Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt
Offenbach am Main
2021 - 2026
2021-26/DS-I(A)0748Ausgegeben am 22.08.2024
Eing. Dat. 22.08.2024
Einrichtung eines Eigenbetriebes der Stadt Offenbach am Main mit der Bezeichnung „GEO Grüner Eigenbetrieb Offenbach“ (GEO)
Antrag Magistratsvorlage Nr. 2024-297 (Dez. III, Amt 20) vom 21.08.2024
Der Magistrat beantragt, dass die Stadtverordnetenversammlung wie folgt beschließt:
1. Der Gründung des Eigenbetriebes GEO sowie der anliegenden Satzung des GEO wird zugestimmt.
2. Das Stammkapital in Höhe von 50.000,00 Euro steht im städtischen Haushalt 2024 auf der Investitionsnummer 0101071100202401 „GEO – Grüner Eigenbetrieb Offenbach“, Produktkonto 01010700.1130900020 zur Verfügung.
Die erforderliche Mittelanpassung erfolgt im Rahmen der Nachtragshaushaltsplanung 2024 und vorbehaltlich der Genehmigung des Nachtragshaushalts 2024 durch das Regierungspräsidium Darmstadt.
3. Der Magistrat wird beauftragt, die notwendigen Handlungen zur Einrichtung des Eigenbetriebes vorzunehmen.
4. Für den Fall, dass sich im Zuge des Anzeigeverfahrens nach § 127a HGO unwesentliche Änderungen des Satzungsentwurfs nach 1. ergeben, wird der Magistrat ermächtigt, Änderungen vorzunehmen. Über etwaige Modifikationen ist der Stadtverordnetenversammlung zu berichten.
Begründung:
Ausgangslage
Die Verschuldung ist grundsätzlich in zwei Kategorien zu unterscheiden, zum einen operative Verschuldung zur Deckung von kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen, sog. Liquiditätskredite, zum anderen investive Verschuldung zur Finanzierung von Investitionen in das Sach- bzw. Finanzanlagevermögen (bspw. Schulen, Kitas, Straßen etc.).
Die Stadt Offenbach konnte im Rahmen der Hessenkasse ihre operativen Liquiditätskredite an die Hessenkasse abgeben. Die Stadt hat mit Antrag vom 28. Mai 2018 die Ablösung ihrer Liquiditätskredite in Höhe von 564 Mio. € beantragt. Dieser Betrag wurde in zwei Tranchen am 01. Juli und am 17. Dezember 2018 durch die HESSENKASSE abgelöst. Im Rahmen der Ablösung hat sich die Stadt Offenbach verpflichtet, einen jährlichen Beitrag von 25 Euro je Einwohner nach Maßgabe des Hessenkassegesetzes an das Sondervermögen HESSENKASSE zu leisten. Daraus ergibt sich eine Zahllast von 3,1 Mio. € p.a., so dass in Summe in den Jahren 2022 - 2048 ein Betrag von 92,8 Mio. € an das Sondervermögen zu leisten ist.
Mit einher geht weiterhin die Verpflichtung, den Ergebnis- und Finanzaushalt auszugleichen, zum einen durch die Inanspruchnahme von Ergebnisrücklagen bei Fehlbeträgen im Ergebnishaushalt und zum anderen durch Rückgriff auf ungebundene Liquidität bei Zahlungsmittelfehlbeträgen im Finanzhaushalt. Das bedeutet letztlich, dass Liquiditätskredite auf ihre Funktion der kurzfristigen Überbrückungskredite zurückgeführt werden.
Mit Stand zum 31.12.2023 weist die Stadt Offenbach ein Stand von Liquiditätskrediten von 0 € aus.
Die investive Verschuldung dient hingegen dem Erhalt und dem Ausbau der städtischen Infrastruktur. Durch die wachsende Bevölkerung in den vergangenen Jahren ergab sich bereits ein erhöhter Druck auf die Erweiterung bzw. Sanierung, bspw. im Kita- oder Schulbereich. Dazu kamen notwendige Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, bspw. Kaiserlei oder Marktplatzumbau. Daraus folgt ein Anstieg der Gesamtverschuldung auf 444,6 Mio. € zum 31.12.2023. Diese Gesamtsumme ist maßgeblich durch Banken des öffentlichen Bereichs und vor allem durch zwei Banken geprägt.
