Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2016 - 2021


2016-21/DS-I(A)0288Ausgegeben am 12.10.2017

Eing. Dat. 10.10.2017

 

Prozess zur Entwicklung von Leitlinien zur Bürgerbeteiligung

Antrag CDU, B´90/Die Grünen, FDP und FW vom 10.10.2017

 

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Der Magistrat wird beauftragt für die Stadt Offenbach Leitlinien zur Bürgerbeteiligung zu erarbeiten. Dabei sind folgende Vorgaben zu beachten.

 

1. Oberziel

 

Leitlinien zur Bürgerbeteiligten klären für Einwohner, Verwaltung und Politik

 

-       zu welchen Themen und Vorhaben

-       in welchem Umfang

-       zu welchem Zeitpunkt und

-       in welcher Art und Weise

 

Bürgerbeteiligung künftig in Offenbach stattfinden wird.

 

Wichtigstes Ziel der Leitlinien ist eine breitere Beteiligung der Offenbacher Bürgerschaft an den kommunalen Entscheidungen, die sie betreffen. Durch gelungene Beteiligungsprozesse können mehr Bürgerinnen und Bürger am Stadtgeschehen teilhaben.

 

Ein weiteres Ziel des Leitlinienprozesses ist die Erhöhung der Transparenz und des Wissensaustauschs: Durch eine stärkere Beteiligung können Politik und Verwaltung frühzeitig erfahren, was Bürgerinnen und Bürger bewegt. Und umgekehrt können sie frühzeitig darüber informieren was geplant ist. Für Bürger muss es auf einfachen Wegen möglich sein, sich über Verwaltungsprozesse zu informieren.

 

Die Erarbeitung von Unterzielen der Bürgerbeteiligung wird als ein Bestandteil des Leitlinienprozesses festgelegt.

 

Ebenso ist zu erarbeiten, wie die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger verstetigt werden kann. In die Überlegungen einzubeziehen ist insbesondere die Frage, ob und in welcher Form eine zuständige Stelle innerhalb der Stadtverwaltung sinnvoll ist. In diesem Fall wäre ebenso zu prüfen, ob eine solche Stelle neu geschaffen werden sollte oder ob sie innerhalb der vorhandenen personellen Ressourcen abgedeckt werden kann.

 

2. Beteiligte

 

Für die wissenschaftliche Begleitung, Erarbeitung, Ausgestaltung, Moderation und Implementierung des Prozesses wird der Magistrat beauftragt einen erfahrenen, externen Anbieter zu suchen und Angebote einzuholen.

Die Leitlinien werden in einem Prozess erarbeitet, an dem Bürgerinnen und Bürger sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Verwaltung und Politik gemeinsam arbeiten. Der Arbeitskreis ist wie folgt zu gestalten:

 

-       Die Hälfte des Arbeitskreises setzt sich aus 12 Bürgerinnen und Bürgern zusammen. Diese werden jeweils zur Hälfte durch Zufallsverfahren ausgewählt, die dem Durchschnitt der Bevölkerung Offenbachs entspricht. Auf die weiteren Plätze können sich Interessierte bewerben und werden per Losverfahren ausgewählt.

 

-       Ein Viertel des Arbeitskreises wird mit Vertreter*innen der Verwaltung aus folgenden 6 Ämtern besetzt: Referat Frauenbüro; Kultur- und Sportmanagement; Sozialamt; Jugendamt; Kämmerei; Stadtplanung, Verkehrs- und Baumanagement.

 

-       Ein Viertel des Arbeitskreises wird aus den Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung gewählt. Für die jeweiligen Vertreter ist jeweils auch eine Stellvertretung zu benennen.

 

-       Darüber hinaus sollen das KJP, der Seniorenrat, der Behindertenbeirat und der Ausländerbeirat durch Stellungnahmen an den für sie relevanten Punkten zu den Leitlinien einbezogen werden.

 

3. Zeitplan und Kosten

 

Der Leitlinien-Prozess soll bis zum Jahresende 2018 abgeschlossen sein, sodass die Stadtverordnetenversammlung im ersten Quartal 2019 über die Leitlinien beschließen kann.

 

Für die Erarbeitung des Bürgerbeteiligungskonzeptes sind im Haushalt

2018 70.000 € einzustellen. Der Beschluss über die Beauftragung (siehe Punkt 2) erfolgt gesondert.

 

 

Begründung:

 

Direkte Demokratie stärken

 

Die antragstellenden Fraktionen möchten den in Offenbach lebenden Menschen mehr Mitsprache und Teilhabe am Stadtgeschehen ermöglichen. Bislang findet Bürgerbeteiligung nur punktuell statt. Es ist nicht geregelt bei welchen Themen eine Bürgerbeteiligung zwingend ist und bei welchen nicht. Viele Themen besonders aus dem sozialen Bereich betreffen Stadtgesellschaft ebenso wie Bauvorhaben. Sie werden aber bislang nicht durch Bürgerbeteiligung begleitet.

