Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2001 - 2006


Drucksachen-Abteilung I (A) Ausgegeben am 01.09.2005

Eing. Dat. 01.09.2005

 

Nr. 885

 

 

Keine Haushaltskonsolidierung auf Kosten von Kindern und Eltern – stärkere finanzielle Beteiligung des Landes Hessen an Kinderbetreuungs-, Erziehungs-
und Bildungsangeboten
Antrag SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FWG vom 01.09.2005, DS I (A) 885


Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

1. Die Stadtverordnetenversammlung weist den Erlass des Hessischen
    Innenministers vom 3. August 2005, veröffentlicht im Staatsanzeiger Nr. 34 / 2005,
    wonach Kommunen mit einem defizitären Haushalt von Eltern kostendeckende
    Beiträge für Kinderbetreuungseinrichtungen verlangen sollen, zurück und fordert
    den Hessischen Innenminister auf diesen zurückzunehmen.

2. Die Stadtverordnetenversammlung erwartet, dass sich das Land Hessen finanziell
    stärker an der Bereitstellung eines hochwertigen und bedarfsgerechten
    Betreuungs- Erziehungs- und Bildungsangebotes aller Alterstufen beteiligt. Mit
    Vorlage eines neuen Kindertagesstättengesetzes ist eine Regelung über
    verbindliche Betriebskostenzuschüsse des Landes zu treffen.

3. Die Stadtverordnetenversammlung fordert den Magistrat auf, denjenigen
    Empfehlungen des Landesrechnungshofes, die Kosteneinsparungen im
    Kitabereich durch Qualitätsverschlechterungen vorsehen, nicht zu entsprechen.

4. Die Stadtverordnetenversammlung begrüßt die Kooperationsvereinbarung
    zwischen der Mathildenschule und der benachbarten, aus HEGISS-Mitteln
    errichteten, Kindertagesstätte als sinnvollen Schritt zur Entwicklung von
    gemeinsamen Bildungsansätzen in Kindergarten und Schule. In diesem
    Zusammenhang ist auch die Teilnahme der beiden Einrichtungen am
    Einführungsprojekt zum Bildungs- und Erziehungsplan des Landes sinnvoll. Die
    Stadtverordnetenversammlung erwartet eine finanzielle Beteiligung des Landes
    zur Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen, zur Differenzierung der
    Gruppengrößen und zur Evaluierung im Modellprojekt.


Begründung:

 

Zu 1. und 2.:

Im Staatsanzeiger Nr. 34/2005, S. 3261 ist die „Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte und Handhabung der kommunalen Finanzaufsicht über Landkreise, kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden“ des hessischen Innenministeriums veröffentlicht, die unter Punkt 4 vorgibt, dass in Kommunen mit einem andauernd anhaltenden Haushaltsdefizit anzustreben sei, die auf andere Weise nicht gedeckten Kosten der Kinderbetreuungseinrichtungen durch Elternentgelte zu finanzieren.

 

Die Antrag stellenden Fraktionen kritisieren, dass es bei den Elternbeiträgen für Kinderbetreuung jetzt nicht mehr um ein Kostendrittel sondern sogar um vollständige Kostendeckung geht. Diese Vorgaben richten sich in ihrer Zielrichtung gegen Kinder und Familien in Hessen. Entgegen aller familienpolitischen Sonntagsreden der Landesregierung, werden durch die Vorgaben alle Maßnahmen der Kommunen, durch geringe Elternbeiträge oder kostenfreie Betreuungsplätze, Kinder in ihrer Entwicklung zu stärken, Eltern in ihrer Erziehungskompetenz  zu unterstützen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, konterkariert, indem dies unter den Genehmigungsvorbehalt der Aufsichtsbehörden gestellt wird. Während der Verzicht auf die Erhebung von Gebühren  für Sportvereine bei der Nutzung kommunaler Sportstätten den Kommunen richtigerweise nicht als nachteilig angerechnet wird, sollen für Kinderbetreuungseinrichtungen kostendeckende Elternbeiträge angestrebt werden.

 

Die Bereitstellung eines hochwertigen und bedarfsgerechten Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsangebotes für Kinder aller Altersstufen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb erwarten die Antrag stellenden Fraktionen nicht nur ein stärkeres finanzielles Engagement des Landes, sondern die unverzügliche Streichung des Punktes 4 der „Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte und Handhabung der kommunalen Finanzaufsicht über Landkreise, kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden“ des Innenministers vom 3.8.2005. Fehlende Kostendeckung bei Einrichtungen für Kinderbetreuung darf nicht mehr als freiwillige kommunale Leistung bewertet werden.

 

Entsprechend der Kindertagesstättengesetze anderer Bundesländer muss eine verbindliche Betriebskostenbezuschussung des Landes vorgelegt werden. Beispielsweise bezuschusst Rheinland-Pfalz kommunale Einrichtungen mit 27,5 Prozent der Personalkosten, das Saarland mit 25 Prozent.

 

Zu 3.:

Die Stadtverordnetenversammlung begrüßt die Maßnahmen des Magistrates zu Ausbau und Umstrukturierung des städtischen Kinderbetreuungsangebotes.

 

Der Landesrechnungshof hat in seiner „91. Vergleichenden Prüfung: Konsolidierung der Großstädte“ ein Konsolidierungspotenzial für Offenbach in Höhe von 5,84 Mio. Euro errechnet. Von diesen empfohlenen Maßnahmen wurden zwischenzeitlich, unabhängig von den Ausführungen im Bericht des Landesrechnungshofes, diejenigen umgesetzt, die ohne Qualitätseinbußen zu verwirklichen sind. Hierunter fallen beispielsweise solche, die – wie im Fall der Verlagerung der Schulkinderbetreuung an Vormittagen an die Grundschule – zweckmäßig sind und ohne Qualitätseinbußen zu verwirklichen waren. Die vom Landesrechnungshof vorgeschlagenen Einsparmaßnahmen bei der Personalbemessung oder Freistellung der Leiterinnen vom Gruppendienst wird aufgrund der hohen Anforderungen an Kinderbetreuungseinrichtungen in Offenbach hinsichtlich (Sprach-) Förderung, Integration und dem Selbstverständnis Offenbacher Kitas als Bildungseinrichtungen von den Antrag stellenden Fraktionen als massive Qualitätsverschlechterung zu Lasten der Kinder und ihrer Eltern gewertet und deshalb abgelehnt. Die Antrag stellenden Fraktionen weisen darauf hin, dass mit der Novellierung des Kinder- u. Jugendhilfegesetzes zum 1.1.2005 den Elementarbildungseinrichtungen ein expliziter Bildungsauftrag auf hohem Niveau zugewiesen wurde. Die Kitas in Offenbach müssen hierfür angemessen ausgestattet bleiben!

 

Zu 4.:

Mit der Kooperationsvereinbarung zwischen Mathildenschule und Kita erprobt die Stadt eine stärkere Gewichtung frühkindlicher Bildung in Kindertagesstätten und die Verzahnung mit der inhaltlichen Arbeit der Grundschule, um Kindern einen reibungsloseren Übergang in die Grundschule zu ermöglichen. Dies sind auch Anliegen des von der Landesregierung vorgelegten Bildungs- und Erziehungsplans. Um den Bildungs- und Erziehungsplan an den Einrichtungen zu realisieren, bedarf es neben der Rahmenvorgabe auch finanzieller Mittel, um die Anforderungen vor Ort zu realisieren.