Durch die anstehenden Investitionen in den Jahren 2024 ff, u.a. in Schulneubauten (Grundschulen, Gymnasium) und Maindeichsanierung wird die Summe der investiven Verschuldung bis Ende 2027 auf über 660 Mio. € ansteigen. Das bedeutet einen weiteren Anstieg von über 40% in drei Jahren.
Folge
Dieser Anstieg verursacht einen erhöhten Druck auf die Kreditaufnahme. Vor dem Hintergrund des hohen Kreditbestands ist das beschriebene Finanzierungsvolumen herausfordernd. Kreditinstitute räumen nur bestimmte Kreditschwellen ein, um Clusterrisiken zu vermeiden, so dass es notwendig wird, andere Finanzinstitute zu erreichen. Dazu platziert die Stadt seit 2022 den konkreten Kreditwunsch parallel zur direkten Ansprache auf der Ausschreibungsplattform „komuno“. Mit Hilfe der Ausschreibungsplattform konnten seit 2021 mehrere Kredite aufgenommen werden, u.a. bei Kreditinstituten, die noch nicht im Portfolio der Stadt waren. Durch die großen Aufnahmebeträge müssen allerdings weitere Alternativen überdacht werden, nur so lässt sich die Finanzierung der notwendigen Investitionen ermöglichen und sicherstellen. Denn das herausfordernde Finanzierungsvolumen trifft zudem auf ein Marktumfeld mit wieder deutlich höheren Zinsen. Das bedeutet, dass Finanzierungsentscheidungen strukturell diversifiziert werden müssen, d.h. insbesondere in Bezug auf Laufzeiten in Verbindung mit der Einbettung ins aktuelle Kreditportfolio.
Zusammenfassend führt das dazu, dass der klassische Bankensektor wohlmöglich nicht hinreichend ergiebig ist, um die Volumina zu decken. Bereits die letzten Kreditaufnahmen haben gezeigt, wenn es statt zehn nur noch fünf oder noch weniger Angebote gibt und dass es sich lohnen kann, neue Gläubigergruppen zu erschließen und sich über Diversifikation oder Risikostreuung breiter aufzustellen. Daher ist es vorteilhaft, wenn sich die Liquiditätsbeschaffung professionell orientiert, wodurch Schuldscheine und Anleihen an Bedeutung gewinnen.
Lösung
Zentrale Infrastrukturprojekte der Stadt im Bereich Bildung und Hochwasserschutz werden zusammengefasst und im Rahmen eines grünen Schuldscheins (SSD) am Kapitalmarkt finanziert. Dadurch werden zwei wesentliche Ziele erreicht – zum einen die Sicherstellung der Finanzierung der zentralen Investitionen im Investitionsprogramm der Stadt und zum anderen die Erfüllung der Voraussetzungen für eine grüne/nachhaltige Finanzierung. Damit bettet sich die Finanzierung in das Klimaschutzkonzept der Stadt ein und die nachhaltige CO2 reduzierte Bauweise wird um eine nachhaltige Finanzierungsform ergänzt. Zudem wäre das die erste grüne Finanzierung einer Kommune in Hessen und damit in der Außendarstellung ein weiteres Merkmal der innovativen Stadtverwaltung.
Zur Umsetzung der vorgenannten Finanzierung bedient sich die Stadt des zur Gründung anstehenden Eigenbetriebs.
Dazu werden die Investitionen mit Stand zum 31.12.2024 auf den Eigenbetrieb übertragen. Hierfür zahlt der Eigenbetrieb der Stadt aus dem aufgenommenen grünen Schuldscheindarlehen Anfang 2025 eine Entschädigung. Die Höhe der Entschädigung setzt sich aus den Auszahlungen der Stadt für diese Investitionen im Zeitraum 2022 - 2024 zusammen (ca. 95,0 Mio. € - Forecast per 30.06.2024). Die weitere Finanzierung ab 2025 erfolgt dann ausschließlich über den Eigenbetrieb. Auf Seiten der Stadt reduziert der Geldeingang offene Kreditermächtigungen. Zudem verfallen noch alle offenen Übertragungswerte (Reste) zum 31.12.2024. Die genannten Vorgänge werden in der Haushaltsplanung 2025 und der Wirtschaftsplanung des Eigenbetriebs berücksichtigt. Die Höhe des Schuldscheindarlehens setzt sich damit aus den Beträgen 2022 - 2024 und der dafür vorgesehenen Kreditsumme für 2025 zusammen und wird aktuell (Basis Forecast per 30.06.2024) auf ca. 125,0 Mio. € taxiert.
