Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2011 - 2016


2011-16/DS-I(A)0085Ausgegeben am 25.10.2011

Eing. Dat. 29.09.2011

 

 

 



„Offenbacher Stadtkonzern“
Stadtwerke Offenbach Holding GmbH (SOH)
hier: Gründung einer Vorratsgesellschaft mit dem Arbeitstitel „Energieversorgung Dietzenbach GmbH" durch die EVO AG
Antrag Magistratsvorlage Nr. 290/11 (Dez. III, Amt 20) vom 28.09.2011


Der Magistrat beantragt, dass die Stadtverordnetenversammlung wie folgt beschließt:

Die Gründung einer Vorratsgesellschaft mit dem Arbeitstitel „Energieversorgung Dietzenbach GmbH" und einem Stammkapital von 25.000 € sowie einem direkten Weiterverkauf von bis zu 50 % der Anteile an die Stadt Dietzenbach oder ein städtisches Unternehmen der Stadt Dietzenbach zum Nennwert wird genehmigt.


Begründung:

 

Im Zuge der Umwälzungen, die in den vergangenen Jahren auf dem Energiemarkt stattgefunden haben, ist für viele Kommunen der Besitz von  einer Anteilseignerschaft an Stadtwerken wieder in den Fokus ihrer Überlegungen gerückt. Die als erdrückend empfundene Marktmacht der „großen Vier" und der Wunsch nach einer umweltfreundlichen und dezentralen Energieerzeugung mit regenerativen Energiequellen haben durch die Ereignisse von Fukushima und den Bundestagsbeschluss zum Atomausstieg weitere Nahrung erhalten. Die vor einigen Jahren von den Kommunen – teilweise aufgrund schwieriger Kassenlage – betriebene Politik des Rückzugs aus den Stadtwerken wird wieder umgekehrt, die Rekommunalisierung oder sogar Neugründung von Stadtwerken ist vielerorts im Gange.

 

Diese Trendumkehr ist aufgrund vieler Gespräche mit den umliegenden Kommunen spürbar. Die EVO wird hier als verlässlicher und regional verankerter Partner wahrgenommen. Einige lokalpolitisch Verantwortliche streben aber klar erkennbar auch gegenüber der EVO nach einer Erhöhung des kommunalen Einflusses bei Energieerzeugung und -vertrieb, nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch, weil entsprechende Themen heute bei Wahlen auch im lokalen Umfeld als entscheidungsrelevant eingeschätzt werden.

 

Im Rahmen der Verlängerung der Stromkonzession in Rodgau in 2010 wurde der Gemeinde als mittel- bis langfristige Perspektive die Gründung einer gemeinsamen Netzgesellschaft in Aussicht gestellt, in die dann nach und nach die zur Neuvergabe anstehenden Konzessionen eingebracht werden könnten. Der Vorteil für die Gemeinde besteht in einer direkten Partizipation an den wirtschaftlichen Ergebnissen dieser Tochter. Für die EVO kann mit diesem Modell langfristig die Konzession zumindest im Teilkonzern erhalten bleiben. Zudem erhöht sich die Chance, über solche Kooperationsgesellschaften auch an Konzessionen zu kommen, die bisher bei fremden Netzbetreibern lagen und dadurch das Geschäftsvolumen zu erhöhen. Der Einschätzung der EVO nach hat das Angebot der Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft entscheidenden Einfluss auf die erneute Konzessionsvergabe an die EVO gehabt.

 

In der Kreisstadt Dietzenbach wird zurzeit die Gaskonzession neu ausgeschrieben, die bisher von der Maingau gehalten wird. Im Jahr 2017 läuft die Stromkonzession aus, welche zurzeit die EVO innehat. Dietzenbach ist für die EVO nach Offenbach die Kommune mit höchster wirtschaftlicher Bedeutung, sie vertreibt dort Strom, Fernwärme und Wasser, ist Eigentümer der entsprechenden Netze und bewirtschaftet darüber hinaus noch das kommunale Abwassernetz und die Kläranlage.

