sollen als Bildungsbegleiter so oft wie möglich miteinbezogen werden. Auch Querversetzungen (vom Gymnasium auf die Gesamtschule) sollten gut begleitet werden.

 

 

In diesem Kapitel geht es um die vor zehn Jahren wahrgenommenen und von den Akteuren und Expertinnen und Experten geteilten Entwicklungsproblematiken, einerseits auf Stadtteilebene, andererseits aber auch bezogen auf bestimmte Gruppen: Jugendliche ohne (Haupt)Schulabschluss, männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund als besonders in der Bildung benachteiligte Gruppe.

 

Der OR geht hier im ersten Spiegelstrich auf die „unterschiedlichen Faktorenkomplexe“ von Armut und Migrationshintergrund ein. Diese Unterscheidung ist für die Teilnehmenden des Bündnisses aktuell, muss auch nicht mehr begründet werden.

 

In weiteren drei Spiegelstrichen wird auf die Gefahr von Segregationstendenzen und auf das Armutsrisiko in bestimmten (statistischen) Bezirken eingegangen. In der Diskussion wird deutlich, dass dieser Ausgangspunkt zwar geteilt wird, allerdings werden die Formulierungen als eher „lamentierend“ empfunden. Das Interesse der Diskutierenden liegt hier auf den verschiedenen Strategien, mit denen diesen Tendenzen begegnet werden kann. Es wird auf die Kompetenz der Mitarbeitenden in Bildungsinstitutionen verwiesen, und dass besonders für Bildung finanzielle Unterstützungsstrategien notwendig sind. Von besonderer Bedeutung sind dabei Sprachförderung auf allen Ebenen, umfassende Förderung der Neuzugewanderten auch über die Bildung hinaus.

 

Hier buchstabiert die Diskussion die Spiegelstriche vier (Bedeutung von frühkindlicher Bildung in Kindertagesstätten) und fünf (Bedeutung von schulischen pädagogischen Förderangeboten, erhöhter Ressourcen und Sprach- und ganztägiger Angebote) des OR aus. Es entwickelt sich eine Diskussion mit unterschiedlichen Positionen zur Bedeutung von Deutschförderung, zu Deutsch als Bildungssprache, aber auch eine weitergehende Förderung als bisher von mehrsprachlichen Potenzialen, z.B. durch eine bessere Förderung der Muttersprache. Dabei wurde die Bedeutung der herkunftssprachlichen Kompetenz unterschiedlich gesehen: Für die einen ist sie ein wichtiges Element beim Erlernen der Zweitsprache Deutsch, für die anderen (Statement von Prof. A. Gold) sollte ihre Förderung nicht zu Lasten der Deutschförderung gehen.

 

Der Spiegelstrich sechs: hoher Anteil von Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss ist gemäß Datenlage im EBO 2021 (Berichtsjahr 2019/2020: 6 Prozent, inkl. berufsorientierte Abschlüsse) kein zentrales aktuelles Problem mehr in Offenbach. Der Anteil ist, hier zeigen sich erste Auswirkungen der Corona-Pandemie, im Folgejahr auf 9,2 Prozent gestiegen (Datenbericht Bildung 2022). Der Anteil an Schulabgehenden ohne Abschluss wird in den nächsten Jahren vermutlich aber wieder verstärkt in den Fokus der Akteure rücken. Zum Spiegelstrich sieben: „Männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund haben die schlechtesten schulischen Bildungschancen“ (S. 8): Auch wenn der EBO 2021 bestätigt, dass männliche Abgänger mit Migrationshintergrund schwierige Ausgangsbedingungen für den Start in die berufliche (Aus-)Bildung haben (höhere Anteile ohne und mit Hauptschulabschluss)[7], wird die Aussage des OR, männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund haben die „schlechteste schulische Bildungschancen“ in der Gruppe nicht umstandslos geteilt, denn der Zusammenhang/die Wechselwirkungen von Migrationshintergrund / Bildungsprozessen sind nicht eindeutig geklärt und das Wissen über Bildungslaufbahnen immer noch begrenzt.[8]

 

Der Spiegelstrich acht: „Immer mehr Jugendliche haben die Chance, in weiterführenden Schulen höhere Bildungsabschlüsse anzustreben…“ ist aktuell und bezeichnet ein sich zuspitzendes Problem der beruflichen Bildung bzw. des Übergangs von der Schule in den Beruf, das engagiert diskutiert wurde. Immer höhere (schulische) Bildungsabschlüsse garantieren keinen erfolgreichen Einstieg in eine Berufslaufbahn, in anderen hessischen Regionen sei der Realschulabschluss für beruflichen Erfolg und Entwicklungschancen ausreichend, in der Wahrnehmung vieler Eltern und Schülerinnen und Schülern in Offenbach aber nicht. Wie und nach welchen Kriterien soll eine Förderung für weiterführende Bildungsabschlüssen aussehen? Auf jeden Fall müssten die Eltern als Bildungsbegleiter mit ins Boot geholt werden, das zeigten auch die Ergebnisse des Diesterweg-Stipendiums, das Familien in Offenbach unterstützt. Auch Querversetzungen vom Gymnasium auf die Gesamtschule müssten im Sinne potenzialorientierten Arbeitens gut begleitet werden. Potenzialorientierte Förderung sollte die Anwendung von Kriterien wie Migrationshintergrund, Armut/Armutsgefährdung ersetzen.

 

 

Kapitel IV: Im Interesse einer guten Bildung: Zentrale Aspekte der Stadt- und Landespolitik

 

Dieses Kapitel hat im Evaluationsauftrag der Stadtverordneten besondere Bedeutung bekommen. Geprüft werden soll, ob die Stadt die entsprechenden Forderungen an das Land gestellt und wie das Land auf die Forderungen reagiert hat[9].

Die erste Forderung bezieht sich auf Nutzung des Sozialindex des Landes Hessen für die Berechnung der Zuweisungen des Landes für Schulbau und laufenden Betrieb an Schulen und ebenso für die ganztägige Arbeit bzw. Lehrerstellen. Hier sagt das SSA z.B., dass die besonderen Bedarfe von Offenbach sich in der erhöhten Zahl der Lehrerstellen bzw. der zur Verfügung gestellten Stunden niedergeschlagen haben.

 

In der zweiten Forderung wird ein Ausgleich des Landes für den frühzeitigen Ausbau der U3 Plätze durch die Kommune ins Spiel gebracht.

 

In der dritten Forderung werden „erhöhte Mittel für den „außerordentlichen kommunalen Bedarf an Sprachförderung in allen Bildungsstationen des Lebenslangen Lernens, von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung“ angemahnt.

 

Im vierten Spiegelstrich geht es darum, dass Offenbach für seine relativ junge (und wachsende) Bevölkerung besonders große Investitionen in den Bau und die Ausstattung von Bildungseinrichtungen vornehmen muss und dafür eine stärkere Beteiligung des Landes einfordert.

 

In dem fünften Spiegelstrich soll das Land rechtliche Voraussetzungen für die Zusammenarbeit der Bildungsakteure zu unterstützen. „Es müssen tragfähige rechtliche Rahmenbedingungen entwickelt werden, beispielsweise für die gemeinsame Budgetverantwortung von kommunalen und Landesmitteln und für den institutionellen Aufbau ganztägiger Arbeit“.


Tabelle: Fünf Forderungen an das Land und die Umsetzung (OR, S. 10)

 

„Die Stadt Offenbach muss gegenüber dem Land zentrale Forderungen formulieren“ (OR, S. 10):

Wurde(n) (seit 2012) entsprechende Forderung(en) seitens der Stadt Offenbach an das Land gerichtet bzw. gab es Initiativen über den Städtetag (…)?

Hat das Land reagiert? Wurde die Forderung umgesetzt?

1.

Nutzung des Sozialindex des Hessischen Kultusministeriums für die Berechnung der Zuweisungen des Landes für Schulbau und den laufenden Betrieb an den Schulen. Sie sind seit 2010 nicht gestiegen.

 

 

Dies gilt auch für die Mittel für ganztägige Arbeit bzw. Lehrerstellen.

 

 

Im Rahmen der Veranstaltung „Demografie umgekehrt“ (2011, s. Frage 4.)

 

Im Rahmen der Veranstaltung „Demografie umgekehrt“

 

Im Rahmen der Bildungsberichterstattung (EBO 2013, EBO 2015.)

 

 

Das Land setzt seit 2013 für die Verteilung (eines Kontingents an Stellen) einen Sozialindex ein. Von dieser Verteilung profitiert die Stadt Offenbach in besonderem Maße.

 

 

Ganztägige Arbeit: Die Zuwendung des Landes zur Umwandlung von Stellen („Mittel statt Stelle“) wurden seit 2010 erhöht.

2.

Ausgleich des Landes für den frühzeitigen Ausbau der U3-Plätze durch die Kommune.

 

 

Der Rechtsanspruch wurde vom Bund beschlossen. Jugenddezernat / Jugendamt weisen in diesem Zusammenhang immer wieder auf das Konnexitätsprinzip hin.