Um einen möglichst großen Investorenkreis ansprechend zu können, empfiehlt es sich, marktübliche Parameter vorzusehen, das bedeutet insbesondere, dass keine Tilgung während der Kreditlaufzeit vorgenommen wird, sondern die endfällige Rückzahlung vereinbart wird. Dazu werden dem Eigenbetrieb jährlich Haushaltsmittel zur Bedienung der Zins- und Tilgungsverpflichtungen zur Verfügung gestellt. Die Mittel für die Tilgungsverpflichtungen dienen allerdings nicht dazu, um sie an die Gläubiger weiterzugeben, sondern um sie ertragsbringend „anzusparen“. Damit lassen sich Zinserträge realisieren, die zum einen die Zinslast aufgrund der endfälligen Darlehen (Zins berechnet sich über die ganze Laufzeit in voller Höhe) reduzieren und zum anderen gewährleistet dieses „Ansparen“, dass die Darlehen zum Fälligkeitszeitpunkt bedient werden können. Im Haushaltsplan wird zudem jährlich sowohl die Zins-, als auch die Tilgungsbelastung aus den aufgenommen Darlehen abgebildet.
Mit dieser Vorgehensweise gehen eine Reihe wesentlicher Vorteile einher:
· Die Finanzierung der notwendigen investiven Maßnahme wird gesichert.
· Der Eigenbetrieb erhält als Sondervermögen (ohne eigene Rechtspersönlichkeit) städtische Konditionen, Bürgschaften werden demnach nicht notwendig.
· Die aufgenommenen Geldbeträge sind transparent und eindeutig den zugrundeliegenden Investitionen zurechenbar und werden separat im Eigenbetrieb abgebildet. Damit ist auch eine transparente Berichterstattung gegenüber den Gläubigern gewährleistet.
· Neue Gläubigergruppen (Versicherungen, Bausparkassen etc.) werden erschlossen, so dass Kreditschwellen bei den klassischen städtischen Finanzinstituten nicht ausgereizt werden.
· Die eingezahlten Geldbeträge können vom Eigenbetrieb professionell verwaltet werden, d.h. in der Zwischenzeit bis zum Tilgungszeitpunkt ertragsbringend angelegt werden. Das wiederum schmälert die Zinslast.
· Trotz Endfälligkeit werden im Haushalt ordentliche Tilgungsleistungen abgebildet.
· Die Finanzierung erfüllt die Kriterien einer nachhaltigen und grünen Finanzierung und vergrößert damit den potentiellen Investorenkreis.
· Die grüne Finanzierung und deren hohe Attraktivität ermöglicht eine Finanzierung unterhalb eines klassischen Kommunalkredits.
Die finanziellen Auswirkungen belaufen sich für das grüne Schuldscheindarlehen auf ca. 65 T€ (Erstellung Framework, Second Partie Opinion, Platzierungsplattform etc.) und ca. 1-2 Basispunkte gemessen auf die Höhe des Darlehens in Abhängigkeit zur Laufzeit für die Bankmandatierung im Zuge der Platzierungsphase. Die Kosten für die Gründung des Eigenbetriebs werden zwischen 40 - 50 T€ (Beratung, Amtsgericht etc.) betragen. Jährliche Kosten werden auf ca. 30 - 35 T€ (Personal, Abschlussprüfer, Buchhaltung, Reporting etc.) taxiert.
Sämtlichen Kosten werden durch die o.g. Vorteile überkompensiert. Insbesondere erzeugt die grüne Finanzierung eine hohe Aufmerksamkeit und Attraktivität am Kapitalmarkt.
Das Regierungspräsidium war intensiv in den Sachverhalt eingebunden und kennt alle wesentlichen Vorgänge sehr detailliert. Nach Beschlussfassung wird die Gründung dem Regierungspräsidium gem. § 127 a HGO angezeigt. Ebenfalls erfolgt mit diesem ein Austausch im Vorfeld der Beschlussfassung zur Wirtschaftsplanung 2025.
Anlage:
Satzung
Hinweis: Der Antrag sowie die Anlage werden den Stadtverordneten und Fraktionen elektronisch (PIO) zur Verfügung gestellt.