Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt

Offenbach am Main

2021 - 2026


2021-26/DS-I(A)0628Ausgegeben am 18.01.2024

Eing. Dat. 18.01.2024

 

 

Änderung der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung

Antrag Stadtverordnetenvorsteher vom 18.01.2024

 

 

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung wird geändert und durch nachfolgende Regelungen ergänzt:

                                                           § 15 b

Mitwirkung des Kinder- und Jugendparlamentes
Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung

 

(1)  Dem Kinder- und Jugendparlament wird grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt, durch ein Mitglied seines Vorstands seine spezielle Expertise zu Planungen und Vorhaben beizutragen, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren.

(2)  Ein diesbezüglicher Redewunsch, der im Regelfall spätestens drei Tage vor der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der/dem Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung bekannt zu geben ist, wird vor Eröffnung der Tagesordnung anberaumt.

(3)  Für die Rede werden 10 Minuten reserviert.

 

§ 28

Teilnahme an Ausschusssitzungen

(1)  bleibt unverändert erhalten

(2)  bleibt unverändert erhalten

Neu eingefügt wird:

(3)  Die Mitglieder des Kinder- und Jugendparlamentes erhalten gemäß § 4 c in Verbindung mit 8 c Abs. 1 HGO das Recht, eine Vertretung in die Ausschüsse für deren öffentlichen Sitzungsteil zu entsenden. Diese sind bei allen wichtigen Angelegenheiten, die Kinder und Jugendliche der Stadt Offenbach betreffen zu hören. Sie haben bei diesen Themen ein Rede- und Vorschlagsrecht.

(4)  Seitherige Regelung (3) wird zu (4)

 

Begründung:

 

Die Stadtverordnetenversammlung hatte in ihrer Sitzung am 9. März 2023 beschlossen, über den Stadtverordnetenvorsteher zu prüfen, wie die Rechte des Offenbacher Kinder- und Jugendparlamentes als Interessensvertretung von Kindern und Jugendlichen in der Stadt Offenbach nach §8 c HGO (1) um ein Anhörungs-, Vorschlags- und Rederecht erweitert werden könnten ggf. unter Änderung der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Offenbach.

 

Ein „Vorschlagsrecht“ wie es in § 8c HGO normiert ist, ist allerdings kein „Antragsrecht“ an die Stadtverordnetenversammlung.

Antragrecht haben neben den Stadtverordneten und dem Magistrat der Ausländerbeirat und der Jugendhilfeausschuss.

Das Kinder- und Jugendparlament mit Sitz und Stimme im Jugendhilfeausschuss, kann Anträge über den Jugendhilfeausschuss stellen.

 

Darüber hinaus kann das KJP, wie in der Vergangenheit öfter geschehen, Anträge über ihre Schirmherrin oder ihren Schirmherrn (die oder der jeweilige Stadtverordnetenvorsteher/Stadtverordnetenvorsteherin) als Antrag einreichen.

Natürlich kann das KJP auch jede/n andere/n Stadtverordneten oder eine Fraktion bitten, Anträge von ihm zu übernehmen und im eigenen Namen einzureichen.

 

Rechtslage:

 

Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Gießen hatte 2015 eine „Bürgerbeteiligungssatzung“ beschlossen. Diese wurde vom RP beanstandet und durch den Verwaltungsgerichtshof Kassel in letzter Instanz in großen Teilen verworfen.

Dies betrifft auch den Umfang der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen gemäß §4c und 8c HGO.



Urteil VGH Kassel vom 14.12.21

 

1.       Das Recht einer Gemeinde, im Rahmen der durch Art. 28 Abs. 2 GG eingeräumte Satzungsautonomie für ihren örtlichen Bereich Bürgerbeteiligungsrechte zusätzlich zu den in der Hessischen Gemeindeordnung geregelten Formen der Bürgerbeteiligung zu schaffen, findet seine Grenze dort, wo Entscheidungsspielräume der demokratisch legitimierten Organe oder Organwalter der Gemeinde eingeschränkt werden.