 

Mit Einführung des Rechtsanspruchs: einmalige Zahlung des Landes an die Stadt Offenbach. Zudem gibt es regelhafte Platzpauschalen des Landes für belegte Kita-Plätze direkt an Träger. Beides macht aber nur einen Bruchteil der benötigten finanziellen Ressourcen aus, somit finanziert die Kommune den Großteil selbst.

3.

Forderung nach erhöhten Mitteln für den außerordentlichen kommunalen Bedarf an Sprachförderung in allen Bildungsstationen des Lebenslangen Lernens, von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung.

 

 

Im Rahmen der Bildungsberichterstattung (EBO 2013, EBO 2015)

 

Forderungen der Stadt Offenbach: Fortführung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“ über das geplante Ende Dezember 2022 hinaus.

 

 

 

 

 

Sprach-Kitas: Der Bund hat eine Verlängerung bis Ende Juni 2023 ermöglicht, das Land die Übernahme und Weiterführung bis vorerst Ende 2024 zugesichert.

 

Land: Vorlaufkurse (Deutschförderung für noch nicht schulpflichtige Kinder im letzten Kindergartenjahr) sind seit dem Schuljahr 2021/22 verpflichtend)

 

Schulisch: Programme des Landes, z.B. Deutsch und PC, Aufholen nach Corona/Löwenstark-Programm.

4.

Aufgrund der „umgekehrten Demografie“ der relativ jungen Bevölkerung in Offenbach muss sich das Land auch bei Bau- und Ausstattungsinvestitionen in Bildungseinrichtungen stärker beteiligen.

 

 

Schon früh (2011) Initiative der Stadt mit der Veranstaltung „Demografie umgekehrt“ (u.a. Diskussion mit bildungspol. Sprecherinnen und Sprechern des Landes)

 

 

 

Bund und Land beteiligen sich über Investitionsprogramme am Platzausbau im frühkindlichen Bereich sowie im Schulbau (auch bei der Digitalisierung von Schulen -> Digitalpakt). Das Geldvolumen ist nicht ausreichend.

 

Die Verteilung von Mittel erfolgt nicht sozialinduziert (z.B. nicht über einen Index sozialer Belastung).

5.

Das Land muss die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen schaffen, um die Zusammenarbeit der Bildungsakteure zu unterstützen und abzusichern. Es müssen tragfähige rechtliche Rahmenbedingungen entwickelt werden, beispielweise für die gemeinsame Budgetverantwortung von kommunalen und Landesmitteln und für den institutionellen Aufbau ganztägiger Arbeit.

 

 

 

Forderung im Rahmen der Initiative Hessencampus (HC) durch den HC-Sprecherkreis, an dem auch die Stadt OF beteiligt war

 

 

 

Eine gemeinsame Budgetverwaltung von Land und Kommune im schulischen Bereich ist kein Ziel mehr.

 

 

 

 

 

Im Rahmen von Hessencampus kann seit 2013 über ein gemeinsames Budget verfügt werden (Landesmittel und kommunale Mittel).

 

 

 

 

 

Die Ganztags-Kooperation zwischen Land und Kommune hat sich durch den Pakt für den Nachmittag verbessert. Seit dem Schuljahr 2016/17 ist die Stadt Offenbach über die Ganztagsklassen (Kooperation EKO/Grundschulen) Partner im Pakt.

 

 

 

 

 

 

 


 

Kapitel V: Handlungsoptionen für die Bildungsstationen des Lebenslangen Lernens

 

1.      Frühkindliche Bildung und Betreuung[10]

 

 

Zusammenfassung der Evaluation:

Die Diskussionen zu den einzelnen Punkten der Handlungsoptionen haben deutlich gezeigt, dass die im OR formulierten Strategien und Entwicklungsanforderungen und -ziele handlungsrelevante Leitlinien waren, an die man sich im Laufe der Zeit immer weiter angenähert hat. Zusammenfassend könnte man sagen: Es gilt nach wie vor, die Qualität der Kitas weiter zu entwickeln oder voranzubringen, die Professionalität der Erzieherinnen und Erziehern zu stärken, das Curriculum für die frühe Bildung verbindlich mit musisch-kreativen Elementen anzureichern und für eine engere Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern zu sorgen, die Kooperation mit den freien Trägern zu intensivieren und dafür zu sorgen, dass verbindliche Qualitätsvorstellungen entwickelt und umgesetzt werden. Die Pandemie hat allerdings einige Entwicklungen gestoppt, oder aber für einen zeitweiligen Stillstand z.B. der Kooperationen gesorgt, das gilt für die Zusammenarbeit zwischen Stadtbibliothek und Kitas, ebenso für die weitere Förderung der musisch-kreativen (Jugendkunstschule), musikalischen (Musikschule), der mathematisch-naturwissenschaftlichen Themen und Kompetenzen, die für die frühe Bildung eine große Bedeutung haben sollten. Einige Themen sind, bedingt durch die Offenbacher Bevölkerungsstruktur, gleichgeblieben, wie die Sprachförderung, Kinderarmut mit ihren Auswirkungen auf Teilhabe und Entwicklungschancen, die Notwendigkeit, Eltern verstärkt miteinzubeziehen. Neue Themen für diesen Bildungsbereich sind dazugekommen: Wie umgehen mit dem Fachkräftemangel, Digitalisierung, Notwendigkeit der Resilienzförderung auch als Konsequenz der Erfahrungen mit der Pandemie.

 

 

Der OR hatte festgestellt, dass die gesetzlichen Verpflichtungen zum Ausbau der Kindertagesbetreuung und die spezifische Bevölkerungsstruktur die Handlungsoptionen für Offenbach prägen. Auf dieser Folie sind die einzelnen Ziele zu sehen.

 

Das übergeordnete Ziel des Ausbaus (Ziel und erster Spiegelstrich im OR, S. 11) ist inhaltlich gleichgeblieben, aber die Zahlen haben sich verändert: Nicht mehr 35% Versorgungsquote für unter Dreijährige werden angestrebt, sondern die laut Stadtverordnetenbeschluss definierten 45 % der Population (gemäß Datenbericht Bildung 2022 liegt sie im Dez. 2021 bei 38 Prozent). Und perspektivisch erscheint auch diese Zahl nicht ausreichend zu sein. Mit dem Offenbacher Bevölkerungswachstum ist auch der Inklusionsbedarf gestiegen, der überwiegend durch die städtischen Kitas gedeckt wird. Der Rechtsanspruch für die 3-6-Jährigen sieht für 98 % der Kinder einen Platz vor, dies ist allerdings noch keine Realität, da durch die Inklusionsplätze zusätzliche Plätze gebunden werden.

 

Das im zweiten Spiegelstrich formulierte Ziel einer möglichst frühen Sprachförderung ist ein gültiges Ziel geblieben, ebenso, dass Kinder aus armutsgefährdeten Familien Defizite der Sprachentwicklung aufweisen und darum erhöhten Förderbedarf haben (dritter Spiegelstrich). Hier ist der Hinweis von Prof. Gold angebracht, dass eine frühe Diagnostik entscheidend ist. Ein möglichst frühes Screening (aller Kinder) mit anschließender Diagnostik für die Auffälligen sei die Methode der Wahl, daran kann sich dann die frühe Förderung anschließen[11].

 

Die Realität in der Pandemie hat zu weiteren „Aufholbedarfen“ nicht nur in der Sprachentwicklung, sondern auch in den sozialen Kompetenzen geführt. Kinder, die während der Pandemie geboren und aufgewachsen sind, kennen z.T. nur ihre Familien, keine Peergroups, kein Heraustreten aus der Familie. Bei ihnen sind kognitive Entwicklungen, das Sozialverhalten, die Konfliktbewältigung verzögert. Dadurch haben sich die Tätigkeitsschwerpunkte in den Kitas verschoben: Notwendig wurden während der Pandemie kontakthaltende Maßnahmen, besondere neue Angebote, die den Familien vorgeschlagen und mit „Arbeitshilfen“ erleichtert wurden.

 

Die im vierten Spiegelstrich betonte Zielsetzung, für Kitas in sozialräumlich segregierten Lagen besonders qualifiziertes Personal für die notwendige Sprachförderung zu beschäftigen, ist ein stetig verfolgtes Ziel geblieben, das aber durch den Fachkräftemangel sehr erschwert wird. Dieses Ziel hat zwei Aspekte: die Sprachförderung in den Kitas und die Qualifizierung für die Sprachförderung der Kita- Beschäftigten. An beiden Aspekten wird nach wie vor gearbeitet. Wie auch von Prof. Gold formuliert, haben die Offenbacher Kitas „verdienstvoll früh“ mit der Sprachförderung begonnen und im Verlaufe ihrer Arbeit den konzeptionellen Ansatz gewechselt. Die alltagsintegrierte Sprachförderung wird bevorzugt, „weil die spezifischen Programme allesamt ihren Mehrwert (in Relation zum Aufwand) nicht erwiesen haben“.[12] Prof. Gold weist darauf hin, dass es bei besonderem Förderbedarf zusätzlich zur alltagsintegrierten Förderung spezielle Fördermaßnahmen geben muss. Darüber hinaus vertritt er die Position, man solle sich bei der Sprachförderung allein auf die Förderung in der späteren Unterrichtssprache Deutsch konzentrieren.

