Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2021 - 2026


2021-26/DS-I(A)0581Ausgegeben am 05.10.2023

Eing. Dat. 05.10.2023

 

 

 

 

 

Sport und Freizeit GmbH Offenbach (SFO)

hier: Betrauungsakt gemäß EU-Freistellungsbeschluss

Antrag Magistratsvorlage Nr. 2023-280 (Dez. III, Amt 20) vom 04.10.2023

 

 

Der Magistrat beantragt, dass die Stadtverordnetenversammlung wie folgt beschließt:

 

1.     Der bisherige Betrauungsakt der Stadt Offenbach zur Betrauung der SFO, der Ende 2023 ausläuft, wird bezüglich des Sportstättenbetriebes am „Wiener Ring" verlängert sowie um die neue Aufgabe „des Betriebs eines öffentlichen Schwimmbades" erweitert. Die Stadt Offenbach betraut die SFO durch den als Anlage beigefügten Akt mit den dort beschriebenen förderfähigen „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ („DAWI“ – Gemeinwohlaufgaben nach § 2 Abs. 1 des Betrauungsaktes). In Abgrenzung hierzu werden auch die ohne vorherige Anmeldung (Notifizierung) bei der EU-Kommission grundsätzlich nicht förderfähigen sonstigen Dienstleistungen („Nicht-DAWI“ – Nicht-Gemeinwohlaufgaben nach § 2 Abs. 2 des Betrauungsaktes) ausdrücklich benannt.

 

2.     Die Beachtung der im sogenannten „Almunia-Paket“ der Europäischen Kommission aufgeführten Kriterien für kommunale „Ausgleichsleistungen“, d. h. für alle vom Staat oder aus staatlichen (kommunalen) Mitteln jedweder Art gewährten Vorteile, an Unternehmen mit Gemeinwohlaufgaben wird beschlossen. Weiter wird beschlossen, dass öffentliche (kommunale) Mittel nach EU-Wettbewerbsrecht nur in dem Umfang an die SFO fließen dürfen, wie die Gemeinwohlaufgabe infolge des öffentlichen Betrauungsaktes reicht.

 

3.     Die Betrauung erfolgt für eine Dauer von zehn Jahren (01.01.2024 bis 31.12.2033), danach ist ein erneuter Beschluss zur Betrauung durch die Stadtverordnetenversammlung möglich. Die Betrauung ist der Gesellschaft bekannt zu machen. Die Betrauung kann durch erneuten Beschluss der Stadtverordnetenversammlung jederzeit geändert oder widerrufen werden.

 

4.     Die Verwaltung wird ermächtigt, redaktionelle Anpassungen vorzunehmen, wenn diese den wesentlichen Inhalt dieses Beschlusses nicht verändern.

 

 

 

 

 

Begründung:

 

Mit Beschluss der Stadtverordnetenbeschluss vom 04. Dezember 2013 (2011-16/DS-I(A)0475) wurde die SFO für den Zeitraum von 10 Jahren (01.01.2014 bis 31.12.2023) betraut, d.h. die Verlustübernahme aus dem Geschäft der SFO durch die Stadt Offenbach geregelt.

 

Die Aufgabe der SFO besteht im Betrieb der Sportstätte Wiener Ring und in diesem Zusammenhang mit der Erbringung von Vermarktungs- und Serviceleistungen. Diese Aufgabenwahrnehmung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse kann nicht kostendeckend erbracht werden. Die SFO ist daher auf Ausgleichzahlungen von kommunaler Seite angewiesen.

 

Die neue, vom Unternehmensgegenstand des Gesellschaftsvertrages umfasste Aufgabe der SFO ist der Betrieb eines öffentlichen Schwimmbades. Künftig wird der SFO vom EOSC das noch bis zum 31. März 2043 bestehende Erbbaurecht für die bebauten Teile des Schwimmbadgeländes Waldschwimmbad Rosenhöhe übertragen. Die Pachtflächen (unbebautes Gelände des Waldschwimmbades Rosenhöhe) werden durch den EOSC gekündigt und von der Stadt Offenbach an die SFO verpachtet.

 

Da der bisherige Betrauungsakt Ende 2023 ausläuft, ist dieser bezüglich des Sportstättenbetriebes am „Wiener Ring" erneut zu erlassen bzw. zu verlängern sowie um die neue Aufgabe „des Betriebs eines öffentlichen Schwimmbades" zu erweitern.

 

Nach geltendem Europarecht ist die Gewährung von Beihilfen von kommunaler Seite an Unternehmen grundsätzlich verboten (s. Art. 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)). Für wirtschaftlich tätige Einrichtungen können alle von der öffentlichen Hand – unmittelbar und mittelbar – gewährten geldwerten Vorteile, hier namentlich jährliche Verlustausgleichszahlungen der Stadt Offenbach am Main bzw. einer von ihr beherrschten Einrichtung wie der Stadtwerke Offenbach Holding GmbH, beihilfenrechtlich relevante Vorgänge im Sinne des EU-Wettbewerbsrechts sein. Als solche sind sie nur unter bestimmten Voraussetzungen und Verfahrensvorschriften zulässig und unterliegen grundsätzlich sowohl der Notifizierungspflicht, d.h. die Beihilfen sind vor der Gewährung der EU-Kommission anzumelden, als auch dem Durchführungsverbot, d.h. vor einer abschließenden Entscheidung der EU-Kommission darf eine Beihilfe nicht gewährt werden (s. Art. 108 Abs. 3 AEUV).