2.       § 4c HGO und 8c HGO regeln den Umfang der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen abschließend. Bestimmungen einer kommunalen Bürgerbeteiligungssatzung, die auch Kindern und Jugendlichen darüber hinaus gehende Anhörungs- und Antragsrechte in kommunalen Gremien einräumen, sind gesetzeswidrig und können dementsprechend zurecht kommunalaufsichtlich beanstandet werden.

 

Der Gesetzgeber hat in den Vorschriften §§ 4c, 8c HGO zum Ausdruck gebracht, dass dem Kinder- und Jugendparlament Möglichkeiten einzuräumen sind, seine besondere fachliche Expertise in die Beratung der kommunalen Organe einfließen zu lassen.

 

Die Stadtverordnetenversammlung hat in Umsetzung dieses Auftrages beispielsweise am 10.09.2020 in der Drucksache 2016-21/DS-I(A)0821/1 u.a. einstimmig beschlossen, dass das Kinder- und Jugendparlament bei der Planung von Spielplätzen von der Verwaltung einzubeziehen ist. Dies funktioniert zwischenzeitlich gut. Die Beteiligung des Kinder- und Jugendparlamentes wird in den entsprechenden Vorlagen an die Stadtverordnetenversammlung dokumentiert.

 

Bei der allgemeinen Umsetzung der beiden o.a. HGO-Vorschriften gilt es jedoch, etwas zu beachten:

 

Die Wortwahl der vorgenannten Vorschriften beschreibt kein allgemeines Rederecht von Beiräten in den kommunalen Organen. Den Gedanken des Einräumens eines Rederechts – d.h. dem Anspruch auf Worterteilung - von sachkundigen Bürgerinnen und Bürgern oder Beiräten hat der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen bei der Einfügung des § 8c HGO im Jahr 1998 verworfen, vgl. Schneider/Dreßler/Rauber/Risch, Hessische Gemeindeordnung, § 8c, Seite 2. Das Rederecht in der Stadtverordnetenversammlung und in den Ausschüssen ist ausschließlich den Stadtverordneten und den Mitgliedern des Magistrats mit eigenen Dezernat vorbehalten.

 

Die Stadtverordnetenversammlung hat allerdings die Pflicht, eine Regelung aufzustellen in welcher Weise die Stadtverordnetenversammlung und die Ausschüsse die Vorschläge und Redebeiträge der Beiräte aufnehmen möchte. D.h., der Zeitpunkt, die zeitliche Dauer und die Tagesordnungspunkte zu welchen die Beiräte ihre fachliche Expertise einbringen können, ist zu regeln. Die Einzelfallentscheidung über die Anwendung der Regel trifft dann jeweils das Organ bzw. dessen Vorsitzende/r.

 

Nach Rücksprache mit dem Hessischen Städtetag könnten folgende Regelungen getroffen werden, die als rechtssicher eingeschätzt werden:

 

Einerseits könnte dem KJP zu einem eigenen Tagesordnungspunkt eine zeitlich definierte Möglichkeit eigeräumt werden zu den Gegenständen zu reden die auf der aktuellen Tagesordnung stehen.

 

Andererseits kann geregelt werden, dass in der Stadtverordnetenversammlung oder in den Ausschüssen dem KJP zu den aufgerufenen Tagesordnungspunkten die Möglichkeit zu einer zeitlich befristeten fachlichen Stellungnahme eingeräumt wird, sobald Belange von Kindern und Jugendlichen tangiert sind.

 

Eine weitere Variante ist nach Auffassung des Antragstellers, Redebeiträge des KJP in den Ausschüssen durch eine Anpassung der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung zu verankern und gewünschte fachliche Stellungnahmen im Rahmen der Stadtverordnetenversammlung vor Aufruf der Tagesordnung zuzulassen.

 

Diese Variante ist Gegenstand dieses Antrags.

 

Hinweis: Der Antrag wird den Stadtverordneten und Fraktionen elektronisch (PIO) zur Verfügung gestellt.