 

Die Kitas haben ein eigenes Qualifizierungsprogramm begonnen, das auf dem Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan und dem Landeskonzept zur sprachlichen Bildung und Förderung beruht. Seit 2014 werden die Fachkräfte der Kitas damit fortgebildet.

 

Ob das im OR benannte Ziel der Verminderung des hohen Ausmaßes an sozialer und herkunftssprachlicher Segregation erreicht wurde, wird eher skeptisch beurteilt. EKO und Fachberatung weisen hier auf die Erschwernisse durch „Armut und Krisenbewältigung der Pandemie“ hin, vermuten aber, dass sich das Bewusstsein verbessert hat und sich das Niveau gehalten und nicht verschlechtert hat.

 

Der fünfte und sechste Spiegelstrich thematisiert notwendige Entwicklungen, um gleiche Bildungschancen aller Kinder in Offenbach sicherzustellen. Dazu gehört z.B., dass auch die Sprachförderangebote in den Kitas anderer Träger ausgebaut werden. EKO und Fachberatung verweisen zu diesem Punkt auf die Nutzung des „Bundesprogramms Sprach-Kitas“, an dem 24 EKO Kitas und 5 Kitas freier Träger teilgenommen haben. „Das Bundesprogramm stärkt die pädagogischen Fachkräfte in den Sprach-Kitas darin, die Sprachentwicklung der Kinder und ihr eigenes Sprachverhalten systematisch zu beobachten und Ideen für die sprachpädagogische Arbeit im Kita-Alltag abzuleiten. Um die sprachliche Bildung im Alltag zu verankern, erhalten die Sprach-Kitas doppelte Unterstützung“. Die zusätzliche halbe Stelle für eine Fachkraft mit Expertise im Bereich sprachlicher Bildung entwickelt in der Kita mit dem Team Konzepte für die alltagsintegrierte sprachliche Bildung und setzt diese um. Eine externe zusätzliche Fachberatung (1/2 Stelle) unterstützt kontinuierlich und prozessbegleitend die Qualitätsentwicklung in den Sprach-Kitas, qualifiziert die zusätzlichen Fachkräfte und begleitet die Tandems aus zusätzlichen Fachkräften und Einrichtungsleitungen innerhalb eines Verbundes von 10 bis 15 Sprach-Kitas.[13]

 

Der siebte Spiegelstrich betont, dass „vergleichbare Rahmenbedingungen für die pädagogische Qualität der Betreuung in den Kitas freier Träger und für die Qualifikation des dort eingesetzten Personals geschaffen werden, damit für alle vergleichbare Qualitätskriterien gelten können“.[14] Auch diese konzeptionelle Zielsetzung des OR ist weiterverfolgt worden. Es gebe positive Bewusstseinsveränderungen in allen Einrichtungen, die Bedeutung von Unterstützungsstrukturen für eine gute Kita-Qualität werde gesehen. Es gibt eine trägerübergreifende Zusammenarbeit, die sich auch mit dem Themen Qualitätsentwicklung und pädagogische Fachberatung, die vom EKO trägerübergreifend finanziert wird, für alle  beschäftigt.[15] Dazu tragen auch Supervisionen und Fortbildungen bei, deren Besuch für alle EKO-Kita- Mitarbeitenden 2023 möglich gemacht werden. Im Gegensatz zu früher wird dies dadurch sichergestellt, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an pädagogischen Tagen teilnehmen können und nicht mehr zur „Notbetreuung“ eingeteilt werden.

 

Der achte Spiegelstrich sagt „in den Einrichtungen der Elementarbildung sollte die frühe Förderung der mathematisch-naturwissenschaftlichen, musischen und kreativen Fähigkeiten einen hohen Stellenwert genießen“.[16]

 

Von der Evaluationsgruppe wird diese Einschätzung geteilt. Die Weiterverfolgung dieses Konzepts und seine Umsetzung ist aber durch die Pandemie stark eingeschränkt worden. Die Mitglieder der Evaluationsgruppe haben dies einstimmig bedauert und auf die aktuell wieder beginnenden Kooperationsbemühungen verwiesen. Insbesondere sollten Musikschule, Jugendkunstschule, Stadtbibliothek als positive Kooperationspartner deutlich benannt und sowohl deren eigene Vorhaben, als auch die Vorhaben in Kooperation stark „beworben“ werden. Außerdem befürworten sie ein Curriculum für Kitas zu musischen, kulturellen und kreativen Angeboten und den Angeboten der Stadtbibliothek für alle Kinder, unabhängig vom wirtschaftlichen Hintergrund von Kindern/Eltern.

 

Der OR geht auf den Übergang von der Kita zur Grundschule ein (letzter Spiegelstrich) und befürwortet dabei eine verbesserte Kommunikation zwischen beiden Institutionen und die Entwicklung einer Sprachförderung, „deren Prinzipien von Kita und Grundschule gemeinsam getragen werden“.[17]

Die Kommunikation findet statt. Die Übergangsbegleitung[18] hat sich laut EKO etabliert. Die Ausgestaltung „hat aber noch Potenzial nach oben“.

Ein Baustein dabei ist die Schuleingangsuntersuchung, die allerdings während der Pandemie nicht möglich war. Das Stadtgesundheitsamt hat dabei mehrfach die Möglichkeit genutzt, mit Erzieherinnen und Erziehern zu sprechen, um die Schulen über Schwierigkeiten zu informieren (Entbindung von der Schweigepflicht). In Pandemiezeiten haben sich die Schulen direkt an die Kitas gewandt und die Erzieherinnen und Erzieher um Einschätzungen gebeten. Das Stadtgesundheitsamt hat eine große Verunsicherung bei den Eltern und teilweise eine Überfürsorglichkeit festgestellt, nachdem die Schuleingangsuntersuchungen wieder stattgefunden haben, und das Bewusstsein für die eigene Erziehungsverantwortlichkeit ist zum Teil zu gering. Eine stärkere Begleitung beim Übergang von der Kita zur Grundschule wird vom EKO gewünscht und die Entwicklung eines Konzepts gemeinsam mit dem Stadtgesundheitsamt.

 

Die Evaluation fragte explizit nach neuen Problemlagen im Bildungsbereich „Frühe Bildung und Betreuung“, die zu allgemeinen Handlungsstrategien führen sollten.

Folgende Überlegungen wurden genannt:

-       Pädagogische Resilienz-Förderung bei Eltern, Kindern, Erzieherinnen und Erziehern sowie Entwicklung und Reflexion von Krisenmanagement, denn Krisen werden nicht aufhören.

-       Eine Intensivierung und Förderung der Arbeit mit Eltern und Kindern in der Stadtbibliothek.

-       Musizieren und singen mit Kindern muss ein Inhalt der Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher werden.

-       Die Verantwortlichkeit der Eltern bzw. Familien muss gestärkt, die Erziehungsräume von Eltern, Kitas, Schulen geklärt werden.

-       Da Fachkräfte fehlen, müssen Zugänge für die Ausbildung geöffnet, gleichzeitig muss die Qualität gesichert werden.

-       Inklusion, Digitalisierung, Bewegungsmangel, Gesundheit, Kinderarmut sind wichtige Themen.

 

Der OR hat nach Meinung der Evaluationsgruppe zur eigenen Arbeit beigetragen, nicht nur die Diskussionen der Entstehungszeit haben nachgewirkt, sondern es wurden Ziele, Strategien und Haltungen festgehalten, die wichtig für die Arbeit waren. Eine schriftliche Grundlage wie der OR liefert einen Vergleichsmaßstab, macht Veränderungen sichtbar, gibt Halt, Orientierung und Verbindlichkeit, fördert Demokratieprozesse und ist eine verlässliche Grundlage, auch für Kooperationen. Eine kürzere „Laufzeit“ eines fortgeschriebenen OR wird gewünscht, dann könnte er auch eine aktuelle Leitlinie sein, mit der den politisch Verantwortlichen eine aktuelle Position vorgelegt werden könne.

 

 

2.      Schulische Bildung[19]

 

 

Zusammenfassung

Dieser Bildungsbereich wird maßgeblich auch durch die Schulpolitik des Landes und die Rolle der Staatlichen Schulämter geprägt. Darum ist die Bedeutung von gelingender kommunaler Kooperation verschiedenster Akteure: Jugendamt, Stadtschulamt, Staatliches Schulamt (SSA), ehrenamtliche Akteure und kommunale Bildungskoordinierung nicht hoch genug einzuschätzen. Das war auch eine der zentralen Handlungsoptionen des OR, die weiterhin ihre starke Geltung behalten hat, auch wenn sich die „erweiterte Schulträgerschaft“ als nicht mehr zeitgemäßer Begriff erwiesen hat. Weiterhin geltende Handlungsoptionen, die Leitbildcharakter haben, sind pädagogisch gut fördernde Ganztagsschulen, die immer bessere Annäherung an das Leitprinzip individuelle Förderung, auch wenn die personellen und räumlichen Rahmenbedingungen nicht optimal sind, bessere Integration und Inklusion. Die Begleitung der Übergänge von Kita in Grundschule und von Grundschule in weiterführende Schulen hat sich weiter strukturiert und etabliert, auch weil sich die kommunale Bildungskoordinierung mit neuen Konzepten und Koordinierung eingebracht hat. Im Bereich der ganztägigen Beschulung und der Fortbildung für eine gute Zusammenarbeit verschiedenster Gruppen pädagogisch Tätiger ist durchaus noch Platz für weitere gute Konzepte. Die im OR formulierten Forderungen haben sich – mit Abstrichen und notwendigen Ergänzungen – als recht zeitfest erwiesen.