Daher sind zunächst in einem offenen Prozess Leitlinien zu entwickeln, die die Bürgerbeteiligung in Offenbach regeln.

 

Zu 1.

Der Leitlinienprozess soll zunächst vor allem viele Fragen klären und – im breiten Konsens getragen – festlegen, an welchen Stellen Bürgerbeteiligung wie aussehen kann. Solche Prozesse haben bereits in vielen Städten Deutschlands und Hessens stattgefunden und tragen zu mehr Transparenz und Beteiligung bei. Bürgerbeteiligung beschränkt sich dabei nicht auf Bauvorhaben, sondern umfasst auch soziale Infrastruktur und „weiche Faktoren“ der Stadtentwicklung.

Von zentraler Bedeutung für Offenbach wird es sein, dass Verfahren und Beteiligungsformen implementiert werden, die zu mehr Partizipation verschiedener Bevölkerungsgruppen führen. In vielen Städten zeigt sich, dass Bürgerbeteiligungsangebote vor allem durch bestimmte Bevölkerungsgruppen genutzt werden, während andere sich gar nicht beteiligen, sodass die soziale Ungleichheit wächst. Besonders deutlich wird dies bei der Beteiligung von Menschen mit sozioökonomisch schwierigen Lebensverhältnissen, es betrifft aber auch Seniorinnen oder junge Menschen. Jugendliche und Kinder haben weder Wahlrecht, noch kommen Verfahren zum Einsatz, die sie hinreichend einbeziehen – auch wenn es um Themen für sie geht, wie beispielsweise bei der Gestaltung von Spielplätzen.

Verschiedene Zielgruppen haben unterschiedliche Ansprache- und Beteiligungsbedürfnisse, die von digitalen 5-Minuten-Fragebögen bis zu mehrtägigen Zukunftswerkstätten reichen können. Für künftige Bürgerbeteiligungsverfahren wird es wichtig sein vorab herauszufinden wer die von der Maßnahme Betroffenen sind und mit welchen Mitteln sie erreicht werden können und später zu evaluieren ob sie tatsächlich erreicht wurden. Eine Evaluation der Bürgerbeteiligung kann beispielsweise mittels einer lokalen Demokratiebilanz erfolgen.

 

Parallel zur Beteiligung von Menschen, sollten auch Bürgerinformationsverfahren gestärkt werden, um Stadtpolitik und Verwaltungshandeln transparenter zu machen. Pressemitteilungen und Bekanntmachungen reichen dabei leider nicht immer aus, um die Betroffenen zu erreichen.

Bürgerbeteiligung und –information sind zwei verschiedene Dinge und als solche auch immer klar zu unterscheiden. Wo „nur“ informiert wird, sollte dies auch klar kommuniziert werden. Ebenso müssen der finanzielle und rechtliche Rahmen für die jeweiligen Maßnahmen allen Beteiligten immer klar sein und deutlich kommuniziert werden.

 

Zu 2.

Die antragstellenden Fraktionen möchten die Bürgerbeteiligung in Offenbach nachhaltig und wirkungsvoll ausbauen und erweitern. Daher sollen auch die Richtlinien zur Bürgerbeteiligung mit Bürgerinnen und Bürgern, Verwaltung und Politik in einem kooperativen und sich gegenseitig anerkennenden gemeinsamen Prozess erarbeitet werden.

Insbesondere die Bürgerschaft in Offenbach soll stärker Gehör finden als bisher. Um einen repräsentativen Querschnitt zu erhalten, sollen Personen zum Zuge kommen, die zufällig ausgewählt und in geeigneter, verständlicher Form zur Teilnahme gebeten werden. Daneben sollen Interessierte aber auch die Möglichkeit bekommen sich zu bewerben.

Bürgerbeteiligung soll künftig nicht mehr „nebenher“ laufen, sondern verstetigt werden, wenn wir sie ernsthaft wollen. Daher soll auch erarbeitet werden, ob eine nachhaltige und sinnvolle Beteiligung der Bürger durch eine kompetent besetzte Stelle gewährleistet werden kann.

Die Schaffung einer entsprechenden Stelle könnte auch den Vorteil bieten Kosten und Aufwand für Bürgerbeteiligung zu senken, da für kleinere Verfahren keine Externen mehr gesondert beauftragt und dazu geholt werden müssten. Zudem könnte eine fest zugeordnete Stelle auch Konstanz bei der Behandlung des Themas schaffen.

 

Zu 3.

Zeitplan und Kosten orientieren sich an den Erfahrungswerten anderer Städte, beispielsweise Darmstadt.