 

Um die langfristige Verankerung der EVO in der Stadt Dietzenbach zu sichern und den Geschäftsumfang nach Möglichkeit zu erweitern, wurde folgende Ideenskizze entwickelt: die EVO und Stadt Dietzenbach gründen eine gemeinsame Gesellschaft, in die zum jeweiligen Vergabezeitpunkt die Gas- und die Stromkonzession eingebracht werden und die schrittweise zu einem vollständigen Stadtwerk ausgebaut wird, etwa durch die Übernahme von Vertriebsaktivitäten im Stadtgebiet von Dietzenbach. Auch der Aufbau eigener Wärme- und Stromerzeugungskapazitäten in der Kooperationsgesellschaft sowie ein Ausbau des Fernwärmenetzes wird in diesem Zusammenhang geprüft.

 

Seitens der EVO wird die Konsolidierungsfähigkeit der Kooperationsgesellschaft als zwingende Voraussetzung für die Umsetzung der Ideenskizze gesehen. Seitens der Stadt Dietzenbach wird als Signal der Kooperationswilligkeit der EVO die Gründung einer Gesellschaft sowie der Bau eines Biomasse-Kraftwerks durch die Kooperationsgesellschaft verlangt. Während die Prüfungen und Berechnungen zum Thema Bio-HKW bisher noch voll im Gange sind, erfordert die reine Gesellschaftsgründung keine größeren Vorarbeiten und beinhaltet auch keine wirtschaftlichen Risiken.

 

Die EVO beabsichtigt daher als politisches Signal in Richtung der Stadt Dietzenbach die Gründung einer Vorratsgesellschaft unter dem Arbeitstitel "Energieversorgung Dietzenbach GmbH" mit einem Stammkapital von 25.000 €. Die Stadt Dietzenbach hat ihrerseits bereits in 2010 einen Stadtverordnetenbeschluss zur Kooperation mit der EVO über eine gemeinsame Energiegesellschaft gefasst. Unmittelbar nach der Gründung sollen 50 % der Anteile der Gesellschaft an die Stadt Dietzenbach oder eine von ihr benannte städtische Gesellschaft zum Nennwert verkauft werden. Alternativ kann auch eine direkte gemeinsame Neugründung im Anteilsverhältnis 50:50 erfolgen. Die Gesellschaft selbst könnte dann technische und wirtschaftliche Machbarkeit sowie Gremienfreigabe vorausgesetzt die oben beschriebenen Tätigkeiten übernehmen. Die Gesellschaftsstruktur wird so ausgestaltet, dass die Konsolidierungsfähigkeit bei der EVO gegeben ist. Sollten die skizzierten Ideen nicht zum Tragen kommen, kann der Firmenmantel anderweitig genutzt oder wieder liquidiert werden. Bis auf die Notar- und Gerichtskosten entstehen gegenwärtig keine wirtschaftlichen Risiken.

 

Die Geschäftsführung der SOH bedarf nach § 17 Abs. III lit. d) des Gesellschaftsvertrages der SOH der Zustimmung der Gesellschafterversammlung u.a. im Rahmen der Wahrnehmung von Rechten als Aktionär im Zusammenhang mit grundlegenden kommunalwirtschaftlichen Entscheidungen.

 

Die Vertreter der SOH im Konsortialausschuss der EVO, welcher die Beschlüsse des Aufsichtsrates vorbereitet, welche u.a. wiederum Voraussetzung dafür sind, dass der Vorstand der EVO eine Tochtergesellschaft gründen kann, benötigen für ihr Stimmverhalten im Konsortialausschuss zu der im Raume stehenden Angelegenheit ebenfalls entsprechende Voten der Gesellschafterversammlung der SOH (§ 3.9 des Konsortialvertrages i.V.m. § 17 Abs. III lit. c) und d) des Gesellschaftsvertrages der SOH).

 

Dieses Votum konnte aufgrund der zeitlichen Restriktionen nicht im Vorab eingeholt werden. Insofern wurde in der Sitzung des Konsortialausschusses am 27.09.2011 dem Tagesordnungspunkt „Gründung einer Energiegesellschaft Dietzenbach GmbH“ zugestimmt. Daher ergibt sich die Dringlichkeit der Vorlage.

 

Kommunalverfassungsrechtlich ist nach §§ 9 i.V.m. 51 Nr. 11 HGO die Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung gegeben.