 

Die Handlungsoptionen dieses Kapitels sind vor dem Hintergrund der Wahrnehmung der demographisch-sozialen Situation und der (vermuteten)[20] Bildungschancen der Schülerinnen und Schüler einzuordnen.

 

In der Darstellung des OR liegt in Offenbacher Grundschulen im Schuljahr 2011/12 der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund zwischen 30 und 89 Prozent, zahlreiche Schulen liegen in Schuleinzugsbezirken mit hohen Armutsquoten. Nach der Grundschulzeit sind die weiteren Schulstationen der Schülerschaft mit Migrationshintergrund (55% der Schülerschaft in der Sek. I mit Migrationshintergrund) durch eine hohe Differenz zu denen der deutschen Schülerschaft gekennzeichnet, Schulformen mit der Möglichkeit höherer Abschlüsse besuchen. Männliche, nichtdeutsche Schüler weisen die niedrigsten Bildungsabschlüsse auf, es gibt „einen hohen Anteil von Schulabgängern ohne Abschluss“[21].

 

Die erste Handlungsoption des OR bezieht sich auf die Einrichtung von zusätzlichen Gesamtschulen und die dort gewünschten sozialen und pädagogischen Qualitätseffekte.

 

Das beantwortete die Evaluationsgruppe unterschiedlich. Reine Betreuung erzeuge erstmal keinen Bildungseffekt, wohl aber eine „Lernzeit am Nachmittag“. Gut organisierter Ganztag hat für die Schülerinnen und Schüler den Effekt, dass die „Schulbücher in der Schule bleiben“, das soziale Lernen stark gefördert wird, und die Fortschritte und die Kompetenzerweiterung im Deutschen sichtbar sind. Aus Sicht des SSA sollte die Betreuung im Ganztag auch in der Schule bleiben, das ist ein Qualitätsanspruch.

 

Eine Zusammenarbeit mit Trägern für die Nachmittagsbetreuung stelle einerseits personelle Ressourcen und Qualifikationen zur Verfügung, und erzeuge andererseits, so die verschiedenen Standpunkte in der Diskussion, u.U. einen Flickenteppich mit „Reibungen“. Für eine gelingende Zusammenarbeit mit den Trägern fällt hier der städtischen Servicestelle Ganztag eine besondere Bedeutung zu.

 

Förderkreise/Fördervereine spielen mitunter eine herausragende Rolle in der Umsetzung/Organisation des Ganztags an Schulen in Offenbach (Verwaltung von Budgets, Stellen). Sie haben aber häufig mit vielen bürokratischen Details zu kämpfen, die sie tendenziell aufgrund ihrer ehrenamtlichen Struktur überfordern. Hier unterstützt die städtische Servicestelle Ganztag. Zu überlegen wäre aber, das formulieren die Schulvertreter und SSA, eine Fördervereinigung, wie sie im Landkreis Offenbach mit der GIB existiert, zu gründen, die die organisatorischen und rechtlichen Regelungen und vor allem die Personalverantwortung übernimmt. Von Seiten der Stadtverwaltung wird die Gründung einer solchen Gesellschaft nicht unbedingt befürwortet. Die Vergabe an Träger zur Umsetzung des Ganztags an Schulen solle vielmehr in Zukunft weiterhin durch die – dann weiter auszubauende - Servicestelle Ganztag erfolgen.

 

In Offenbach gibt es aktuell drei gebundene Ganztagsschulen (sog. Profil 3): Friedrich-Ebert-Schule, Grundschule Buchhügel, Fröbelschule sowie teilgebunden im Profil 3 die Mathildenschule und die Leibnizschule. Weitere drei Schulen haben das Profil 3 zum Schuljahr 2023/2024 beantragt: Schule Bieber (teilgebundenes Profil 3), Ludwig-Dern-Schule (komplett), das neue Gymnasium in Gründung, das im neuen Schuljahr dreizügig beginnen wird. In der Sicht des SSA zeigt sich, dass „Trend und der Bedarf gehen eindeutig zum Ganztag, bei dem neuen Gymnasium ist das angestrebte Profil 3 auch ein „Zugpferd“, das belegen die Äußerungen der Eltern“[22]. Für das Gelingen sind die Verzahnung von Vor- und Nachmittag und die längere, betreute Zeit die entscheidenden Aspekte.

 

Die zweite Handlungsoption im OR war, dass für die neuen Anforderungen Fortbildungsmöglichkeiten für alle Gruppen der pädagogisch Tätigen vorhanden sein sollten, um zu einer besseren Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen in der Schule zu kommen.

 

Diese Option wurde vor dem Hintergrund der Ganztagsentwicklung diskutiert. Hier wurde deutlich, dass die bisher zur Verfügung gestellte Zeit für die Kooperation, für das „Management“ der Kooperation unzureichend ist und der erhöhte Verwaltungsaufwand im OR nicht formuliert wurde, ein Aufwand, der sich auch in (zusätzlichen) Aufgaben für die Schulverwaltungskräfte niederschlagen könnte. Den Schulen können im Rahmen des Förderprogramms „Starke Heimat Hessen“ zusätzliche Verwaltungsentlastungstellen bereitgestellt werden. Die Stellen sind verteilt und werden nun bereitgestellt, informiert das Städtische Schulamt. Was den kommenden verpflichtenden Rechtsanspruch auf Ganztag in Grundschulen angeht, werden, so die Diskussion, vor allem Schulleitungen stärker belastet werden.

 

Für den Bereich des Ganztags gibt es Fachberatungsstunden des SSA für die Leitungen der Schulen für Verzahnung, Vernetzung und für die Vorarbeiten zur Vorbereitung. Ebenso gibt es Fortbildungen, z.B. für die Sprachförderung des Betreuungspersonals in Schulen. Darüber hinaus gibt es z.B. seitens der vhs Offenbach in Kooperation mit der Servicestelle Ganztag für Mitarbeitende von Fördervereinen und Trägern einen Zertifikatskurs-Ganztag.

 

Es müsste der Anspruch sein, dass die Verzahnung im Ganztag so gut gelingt, dass die Ziele der Schulen von allen beteiligten Personengruppen erreicht werden können. Angebote der Kommune könnten dort ihren Platz finden.

 

Die dritte Handlungsoption ist der Betonung der Zusammenarbeit mit den Eltern und die breite Einführung und Verankerung solcher Konzepte gewidmet. Bei den pädagogisch Tätigen, der Verwaltung und den Verantwortlichen muss eine „Kommunikation auf Augenhöhe“[23] mit den Eltern gepflegt werden.

 

Hier besteht Einigkeit, dass ein paternalistisches Verhalten, z. B. gegenüber migrantischen Eltern, kaum vorzufinden ist, auch dem SSA liegen dazu keine Hinweise vor. Da in den Grundschulen mittlerweile viele Lehrkräfte mit migrantischen Wurzeln tätig sind, hat sich das gegenseitige Verständnis spürbar verbessert. Dabei stellt die Migrationsgeschichte ein mögliches Potenzial dar, das aber erst durch kompetentes pädagogisches Handeln zum Tragen kommen kann.

 

Die im vierten Spiegelstrich thematisierte individuelle Förderung von Kindern und Jugendlichen ist die zentrale Leitidee. Wie wird sie gestaltet?

 

Aus der Perspektive des SSA ist schon einiges an inklusiver, integrativer und individueller Förderung erreicht worden, Inklusion ist der eine Schwerpunkt, der andere ist Integration, verstanden auch als Kulturförderung, unter Einbezug der Familien. Aber es gibt natürlich immer noch Spielraum nach oben. Aus Sicht der Evaluationsgruppe funktioniert die Integration schon gut, ist auch in und mit den Schulen leistbar. Man sieht das auch daran, dass Kinder osteuropäischer Herkunft, die erst später in das deutsche Schulsystem kommen (sog. Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger) teilweise sehr gute Schulnoten aufweisen. Angebote des städtischen Jugendbildungswerks, des schulischen Beratungs- und Förderzentrums helfen dabei. Die vhs-Fachstelle Bildungskoordinierung und Beratung weist in dem Zusammenhang auf die mögliche hilfreiche Rolle von ehrenamtlichen Lernbegleitenden in Intensivklassen, von „Lernbuddies“ für Grundschulkinder sowie auf kompensatorische Angebote in den Ferien (z.B. Deutschsommer, climb-Lernferien) hin.

 

Allerdings verhindern die räumlichen (vor allem in den nicht sanierten Schulen) und personellen Ressourcen eine weitergehende individuelle Förderung, vor allem, wenn man darunter als Ideal versteht, dass jeder/jede die passende notwendige personelle Unterstützung, das geeignete Unterrichtsmaterial erhalten. Hier kommt eine Lehrkraft mit 25-30 Kindern an Grenzen. Eine Anmerkung zum, die Inklusion unterstützenden, Angebot an Teilhabeassistenz: Das Rollenverständnis von Teilhabeassistentinnen und –assistenten ist manchmal unklar und ihre Qualifizierung wäre sinnvoll, findet aber nur bei einigen Trägern statt. Grundsätzlich – so die Gruppe - bemerkt man, dass Inklusion umso schwieriger wird, je älter die Schülerinnen und Schüler werden.