 

Mit dem im November 2005 erstmals von der EU-Kommission veröffentlichten „Monti-Paket“ und dem am 20. Dezember 2011 als Nachfolgeregelung verabschiedeten Reform-Paket für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse („Almunia-Paket“), insbesondere dem Freistellungsbeschluss 2012/21/EU, hat die EU-Kommission Kriterien festgelegt, aus denen sich ergibt, wann eine Beihilfe – ohne vorherige Anmeldung (Notifizierung) – als mit dem Europarecht zu vereinbarende Begünstigung und wann sie als anmeldungs- bzw. notifizierungspflichtig und von der EU-Kommission zu genehmigen gilt.

 

Nach dem Freistellungsbeschluss bedarf eine Ausgleichsleistung (Begünstigung) nicht der Anmeldung (Notifizierung) bei und der Genehmigung durch die EU-Kommission, wenn u.a.

 

·         es sich um einen Ausgleich für eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV handelt;

 

·         das Unternehmen mit der Wahrnehmung dieser Dienstleistungen – für einen Zeitraum von zunächst in der Regel maximal zehn Jahren – betraut wird;

 

·         der Betrauungsakt u.a. den genauen Gegenstand und die Dauer der Gemeinwohlaufgabe, das betraute Unternehmen und gegebenenfalls das betreffende Gebiet sowie die Beschreibung des Ausgleichsmechanismus und der Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistungen sowie Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung von Überkompensationszahlungen benennt und einen Verweis auf den Freistellungsbeschluss (2012/21/EU) enthält;

 

·         die Zuwendung in transparenter Art und Weise erfolgt und

 

·         die Dokumentation über die Erfüllung der Voraussetzungen auf Anforderung der EU-Kommission ausgehändigt werden kann.

 

Bedeutsam ist insbesondere, dass die Berechnung der Ausgleichsleistungen (Begünstigungen) nachvollziehbar sein muss und dass die Festlegungen im Vorhinein durch den Betrauungsakt in Verbindung mit dem jeweiligen Wirtschaftsplan oder einem entsprechenden anderen Nachweis der SFO getroffen werden. Im Rahmen des jeweiligen Wirtschaftsplans sind – soweit notwendig – in einer Trennungsrechnung alle Erlöse und Kosten aufzuführen, die zur Erfüllung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (s. § 2 Abs. 1 des Betrauungsaktes) erforderlich sind. Hierdurch werden die Vorgaben aus dem „Almunia-Paket“ zur Festlegung der Parameter im Vorhinein erfüllt.

 

Sonstige wirtschaftliche Tätigkeiten der SFO, die nicht von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sind (s. § 2 Abs. 2 des Betrauungsaktes), dürfen ohne vorherige Anmeldung (Notifizierung) bei der EU-Kommission nicht mit staatlichen (kommunalen) Mitteln gefördert werden, sofern hierdurch der Wettbewerb potentiell verfälscht wird und eine Binnenmarktrelevanz zu bejahen ist. Die Verwendung der Mittel muss durch die SFO mit dem Jahresabschluss und einer entsprechenden Trennungsrechnung – mit getrenntem Ausweis der Tätigkeiten – nachgewiesen werden.

 

Durch die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Schüllermann und Partner AG, Dreieich, wurde überprüft und bestätigt, dass die Aufgaben der SFO gemeinwohlorientiert sind. Für solche gemeinwohlorientierten Verpflichtungen erklärt Art. 106 Abs. 2 AEUV die EU-Wettbewerbsregel auf Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, nur eingeschränkt für anwendbar. Öffentliche Unterstützungsleistungen für Gemeinwohlverpflichtungen können durch einen sogenannten „Betrauungsakt" mit dem EU-Recht in Einklang gebracht werden. Ziel der Betrauung ist die Schaffung von Transparenz darüber, welche Daseinsvorsorge-Dienstleistungen in welcher Höhe bezuschusst werden.

 

Der in der Anlage beigefügte Betrauungsakt der Stadt Offenbach am Main betreffend die SFO, der auf einer Musterempfehlung der kommunalen Spitzenverbände, namentlich der Landkreistage Baden-Württemberg und Bayern, basiert, erfüllt die aktuellen Anforderungen des Europäischen Beihilfenrechts, insbesondere des „Almunia-Pakets“ der EU-Kommission.

 

Er stellt nach heutigem Kenntnisstand für die Zukunft sicher, dass – sofern erforderlich – kommunale Ausgleichsleistungen (Begünstigungen) an die SFO ohne eine vorherige Notifizierung bei der EU-Kommission geleistet werden dürfen. Damit kann die weitere Tätigkeit der SFO in Übereinstimmung mit dem EU-Beihilfenrecht gewährleistet werden.

 

Der vorliegende Betrauungsakt gemäß Art. 2 Abs. 2 des Freistellungsbeschlusses soll zum 01.01.2024 in Kraft treten und wurde auf eine Laufzeit von zehn Jahren befristet. Danach kann ein erneuter Beschluss durch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Offenbach am Main gefasst werden.

Anlagen:

Entwurf Betrauungsakt

Klimarelevanzprüfung

 

Hinweis: Der Antrag sowie die Anlagen werden den Stadtverordneten und Fraktionen elektronisch (PIO) zur Verfügung gestellt.