 

Im OR wird im fünften Punkt die Forderung aufgestellt, dass es aufgrund der hohen Internationalität in Offenbach und den gestiegenen Anforderungen an Fremdsprachenkompetenz schon in den Grundschulen verstärkt Möglichkeiten des muttersprachlichen Unterrichts geben sollte.

Ob verstärkt oder nicht, auf jeden Fall gibt es in Offenbacher Grund- und weiterführenden Schulen zahlreiche Angebote für den herkunftssprachlichen Unterricht, der allerdings als Wahlunterricht erfolgt. Ein weiterer Aspekt, die Bedeutung für die eigene Bildungsbiografie und die Wertschätzung der eigenen Herkunft, zeigt sich in der Testierung und Zertifizierung des herkunftssprachlichen Sprachstandes für Schüler ab Sekundarstufe 1 durch „Hessencampus“[24].

 

Die Handlungsoptionen sechs und sieben thematisieren die für den Erfolg notwendige enge Kommunikation zwischen Kommune, Schulen und SSA sowie das Selbstverständnis einer erweiterten Schulträgerschaft und einer dauerhaft etablierten Kooperationsstruktur.

 

In der Evaluationsgruppe ist der Begriff der erweiterten Schulträgerschaft nicht mehr bekannt oder gebräuchlich, die notwendige Kooperation wird stattdessen als gelebtes Handeln verstanden, akzeptiert und für die Zukunft als sehr wichtig eingeschätzt.

 

In diesem Zusammenhang steht der achte Spiegelstrich des OR, die Weiterentwicklung und Systematisierung der Kooperation zwischen den unterschiedlichen Systemen der Bildung, etwa von Schule und Jugendhilfe sowie die Umsetzung eines Konzepts zur Begleitung der Kinder bei Wechseln zwischen den Systemen.

 

Aus Sicht der Jugendhilfe an Schule ist die Kooperation gut, z.B. mit den Teilhabeassistenzen. Eine Schulleitung berichtet von einer guten Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und mit Lerntherapeuten aus dem Umkreis des Jugendamts. Das Staatliche Schulamt weist darauf hin, dass es bei der Begleitung beim Übergang von Kitas zu Grundschulen seit einigen Jahren die verpflichtenden Vorlaufkurse ein Jahr vor der Einschulung gibt. Sie finden in Grundschulen und/oder Kindertagesstätten statt und zielen darauf ab, dass alle Kinder mit hinreichenden Deutschkenntnissen in der Grundschule starten können.[25]

 

Bei dem Übergang von Grund- zu weiterführenden Schulen gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von erleichternden Maßnahmen, bei denen Stadt (bzw. vhs-Fachstelle Bildungskoordinierung und Beratung), SSA und Schulen kooperieren: zentrale Elterninformationsabende dazu ergänzend Informationsabende in verschiedenen Herkunftssprachen, schriftliche Informationen in Deutsch und in verschiedenen Herkunftssprachen, Vermittlung von Laiendolmetschenden auch für die Übergangsberatung, zentraler Lehrkräftesprechtag 6-8 Wochen nach dem Übergang in die Sek. I zum Austausch von Grund- und weiterführender Schule.

 

Im neunten Spiegelstrich wird darauf aufmerksam gemacht, dass die unterschiedlichen Schulerfolge von Jungen und Mädchen unterschiedliche geschlechtsspezifische Lernangebote notwendig machen. Hier verweist die Evaluationsgruppe vor allem auf spezifische MINT-Angebote für Mädchen.

 

Der zehnte Spiegelstrich im OR thematisiert die notwendige und zu intensivierende Beratung der Eltern über die Konsequenzen ihrer Entscheidung für einen weiterführenden Bildungsgang ihrer Kinder. Die Evaluationsgruppe ist sich einig darin, dass von Seiten der Schulen und der Stadt und dem SSA dazu viele Anstrengungen unternommene werden, allerdings mit unsicherem Erfolg.

 

Eine notwendige Ergänzung des OR für die Zukunft bringt die stellvertretende Leiterin der Stadtbibliothek ein. Sie erhofft sich in Zukunft den Hinweis auf die Stadtbibliothek als Bildungspartnerin für die Offenbacher Schulen und Kitas.

 


 

3. Übergang Schule - Beruf[26]

 

 

Zusammenfassung

Zentrale Ziele des OR sind in diesem Bereich offensichtlich kontinuierlich weiterverfolgt worden, das gilt z.B. für die gute Gestaltung des Übergangs mit vielen Akteuren. Dennoch sind die Akteure selber nicht ganz zufrieden mit ihren Resultaten, was sicherlich auch daran liegt, dass sie selbstkritisch festgestellt haben, dass Koordinierung, Verbindlichkeit, mehr Struktur und Transparenz in diesem Angebotsbereich noch fehlen. Auch bei der qualifizierten Förderung benachteiligter junger Menschen ist viel entwickelt worden, eine ganze Reihe von neuen Maßnahmen und Möglichkeiten steht für Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger, Neu-Zugezogene zur Verfügung. Diskussionswürdig ist, welche Definition von Benachteiligung denn handlungsleitend sein sollte. Das wird auch erneut zum Thema, wenn nach der intensiven Förderung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund gefragt wird. Da zeigt sich die bei allen Akteuren übereinstimmende Perspektive, dass dieses Merkmal Migrationshintergrund allein in Offenbach nicht aussagekräftig ist, nur in Verbindung mit anderen Aspekten bringt es noch eine Benachteiligung hervor, die in der Praxis zu berücksichtigen ist. Eine weitere Übereinstimmung im positiven Sinne wird in der Bejahung und Verständigung über eine individuelle Übergangsbegleitung und Berufsorientierung deutlich. Je individueller dies geschieht, desto größer ist das Matching. Deutlich wird aber auch, die Jugendlichen müssen sich mit ihren beruflichen Vorstellungen, die zum Teil aus den sozialen Netzwerken kommen, kritisch auseinandersetzen und Betriebe müssen – angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels – Zugänge verbessern, und Berufe und Berufsbilder attraktiver machen. Die Handlungsoptionen für diesen Bereich waren durchaus handlungsanleitend, müssen zum Teil angesichts veränderter Realitäten aber reformuliert werden.

 

 

Der OR wies auf die Ungleichheit der Chancen von Männern und Frauen im Berufsbildungssystem hin: Frauen besetzten in höherem Maße die schulischen beruflichen Ausbildungsgänge, Männer dagegen die der dualen beruflichen Ausbildung mit besseren Chancen für berufliche Integration und höhere Entlohnung. Jugendliche ohne deutschen Pass sind in dieser Ausbildungsform ebenfalls unterrepräsentiert und stellen überproportional viele Teilnehmende des Übergangssystems. Das Übergangsystem selbst liegt mit ca. einem Viertel der Schulabgehenden an zweiter Position hinter der beruflichen Ausbildung und vor der schulischen Berufsausbildung.[27]

 

Aus kommunaler Perspektive ist die „gute Gestaltung des Übergangs Schule – Beruf mit den dabei beteiligten vielfältigen Akteuren“ eine Herausforderung und sollte in Zukunft verbindlich geregelt werden (erste Handlungsoption).

 

Die Frage danach, ob dies gelungen sei, wird von der Evaluationsgruppe in der Tendenz mit „ja, aber“ beantwortet. Gelungen sei vieles dabei, der OloV-Koordinierungskreis[28] ist mit seiner Vernetzung durchaus erfolgreich. Aber, darin sind sich die Teilnehmenden einig, zwar sind gute Angebote vorhanden, aber es existiert (immer noch) ein Flickenteppich von Angeboten, die aber von diejenigen, die es nötig hätten, unzureichend genützt würden. Mehr Struktur der Angebote, mehr Koordinierung, Verbindlichkeit und auch Transparenz werden benötigt.

 

Die im zweiten Punkt des OR aufgestellte Forderung nach einer aktiven Rolle der Berufsorientierung, um zur Überwindung von Geschlechtsrollenstereotypen beizutragen, wird eher nicht als erfolgreich angesehen: Es habe sich nichts Grundlegendes verändert, obwohl zu allen Berufen geschlechtsneutral beraten werde, gebe es immer noch die alten Berufswahlmuster und nur im konkreten Fall könnte man zum Teil eine Veränderung wahrnehmen.

 

Die dritte Handlungsoption thematisierte eine „qualifizierte Förderung benachteiligter junger Menschen, um sicherzustellen, dass kein Jugendlicher zurückbleibt“[29].

 

In dem Zusammenhang wird in der Gruppe gefragt, wer als Benachteiligter gemeint sei und ob der Wunsch nach einem höheren Schulabschluss immer gegenüber einer beruflichen Ausbildung Vorrang haben solle. Ein Grundproblem sei die fehlende Anerkennung und Wertschätzung des Hauptschulabschlusses sowohl bei Betrieben als auch bei Eltern, obwohl damit die Chance auf schnelle finanzielle Unabhängigkeit und eigenständige Lebensplanung verbunden sein könne. Auf die Chancen, die ein Ausbildungsabschluss bietet und die damit verbundene Durchlässigkeit des Bildungssystems bis hin zum Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung, sollte in Zukunft bei der Berufsorientierung verstärkt hingewiesen werden.  

 

Die schulischen Vertreter verwiesen darauf, dass in den letzten Jahren in den Beruflichen Schulen neue Angebote entstanden sind, InteA (Angebot für Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger), Modellprojekt Berufsfachschule zum Übergang in Ausbildung (BÜA), die selbstverständliche Förderung von Sozialpädagogen. Viele Schülerinnen und Schüler wollten eher den Realschulabschluss machen, als einen Berufsabschluss und Betriebe sind gefordert, die bei ihnen möglichen Berufsbilder zu erklären und für sie zu werben. Auch ein großer Teil der Jugendliche aus Familien mit Migrationshintergrund wollen den nächsthöheren Schulabschluss machen, da sie das duale System und seine Chancen nicht kennen bzw. verstehen. Zwar gibt es mehr Maßnahmen als früher, aber das Matching stimmt nicht immer. Der Eindruck ist vorherrschend, dass zahlreiche Jugendliche den Weg mit einer schulischen Perspektive gehen wollen. Allerdings fehlen ihnen auch häufig Kompetenzen zur Bewerbung und psychische Probleme spielen auch eine Rolle.

 

Die vierte Handlungsoption spricht die Notwendigkeit einer individuellen Übergangsbegleitung vor allem für benachteiligte Jugendliche an.

 

Das wird von Einigen in der Evaluationsgruppe auch als beste Möglichkeit angesehen, die aber an den Bedingungen gescheitert ist. Das Modell Berufseinstiegsbegleitung müsste eigentlich verstetigt werden. Das Thema berufliche Orientierung braucht Vertrauen, also kontinuierliche Begleitung durch Vertrauenspersonen.

In dem Zusammenhang wird auf die Eltern als zentrale Akteure in dieser Frage verwiesen und auf die guten Erfahrungen der Diesterweg- Stipendien mit dem Einbezug der Familien. Zwar sind die Angebote wie Ausbildungsbotschafter, Berufsorientierungsberatung gut, aber individuelle Angebote sind die besten. Dazu könnten Praktika genutzt werden, aber es ist nicht einfach Praktikumsplätze zu finden.

Der Vertreter des Staatlichen Schulamts weist darauf hin, dass sehr gute Erfahrungen mit den individuellen Jumina-Angeboten[30] gemacht werden.

 

Die fünfte Handlungsoption fordert die intensivere Förderung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund.

 

Diese Formulierung stößt bei der Evaluationsgruppe auf Unverständnis bzw. Ablehnung. „Wo gibt es in Offenbach Jugendliche ohne Migrationshintergrund?“ Diese Kategorie habe sich überholt. Dringender scheint es der Gruppe, mehrere Merkmale verknüpfende Benachteiligungsformen zu identifizieren und zu berücksichtigen. Wichtiger sei überdies die Fragen nach den mitgebrachten Potenzialen, z.B. bei den Geflüchteten, Seiteneinsteigerinnen und –einsteigern und Neu-Zugezogenen. Viele Jugendliche, die aus Intensivklassen entlassen werden, wissen nicht wohin, bemerkte der Vertreter des Jugendamts.

 

Die sechste Handlungsoption fragt nach dem Matching von Anforderungsprofilen der Betriebe und den Kompetenzprofilen der Jugendlichen.

 

Es wird berichtet, dass die Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt natürlich teilweise auch gelingt, dass aber die Vorstellungen von Jugendlichen und von Betrieben oftmals auseinanderklaffen. Die Jugendlichen orientieren sich in ihrer Lebenswelt an Vorbildern wie dem Beruf des Influencers, des Bloggers. Und die Jugendlichen haben die Marktveränderungen aufgrund der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels gemerkt und nutzen ihre Verhandlungsposition gut aus. Dennoch fehlten ihnen oftmals Basiskompetenzen. Gleichzeitig müssten sich auch die Berufsprofile an die neuen Gegebenheiten anpassen und erheblich verändern.

Die Betriebe können den Mangel an Basiskompetenzen „bearbeiten“ (schaffen es), wenn bei den Jugendlichen zumindest grundlegende Fähigkeiten und Verhaltensstrukturen vorhanden sind, wie Regelmäßigkeit, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit. Grundsätzlich ist hier aber auch ein Wertewandel bei den jungen Erwachsenen festzustellen, die viel von Selbstbestimmung und Work-Life-Balance halten, was nicht immer mit den Anforderungen der Betriebe zusammenpasst.

 

Angemerkt wird: Eine andere Ausbildung für die Lehrkräfte bei der Berufsorientierung in der Schule sei wünschenswert, sie müssten stärker auch über berufspraktisches Know-How verfügen. Arbeitslehre-Lehrkräfte mit entsprechender Praxis können hier einen großen Unterschied machen. Sie können besser vermitteln, das Desinteresse von Schülerinnen und Schülern (z.B. am Arbeitslehre-Unterricht) in einem Betrieb immer Konsequenzen mit sich bringen würde.

Aber auch die Betriebe müssten Hilfestellungen bekommen, um mit den veränderten Anforderungen umzugehen. Was können sie tun, wenn die Auszubildenden nicht exakt die nötigen Kompetenzen mitbringen? Es sollte eine breitere Orientierung an schon vorhandenen guten betrieblichen Lösungen unterstützt werden, so ein Lösungsvorschlag.

 

Die siebte Handlungsoption, die Möglichkeiten des Übergangs in reguläre Ausbildung aus dem Übergangssystem heraus zu verbessern, ist nach Meinung der Evaluationsgruppe weitgehend umgesetzt.

 

Bei der achten und letzten Handlungsoption, der Nutzung der schon abgeschlossenen Kooperationsvereinbarung zwischen den „institutionellen Akteuren: Stadt, Industrie- und Handelskammern, Staatlichem Schulamt für den Landkreis Offenbach und die Stadt Offenbach am Main, Agentur für Arbeit, DGB, Arbeitskreis Schule- Wirtschaft“ stellt sich heraus, dass sie den Teilnehmenden, die nach 2012 in das Handlungsfeld gekommen sind, weitgehend nicht bekannt ist.

 


 

4. Die Weiterbildung[31]

 

 

Zusammenfassung

Die Zielsetzungen für die allgemeine und beruflich-qualifizierende Weiterbildung, die im OR beschrieben wurden, sind die gleichen geblieben, sie sind konstitutiv für diesen Bildungsbereich. Im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Zielgruppe, die der OR benennt, sind Veränderungen eingetreten, neue Zielgruppendefinitionen wie Menschen mit Inklusionsbedarf, Menschen mit anderen Herkunftssprachen aber guter Bildung, Menschen mit Bedarf an nachholender Digitalisierungskompetenz treten neben die im OR benannten Neu-Zugezogenen und bildungsinteressierte Eltern. Zudem treten andere Anforderungen an Angebotsplanung und didaktisch-methodische Herangehensweisen auf und ergänzen Bewährtes: Aufsuchende Bildungsarbeit, Extremismusprävention, Demokratieförderung, Anknüpfen an Bedarfe eines Schwerpunkts „Vielfaltgestaltung“, treten in den Vordergrund. Und es gilt die Auswirkungen der Pandemie zu bearbeiten, Onlinekurse haben einen Siegeszug angetreten und schließen dabei Ältere, berufstätig und geringer Qualifizierte zum Teil aus. Ein immer noch großer Bedarf besteht für Angebote zur Sprachförderung in allen Altersklassen, der mit herkömmlichen Formaten nicht befriedigt werden kann. Generell gilt, dass das Merkmal „Migrationshintergrund‘“ allein keine Planungsrelevanz mehr besitzt. Neue Gesetzgebungen vergrößern potenziell den Bedarf an neuen Angeboten: Bürgergeld, Chancenaufenthaltsgesetz, Demokratiefördergesetz perspektivisch, ohne dass allerdings dafür finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt würden, das gilt besonders für die Mittel des Landes. Die im OR erwähnten notwendigen Infrastrukturen für Weiterbildung: Angebotstransparenz, Beratungsinfrastruktur, wie das Netzwerk Bildungsberatung sind entwickelt worden und haben sich auch über die Pandemie bewährt. Eine Koordinierung der neuen Angebotsfelder wird im OR als sinnvolle Zukunftsentwicklung angesehen und das wird aus der Perspektive der Mitglieder der Evaluationsgruppe bestätigt.

 

Der OR konstatiert die Bedeutung der Weiterbildung gerade für eine Stadt wie Offenbach die geprägt ist von einer multiethnischen Bevölkerungsstruktur und sich im Strukturwandel nach einer früher industriell geprägten Wirtschaft befindet, von ihrer Lage im Rhein-Main Gebiet beeinflusst ist und in den letzten Jahren ein schnelles Bevölkerungswachstum zu verzeichnen hatte.

 

Die erste und zweite Handlungsoption handeln von den für Weiterbildung konstitutiven Zielen: Angebote der allgemeinen Weiterbildung für die Entwicklung der Persönlichkeit, der Fähigkeit mit sich verändernden Umweltbedingungen umzugehen, für alle Bevölkerungskreise zu bieten und Weiterbildung zur Ergänzung und Stärkung der Qualifikationen den vorhandenen Zielgruppen zur Verfügung zu stellen.

 

In der Diskussion wird deutlich, dass das neue Bürgergeld (im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende) auch in Bezug auf Weiterbildung für einen neuen starken Auftrag sorgt. Das gilt auch für das Qualifizierungschancengesetz, das den besseren Zugang zur Weiterbildungsförderung für Beschäftigte, die vom Strukturwandel betroffen sind, regelt und dabei auch die Arbeitgeber in die Verantwortung für die Weiterbildung einbindet[32]. In die gleiche Richtung arbeitet auch die Nationale Weiterbildungsstrategie des BMBF[33].

Herausgearbeitet wird in der Diskussion, dass die Heranführung von (neuen) Zielgruppen an die Weiterbildungsinstitutionen schwierig ist, neue Angebote können nur entwickelt werden, wenn die Menschen den Weg in die Institutionen finden.

 

Die dritte und vierte Handlungsoption thematisiert spezifische Zielgruppen wie Menschen mit Migrationshintergrund und Neu- Zugezogene sowie Eltern, die die Anforderungen und Differenzierungen des deutschen Bildungssystems verstehen müssen um verantwortungsvolle Bildungsentscheidungen für ihre Kinder treffen zu können.

 

In der Gruppe wird diskutiert, dass es Menschen ohne Zugang zum lebenslangen Lernen gibt, für die aufsuchende Bildungsarbeit notwendig wäre: Neubürger, Jugendliche, Menschen mit Inklusionsbedarf, Menschen mit anderen Herkunftssprachen. Daraus ergeben sich auch Herausforderungen für die kommunale Weiterbildung wie z.B. Barrierefreiheit. Auch Schulen, die Angebote für Erwachsene machen (z.B. Realschule für Erwachsene an den Gewerblich-technischen Schulen) stehen vor der Herausforderung auf der einen Seite bestehende Zugangsvoraussetzungen für das Angebot „einhalten“ und gleichzeitig passende Schülerinnen und Schüler erreichen zu können. Für die politische Bildung gilt ebenfalls die Frage, wie die Zielgruppen erreicht werden können. Ein grundsätzlicher Eindruck wird von den Teilnehmenden bestätigt: Mit den eigenen Angeboten können nicht alle erreicht werden, die wir eigentlich erreicht wollen.

Mit dem „Demokratiefördergesetz“ werden noch weitere Anforderungen an die allgemeine Weiterbildung gestellt, darauf weist der Vertreter der vhs hin. Dort thematisiert werden die Schwerpunkte Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politische Bildung, das sind Ziele, die bisher noch keinen richtigen politischen Auftrag bekommen haben.

Es gibt Träger, die aus Nachfragegründen das Angebot weiterentwickelt und Angebote aufgenommen haben, die überregional gedacht sind, wie z.B. Qualifizierung zum Digitalisierungsmanager oder Fachkraft für Videosicherheitstechnik, das sind zukunftsbezogene Qualifikationen, die vermittelt werden.

Teilnehmende, die Beratungsdienstleistungen erbringen, stellen fest, dass durch die eigene Beratung hin zu Online-Angeboten ganze Personenkreise „abgehängt werden“, d.h. es gibt viel zu wenige Angebote in Präsenz und es fehlen Weiterbildungsangebote für gut ausgebildete Menschen mit geringen Deutschkenntnissen, für die auch Austauschangebote mit Menschen aus ihrem Berufsfeld wichtig wären. Eine weitere Wahrnehmung aus dem Beratungskontext ist, dass schon fünf Jahre alte Qualifizierungen bei Bewerbungen von den Arbeitgebern nicht mehr anerkannt werden.

 

Die Evaluationsgruppe ist sich darin einig, dass allgemeine und qualifizierende Weiterbildung immer noch der Handlungsorientierung des OR folgen und sich kontinuierlich um die Entwicklung von passenden Weiterbildungsangeboten kümmern muss.

 

Die Handlungsoptionen fünf und sechs beziehen sich auf das kommunale Interesse an kompensatorischen und finanzierten Bildungsangeboten, sowie an (nachholenden) Angeboten, die zweite Chancen bieten. Die Frage ist, ob z.B. für Neuzugewanderte, für nicht vollständig alphabetisierte Menschen, für Menschen mit digitalem Nachholbedarf oder von Exklusion betroffene Gruppen genügend Weiterbildungsangebote vorhanden sind, die finanziert werden.

 

Die Bedarfe werden von der Evaluationsgruppe folgendermaßen charakterisiert:

-       es fehlt an Sprachförderung (schon für Kinder und Jugendliche) und nicht nur für die Menschen mit Migrationshintergrund

-       an der Finanzierung von nachholenden Schulabschlüssen, die vielfältige Bildungschancen eröffnen

-       an der Finanzierung von Projekten (z. B. zum Nachholen des Hauptschulabschlusses).

-       an Online-Angeboten für Grundbildung

-       an Angeboten für die über 50-Jährigen zur nachholenden Digitalkompetenz.

-       das Chancenaufenthaltsgesetz erweitert den Zugang zu Sprachförderangeboten, für Offenbach fehlen für die Realisierung aber sowohl Räume als auch Personal.

 

Die Vertreterin der MainArbeit unterstützt die Notwendigkeit von Angeboten für Grundkenntnisse in Mathematik, IT und Deutsch wie es das Bürgergeldkonzept als Aufgabe für das Jobcenter vorsieht. Der vhs-Leiter spricht sich dazu für stärkere Netzwerke zwischen vhs und Mainarbeit aus.

 

Für die kommunale Weiterbildung gilt, so die Auffassung in der Gruppe, dass es zur Zeit Suchbewegungen gibt, um inklusive Angebote zu „denken“ und barrierefrei zu entwickeln. Allerdings wird dazu eine Anschubfinanzierung vom Land gebraucht. Und insgesamt müsste dabei eher von den Ressourcen her gedacht werden, zum einen von den Ressourcen, die notwendig sind für die Angebotsplanung, zum anderen von den Ressourcen, die die Menschen mitbringen, für die Angebote geplant werden, z.B. für die schon im OR genannten Gruppen der Neu-Zugezogenen und der Menschen mit anderen Beteiligungshindernissen.

 

Das Merkmal Migrationshintergrund kann in Offenbach kein alleiniges aussagekräftiges Merkmal für die Planung sein. Die ressourcenorientierte Reformulierung des OR wird in mehreren Beiträgen in der Gruppe begrüßt.

 

Bei einem anderen Punkt gehen die Meinungen in der Gruppe auseinander: Ob die Förderung der Herkunftssprachen gleichberechtigt zur Deutschförderung gestärkt werden sollte oder nicht. Möglicherweise handelt es sich um gegenseitige Missverständnisse durch die Alternativsetzung. Ein möglicher Ausweg wäre die Formulierung, dass es ergänzende Angebote für die Förderung der Herkunftssprache, z.B. auch im Erwachsenenalter geben sollte.

 

Die Handlungsoptionen sieben und acht handeln von den notwendigen Infrastrukturen, die bereitzustellen sind, damit Menschen von Weiterbildung profitieren können: Transparenz, Beratungsinfrastruktur und Kooperationen mit anderen Bildungsakteuren. Die Frage, die an die Evaluationsgruppe gerichtet wurde, war, ob diese übergreifende Infrastruktur erhalten bzw. weiterentwickelt werden konnte.

 

Was die Transparenz angeht, wird die Situation als positiv beurteilt, das Bildungsbüro in der vhs hat für Transparenz der Angebote gesorgt. Bei der Beratungsinfrastruktur haben sich Veränderungen ergeben, es gab einen coronabedingten Ausbau der Online-Beratung[34] und das Netzwerk Bildungsberatung hat trotz des Wegfalls von Präsenzterminen weitergearbeitet. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass es zusätzlich zum schriftlichen Wegweiser Beratungsstellen noch eine digitale Landkarte mit Datenbank geben sollte.

 

In der neunten Handlungsoption des OR wird betont, dass eine regionale Koordinierung sinnvoll wäre, in der die Weiterbildungsakteure in einen Austausch kommen und sich über neue Aufgabenfelder verständigen.

 

Dies wird von der Evaluationsgruppe als eine sinnvolle Weiterentwicklung gesehen, wenn es einen entsprechenden Auftrag von der Politik und eine finanzielle Unterstützung durch die Stadt gibt.

 

Der letzte Spiegelstrich im OR beschäftigt sich mit der Forderung an das Land Hessen, sich auch finanziell am „Nationalen Pakt für Alphabetisierung und Grundbildung“ für die Angebote vor Ort zu beteiligen. Übertragen auf die aktuellen Verhältnisse wird daraus die generelle Frage, wie sich das Land Hessen an den Kosten für kommunale Angebote beteiligt.

 

Das Land finanziert mit Zuschüssen laut Hess. Weiterbildungsgesetz 4.000 Unterrichtsstunden, die vhs leistet aber über 40.000 Unterrichtsstunden, ohne die durch Sonderförderungen der Projekte bezuschussten Unterrichtsstunden. Dazu kommen noch die Mittel der beantragten Projekte über den Weiterbildungspakt, die den Kernbereich pädagogischer Innovationen abdecken sollen, realiter zum Teil aber auch Regelaufgaben finanzieren. Über den Unterricht hinaus sollte das Land auch die vhs- Beratungsleistungen und die Aktivitäten in der Grundbildung langfristig sicherstellen und verstetigen.

 

 

Nachwort

 

Die einzelnen Kapitel des OR sind in unterschiedlichem Maße in den letzten zehn Jahren für die Praxis in den Bildungsbereichen handlungsleitend gewesen. Manche Handlungsoptionen waren Leitziele, die die Arbeit strukturiert haben. Andere haben sich als zu sehr verhaftet in zeitgebunden Diskursen erwiesen und bieten aktuell keine weiteren Handlungsanreize. Das hing auch davon ab, wie stark sich faktisch die Kontexte der jeweiligen pädagogischen Arbeit verändert haben und in welchem Ausmaße geänderte Lebenswirklichkeiten Einfluss auf die Bildungsbereiche notwendigerweise hatten bzw. haben. Dennoch ist auch in den Kernvorstellungen eine durchaus hohe Kontinuität sichtbar, die u.U. nur in heutige Sprachgebräuche reformuliert werden muss.

 

Neue Entwicklungen bieten neue Handlungsherausforderungen: So sind die Themen Inklusion, Digitalisierung, Ganztag in und mit Schulen, förderliche Bedingungen in der frühen Bildung von neuen Akzentsetzungen geprägt, die sicherlich in der weiteren Arbeit mit der Fortschreibung des OR zur Geltung kommen müssen.

 

In allen Evaluationsgruppen ist sehr engagiert diskutiert worden und es ist eine hohe Akzeptanz spürbar geworden, in einem gemeinsamen Kooperationszusammenhang zu arbeiten und sich mit der Kommune zu identifizieren. Die veränderte Perspektive auf die multiethnische Bevölkerungsstruktur Offenbachs haben fast alle Akteure deutlich gemacht. Sie wird nicht mehr überwiegend als Problem, sondern überwiegend als Chance für ein Potenzial gesehen, das sich zu heben lohnt, ohne dass dabei die vorhandenen Herausforderungen ignoriert werden.

 

Der OR hat als schriftliches Dokument, das in breiter Diskussionsbeteiligung entstanden und in diesem Sinn weiter bearbeitet wird, eine informierende, Transparenz sichernde und hoffentlich auch orientierende Funktion.


 

Anhang: Teilnehmende der vier Evaluationsgruppen

 

Evaluationsgruppe

Termin

Teilnehmende

Frühkindliche Bildung und Betreuung

Do., 2.02.23

16:30-18:30 Uhr

 

EKO/Jugendamt (Hr. Priore, Frau Bahlo)

 

Musikschule (Frau Veillerobe)

 

Stadtbibliothek (Frau Elfe)

 

Stadtgesundheitsamt (Frau Dr. Schneider)

Schulische Bildung

Mo., 6.02.23

16-18 Uhr

 

Interessenvertretung Offenbacher Schulleitungen (Frau Henning, Schulleiterin Ernst-Reuter-Schule, Hr. Dombrowski, Schulleiter Leibnizschule)

 

Jugendamt (Frau Wurz)

 

Staatliches Schulamt (Herr Knecht, Frau Meißner)

 

Stadtbibliothek (Frau D´Amico)

Übergang Schule-Beruf

Do. 16.02.23

16-18 Uhr

 

Agentur für Arbeit (Herr Iser, Frau Konnerth)

 

DGB (Frau Bach-Graß)

 

Gewerblich-technische Schulen (Hr. Börner)

 

Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main (Hr. Schenkel)

 

IHK (Frau Kühnl)

 

Jugendamt (Hr. Probst)

 

MainArbeit (Hr. Pippardt)

 

Staatliches Schulamt (Hr. Käpernick)

 

Stadtbibliothek (Frau Köster)

 

VAIR e.V. (Frau Tadrowski)

 

vhs Offenbach (Frau Gehl)

Weiterbildung

Mi., 22.02.23

16-18 Uhr

 

Agentur für Arbeit (Frau Michael)

 

DGB (Frau Bach-Graß)

 

Gewerblich-technische Schulen (Hr. Börner)

 

IHK (Frau Klepzig)

 

MainArbeit (Frau Buri, Frau Bartetzko)

 

Stadtbibliothek (Frau Szurmant)

 

vhs Offenbach (Frau Hamm, Hr. Wolk-Pöhlmann)

 



[1] Beschluss der Stadtverordnetenversammlung Offenbach 2021-26/DS-I(A)0301, ausgegeben am 07.07.2022.

[2] Die Evaluierenden waren: der Leiter der Fachstelle, Kai Seibel und Felicitas von Küchler als externe, aber mit dem Themenfeld und den Diskursen vertraute Unterstützung.

[3] Deutsche Gesellschaft für Evaluation, Empfehlungen zur Anwendung der Standards für Evaluation im Handlungsfeld der Selbstevaluation, Alfter, Dezember 2004, S. 5.

[4] Diese Konzeption einer extern angeleiteten Selbstevaluation hat neben dem Vorteil einer praxisnahen Evaluation, die die Kompetenz der Akteure nutzt, auch Limitationen durch ihren geringeren Umfang und die damit verbundene geringere Reichweite. Allerdings wäre es auch kaum möglich gewesen, den Evaluationsgegenstand, den OR, mit anderen ähnlichen Gegenständen zu vergleichen, dies verbietet sich durch dessen spezifische Mischung aus Bildungsdatenanalyse, leitbildhaften Formulierungen und den optional gehaltenen Handlungsstrategien.

[5] Sitzung des Bündnisses für Bildung Offenbach am 19.01.2023.

[6] Auch dieses Kapitel wurde in der Bündnis-Sitzung am 19.01.2023 diskutiert und bewertet.

[7] Vgl. EBO 2021, S. 43.

[8] Vgl. dazu auch Fußnote 20.

[9] Die Forderungen finden sich im OR auf S. 10.

[10] Dieser Bericht gründet sich auf das Protokoll der Diskussion der Evaluationsgruppe (Zusammensetzung vgl. Anhang) und dem Interview mit Roberto Priore, Leiter Jugendamt und EKO.

[11] Statement von Prof. A. Gold, Mitglied des Bündnisses für Bildung. Er empfiehlt den Kontakt zu Prof. Petra Schulz (Goethe-Universität), um ihre Expertise und die ihrer Mitarbeiterinnen (z. B. Frau Voet Cornelli) zu nutzen, um frühe Diagnostik mit früher Förderung zu verbinden.

[12] Statement Prof. A. Gold.

[13] vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Flyer zum Bundesprogramm Sprach-Kitas.

[14] OR S. 11.

[15] Interview R. Priore am 24.03.2023.

[16] OR S. 11.

[17] OR S. 12.

[19] Das Material für den Bericht umfasst das Protokoll der Evaluationsgruppe (Zusammensetzung vgl. Anhang) und ein Interview mit Susanne Meißner, Leiterin des Staatlichen Schulamts, vom 31.03.2023.

[20] Statistische Befunde zu einem Zeitpunkt lassen sich nicht umstandslos auf Bildungslaufbahnen übertragen. Sie stellen begründete Vermutungen dar, mehr nicht. Das Wissen über Bildungslaufbahnen ist immer noch begrenzt. Dennoch stellen Monitoringbefunde eine Grundlage, auch für Handlungsstrategien, zur Verfügung.

[21] Vgl. OR, S. 13 f.

[22] Interview mit S. Meißner am 31.03.2023.

[23] OR S. 14.

[24] Vgl. https://www.offenbach.de/hessencampus/

[25] Von Seiten der Kitas und in Kooperation mit den Grundschulen finden eine Reihe von Terminen statt, die den Übergang erleichtern sollen: Elternabende in Kita und Grundschule, Besuche der Grundschule, Schuleingangsuntersuchung, Schnuppertag, vgl. EBO 2021, S. 23.

[26] Genutzt für die Berichterstattung wurde das Protokoll der Diskussion in der Evaluationsgruppe (zur Zusammensetzung der Evaluationsgruppe vgl. Anhang).

[27] Vgl. OR. S. 15 f.

[29] OR S. 16.

[31] Die Materialien für den Evaluationsbericht umfassen u.a. das Protokoll der Diskussion mit der Evaluationsgruppe (vgl. Anhang zur Zusammensetzung) und das Interview mit vhs-Leiter Dirk Wolk-Pöhlmann vom 20.04.2023.

[32] Vgl. https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/qualifizierungschancengesetz.html

[33] Vgl. https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/weiterbildung/nationale-weiterbildungsstrategie/nationale-weiterbildungsstrategie_node.html

[34] Vgl. Volkshochschule − Weiterbildung und Bildungsmanagement: Veranstaltungsreihe: Bildungslandschaft Offenbach im Dialog - Eine Bestandsaufnahme in der Pandemie, vierter Dialog „Lebenslanges Lernen, Teilhaben in Gesellschaft und Beruf“.